Wie hochqualifizierte Frauen Krankheiten auf der Spur sind
Wer den Ermittlern in der beliebten US-Fernsehserie CSI über die Schulter schaut, ist schnell fasziniert, was aus an einem Tatort hinterlassenen Spuren alles gelesen werden kann. Im Labor der Krimi-Serie erhält man Einblick in Analysemethoden oder erfährt, was sich etwa im Blut nachweisen lässt. Für Sarah Schaller war CSI ein Grund, selbst den Weg ins Labor einzuschlagen.
Seit mittlerweile neun Jahren arbeitet die 31-Jährige als Biomedizinische Analytikerin (kurz BMA) im Zentrallabor am Klinischen Institut für Labormedizin im Wiener AKH. Und auch wenn Morde und Spurensicherung nicht zu ihrem Alltag gehören, ist die Analyse der knapp 8.000 Probenröhrchen, die hier täglich untersucht werden, für sie spannend. „Natürlich ist es nicht so wie im Fernsehen, dass man schon nach fünf Minuten ein Messergebnis hat. Manches geht tatsächlich rasch, aber einige Tests brauchen länger. Vieles funktioniert automatisiert“, erzählt Schaller.
Das wird schnell klar, wenn man mit ihr ihren Arbeitsplatz, eine der größten Laborstraßen Österreichs, entlang geht: Röhrchen mit Blut, Harn oder anderen Körperflüssigkeiten fahren wie von Geisterhand in automatisierten Bahnen, Roboterarme setzen sie an Stellen, wo sie von Geräten analysiert werden.
Die gesamte Anlage macht im 24-Stunden-Betrieb rund 90.000 Analysen pro Tag und zählt damit zu den größten weltweit. Fast jeder der rund 1.800 Patienten, die täglich im AKH aufgenommen werden, erhält Befunde, die hier im Zentrallabor entstanden sind. Hinzu kommen jene, die ambulant betreut werden sowie Einsendungen anderer Krankenhäuser oder Privatlabors.
Cannabis im Blut
In Sarah Schallers Abteilung, dem sogenannten Kernlabor, werden Routinewerte aus Blut, Harn, Gehirnflüssigkeit oder anderen Körperflüssigkeiten ausgewertet. So können etwa Hormone, Tumormarker sowie Stoffwechselwerte von Herz, Leber, Schilddrüse und Niere bestimmt werden.
Auch Medikamente und Drogen werden hier nachgewiesen, also ob etwa ein Patient Alkohol, Cannabis oder Methadon konsumiert hat. Zur Sicherheit tragen sie und ihre Kolleginnen – die meisten sind Frauen – stets weißen Kittel, Schutzbrille und Handschuhe.
Eine ihrer Aufgaben ist, die Ergebnisse der Geräte zu überprüfen und zu beurteilen – oft auch unter Zeitdruck. „Manche Proben müssen rasch fertig sein, etwa für eine OP-Freigabe. Da kann es auch mal stressig werden, wenn etwas nicht funktioniert“, erzählt die Burgenländerin, die täglich eine Stunde nach Wien pendelt. Im Schnitt dauert es bei einem Notfall 34 Minuten, bis das Ergebnis einer Probe da ist.
Kontakt mit Patienten hat sie nicht, und auch wenn sie manchmal den Namen oder das Alter einer Person sieht, sind die Proben für sie schon allein aufgrund der Menge anonym. Nur eines macht sie manchmal traurig: „Bei einem lebensgefährlichen Befund gebe ich Werte telefonisch durch, da es sonst zu lange dauern würde bis die Information beim behandelnden Arzt einlangt. Manchmal erfährt man dann, dass ein Patient bereits verstorben ist. Das berührt natürlich.“
Schrauben festziehen
Auch wenn die Geräte bereits viele Arbeitsschritte übernehmen, lernen BMAs in der Ausbildung, wie dies händisch funktioniert. „Das Gerät kennt die Inkubationszeit bestimmter Reaktionen bis hin zu notwendigen Temperaturen bei der Analyse. Wir sind aber dafür verantwortlich, dass die Geräte laufen, und dazu müssen wir sie teilweise wie Kinder betreuen“, meint Schaller. Es kommt durchaus vor, dass sie nicht nur zur Pipette, sondern auch zum Schraubenzieher greift.
Etwa die Hälfte der Parameter, die hier bestimmt werden, müssen zudem von BMAs nach wie vor händisch ausgewertet werden. Auch wenn nur wenig Material vorhanden ist, etwa bei der Blutprobe eines Kindes, muss händisch pipettiert werden. Dafür ist genaues Arbeiten und Belastbarkeit laut Schaller Voraussetzung, ebenso wie technisches Verständnis und Erfahrung, um systematische Fehler von Geräten zu erkennen.
Immer wieder komme es vor, dass sie erklären muss, was sie beruflich genau macht. „Die wenigsten wissen, was Biomedizinische Analytik ist. Viele denken, die Befunde entstehen nur durch Ärzte. Damit die Mediziner die Werte medizinisch auswerten können, müssen sie jedoch erst einmal analysiert bzw. technisch überprüft werden und das ist Aufgabe der BMAs“, sagt Sarah Schaller.
8.000 biomedizinische Analytikerinnen
Biomedizinische Analytikerinnen – 95 Prozent sind weiblich – arbeiten in einer Vielzahl medizinischer Bereiche. Sie analysieren etwa Körperflüssigkeiten und Gewebe auf spezielle Merkmale von Krankheiten, machen Ultraschalluntersuchungen in speziellen Bereichen oder Lungenfunktionstests direkt am Patienten.
In Österreich arbeiten ca. 6.000 bis 8.000 BMAs. „In unserem Beruf schlägt die Digitalisierung sehr zu. Neben der technischen Komponente, ist er aber auch sehr handwerklich. Im Bereich der In-Vitro-Fertilisation ist beispielsweise reine Handarbeit gefragt“, erzählt Sylvia Handler, Präsidentin des Berufsverbandes biomed austria.
Trotz zahlreicher Tätigkeitsbereiche, sei der Beruf und seine Vielfältigkeit jedoch wenig bekannt. Zwar kenne jeder Befunde, aber wenige wissen, wer sie macht oder wie sie im Labor entstehen. „Wir scheinen selten auf, aber ohne Biomedizinische Analytik würde kein Krankenhaus funktionieren“, betont Handler.