Wissen/Gesundheit

Unbekanntes Risiko: Zecken-FSME durch unpasteurisierte Milch

In bereits 36 Ländern weltweit konnte die von Zecken übertragene FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) nachgewiesen werden. Und sicher kann man sich praktisch nirgendwo fühlen: Denn die Risikogebiete für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ändern sich laufend. Für das 2019 zum Thema erschienene Standardwerk über FSME ("The TBE-Book" - TBE steht für "tick borne enzephalitis", also durch Zecken verursachte Enzephalitis / Gehirnentzündung) wurde erstmals die weltweite Krankheitsverbreitung erfasst - und dabei ergab sich die Gesamtzahl von 36 Ländern, erklärten Experten  am Donnerstag in Wien. Damit breitet sich das Virus zusehends aus.

"Was ich in den letzten Jahren gelernt habe, ist, dass wir die Verbreitung von FSME nicht vorhersagen können. Oft verschwinden Risikogebiete, dafür tauchen an anderer Stelle neue auf", sagte Gerhard Dobler vom Nationalen Konsiliarlabor für FSME in München. Detaillierten FSME-Verbreitungskarten stehe er deswegen skeptisch gegenüber. "Es ist schwer zu sagen, wo und ob man wirklich sicher ist. Sie können keine Grundlage für die Impfentscheidung darstellen", meinte Dobler, der sich für eine universelle FSME-Impfung in Europa aussprach.

Bisher weitgehend unbekannt war, dass neben Zeckenbissen auch unpasteurisierte Milchprodukte als Übertragungsweg für FSME fungieren können. Besonders Ziegenmilch gilt als gefährlich. "In der Slowakei sind beispielsweise bis zu 20 Prozent der FSME-Fälle auf Milch zurückzuführen", erklärte FSME-Experte Dobler.

Weltweit werden jährlich zwischen 10.000 und 12.000 FSME-Fälle registriert. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, da in vielen Ländern bis heute nicht systematisch auf FSME getestet wird. Ziehe man die für das Buch zusammengetragenen Daten heran, dann könne von einem "FSME-Gürtel" gesprochen werden, sagte Dobler. Dieser ziehe sich von Frankreich über Russland bis Japan. Im Süden sei bis Norditalien und Kroatien mit FSME zu rechnen, während im Norden Fälle bis nahe an den Polarkreis von Forschern registriert wurden.

Michael Bröker, Mitherausgeber des "TBE-Books": "Entgegen vieler Annahmen ist auch jemand gefährdet, sich mit mit FSME zu infizieren, wenn er nach Skandinavien, ins Baltikum oder auf die dänische Insel Bornholm reist."

Zentral- und Osteuropa stark betroffen

Besonders stark betroffen ist Zentral- und Osteuropa. In Russland wurden im Jahr 2018 insgesamt 1.692 Fälle registriert. Tschechien (712) und Deutschland (584) weisen ebenfalls eine höhere Fallzahl als Österreich (154) auf. Aufgekommene Fälle in Ländern wie China, der Mongolei oder Korea, wo FSME bisher eher nicht vermutet wurde, würden zunehmend für eine FSME-Reiseimpfung sprechen, sagte Bröker.

Michael Kunze vom Zentrum für Public Health an der Medizinischen Universität Wien verwies auf den unumgänglichen "beinahe hundertprozentigen Schutz" einer FSME-Impfung. "Es gibt kein Medikament gegen FSME und es ist auch keines in Aussicht", erklärte Kunze. Impfmüdigkeit wollte er der österreichischen Bevölkerung nicht unterstellen. Schließlich seien hierzulande knapp über 80 Prozent gegen das Virus geimpft, womit man weltweit führend sei.

In anderen europäischen Ländern ist die Durchimpfungsrate trotz teils hoher FSME-Fallzahlen weit niedriger. In Lettland sind 53 Prozent der Bevölkerung gegen FSME geimpft. In Estland nur jeder Dritte und in Tschechien gar nur rund 20 Prozent. Werden die korrekt durchgeführten Auffrischungsimpfungen berücksichtigt, dann sinken diese Zahlen - auch in Österreich - deutlich.