Wie Allergien und psychische Beschwerden zusammenhängen
Gehäufte Allergien in der Kindheit erhöhen im späteren Leben das Risiko für psychische und chronisch entzündliche Erkrankungen. Zu diesem Schluss kommen Zürcher und Lausanner Forschende in einer neuen Studie.
Bereits in der Kindheit zeichnen sich Unterschiede des Immunsystems ab, die bis ins höhere Alter ausgeprägt bleiben. So stellten Forschende der Universität Zürich, sowie vom Universitätsspital und der Universität Lausanne fest, dass die Ausprägung von Kinderkrankheiten und Allergien sowie Traumata im Kindesalter mit der späteren Krankheitsanfälligkeit zusammenhängen.
Für ihre Untersuchung werteten die Forschenden um Studienerstautor Vladeta Ajdacic-Gross von der Uni Zürich die epidemiologischen Daten von knapp 5.000 Personen aus, die Mitte des 20. Jahrhunderts geboren wurden. Anhand der Krankheitsmuster in der Kindheit identifizierten die Wissenschafter fünf Gruppen, wie die Uni Zürich mitteilte.
Diese Gruppen charakterisierten sie anhand biologischer Marker wie weißer Blutkörperchen und Entzündungsmarkern. Anschließend setzten die Forschenden diese Krankheitsmuster aus der Kindheit in Beziehung zu chronischen Entzündungskrankheiten und psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter. Von ihren Ergebnissen berichteten sie kürzlich im Fachblatt BMC Medicine.
Einen Zusammenhang zwischen den Krankheitsmustern der Kindheit und der späteren Anfälligkeit für psychische Erkrankungen fanden die Wissenschafter demnach bei drei Gruppen: einer "atopischen" Gruppe (sieben Prozent) mit mehreren Allergien, einer "gemischte" Gruppe (neun Prozent) mit vereinzelten Allergien und Kinderkrankheiten wie Scharlach, Keuchhusten oder Röteln, und einer "traumatisierten" Gruppe, in welcher die Personen in der Kindheit große psychosoziale Belastung erlebt hatten. Letztere waren anfälliger gegenüber Allergien, aber relativ widerstandsfähig gegenüber viralen Kinderkrankheiten.
Die gleichen drei Gruppen waren auch anfälliger für chronisch entzündliche Erkrankungen. Bei der traumatisierten Gruppe beschränkte sich dieses erhöhte Erkrankungsrisiko allerdings nur auf die Frauen, schrieben die Forscher.
Die größte Gruppe - knapp 60 Prozent der untersuchten Personen - besaß ein unauffälliges, "neutrales" Immunsystem mit relativ geringer Krankheitsbelastung im Kindesalter. Die zweitgrößte mit rund 20 Prozent verfügte über ein besonders widerstandsfähiges (resilientes) Immunsystem: Bei ihnen manifestierten sich Symptome von Masern, Mumps und Röteln, für die es damals noch keinen Impfschutz gab, deutlich weniger als bei der "neutralen" Gruppe. Die resiliente Gruppe war der Studie zufolge auch im Erwachsenenalter besser geschützt, sowohl vor psychischen als auch chronisch entzündlichen Krankheiten.
Wie eine Schaltstelle
"Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Immunsystem wie eine Schaltstelle zwischen somatischen und psychischen Prozessen funktioniert", sagte Ajdacic-Gross. "Sie helfen uns zu verstehen, weshalb auch viele Menschen ohne psychosoziale Vorbelastungen von psychischen Beschwerden eingeholt werden und weshalb umgekehrt traumatisierte Personen zu chronischen Entzündungskrankheiten neigen."
Weitere Vergleichsanalysen ergaben, dass sich die Anteile der definierten Gruppen im Laufe der Zeit verschoben haben. In älteren Jahrgängen machen die neutrale und resiliente Gruppe einen größeren Anteil aus als in jüngeren. Bei Jüngeren legt hingegen der Anteil der "atopischen" Gruppe mit Allergien zu.
"Hygienehypothese"
Dieser Befund bestätigt auch die "Hygienehypothese", die besagt, dass bessere Hygiene und der vermehrte Wechsel vom Landleben zum Stadtwechsel die Anfälligkeit für Allergien in der Bevölkerung erhöht haben. Das Immunsystem kommt im frühen Leben mit weniger und anderen Mikroben in Kontakt, wenn ein Kind in der Stadt aufwächst, als wenn es beispielsweise auf dem Bauernhof groß wird. Durch den Kontakt mit einer Vielfalt an Mikroben lernt das Immunsystem aber den richtigen Umgang mit Krankheitserregern und eigentlich Harmlosem wie Pollen.