Wissen/Gesundheit

Suchtgefahr: Wie Eltern ihre Kinder stärken können

„Geben Sie Ihren Kindern mit, dass sie ,Nein‘ sagen dürfen. Sie müssen nicht mittrinken, mitrauchen, den ersten Joint probieren. Es ist auch cool ,Nein‘ zu sagen, denn das ist etwas ganz Besonderes.“ Das war ein konkreter Rat von Psychiaterin Gabriele Fischer von der MedUni Wien (AKH Wien) und Psychiater Roland Mader vom Anton-Proksch-Institut (API) in Wien. Die beiden waren beim großen Gesundheitstalk „Vom Laster zur Sucht“ von KURIER, MedUni Wien und Novartis im Van-Swieten-Saal der MedUni Wien am Podium. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Welche Suchtformen gibt es überhaupt?

„Die eine große Gruppe sind die substanzgebundenen Suchterkrankungen, aber wir sprechen hier nicht mehr von Suchterkrankung. Die neue Terminologie lautet ,Substanzgebrauchsstörung‘“, betonte Fischer. „Das sind etwa Rauchen, trinken, Cannabis, aufputschende Mittel, Kokain, Opiate, Medikamente, neue psychoaktive Substanzen. Vom neurobiologischen Krankheitsverständnis her gehört auch die Esssucht dazu.“ Eine weitere Gruppe sind die „stoffungebundenen Süchte, die Verhaltenssüchte“, sagte Mader. „Die Glücksspielsucht gibt es seit Jahrtausenden, aber es sind neue Süchte in den vergangenen zehn Jahren hinzugekommen – die Internetsucht etwa; überhaupt, seit jeder das Internet mit dem Smartphone in der Hose hat.“

Sehen Sie hier ein Video des Gesundheitstalks in voller Länge:

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Wann muss ich mir selbst bzw. als Angehöriger Sorgen machen?

„Wenn ich etwa Alkohol nicht mehr des Genusses wegen konsumiere, sondern weil das Suchtmittel so etwas wie ein Medikament für mich geworden ist, vielleicht wegen seiner beruhigenden Wirkung“, sagte Mader. „Diese beruhigende Wirkung will ich dann immer wieder abrufen.“ Das Suchtmittel rückt immer mehr in das Zentrum des Lebens, alles andere wird zunehmend verdrängt. „Ein weiteres Kennzeichen ist die Beeinträchtigung des persönlichen Umfeldes“, betonte Fischer. „Wenn die Partnerin oder der Partner sagt, ,jetzt hör doch mir zuliebe auf‘, und man merkt, dass man auch dann keine Kontrolle mehr über sein Verhalten hat, dann ist das schon krankheitswertig.“ Angehörige brauchen viel Unterstützung, „sie sollen empathisch sein, aber nicht der Co-Therapeut und nicht der Co-Abhängige werden“.

Warum führt beim einen etwa ein Casinobesuch zum Verlangen nach mehr und beim anderen nicht?

„Gerade bei der Suchterkrankung gibt es eine hohe Vererblichkeit“, sagte Fischer: „Viele glauben ja, die Betroffenen seien selber schuld, aber das sind sie nicht. Niemand sucht sich das selbst aus.“ Wobei es nicht ein einzelnes Gen gebe, sondern viele Faktoren eine Rolle spielen. Und: „Es wird nicht konkret z. B. die Alkoholabhängigkeit vererbt, sondern die Empfindlichkeit, eine Suchterkrankung zu bekommen.“ Und natürlich würden konkrete Ereignisse auch eine Rolle spielen, erklärte Fischer, „etwa Probleme im Job oder mit dem Partner“.

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Welche Rolle spielt das Vorbild der Eltern?

„Wie in der Herkunftsfamilie mit unterschiedlichen Suchtmitteln umgegangen wird, das wird von den Kindern in aller Regel übernommen“, erklärte Mader mit einem Beispiel: „Wenn der Vater nach einem stressigen Arbeitstag sagt, ,ich brauche jetzt ein Bier‘, dieses hinunterzischt und dann sagt, ,jetzt geht es mir gut‘, so ist dieses Verhalten positiv besetzt. Und das Kind sieht: Aha, wenn es mir nicht gut geht, dann gibt es etwas, das kann ich einnehmen und das hilft rasch. So gesehen haben Eltern eine sehr große Verantwortung.“

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Treten Suchterkrankungen völlig isoliert von anderen Krankheiten auf?

„Viele der Betroffenen haben bereits zugrunde liegende psychiatrische Erkrankungen, Stimmungsstörungen, und dann wird irgendein Suchtmittel zur Selbstmedikation gewählt“, betonte Fischer. „Deshalb ist es sehr wichtig, dass ein Therapeut nicht fälschlicherweise nur die Substanzgebrauchsstörung sieht, sondern auf die Person als Ganzes schaut und beurteilt, welche tieferliegenden Probleme es gibt.“

Ähnlich Mader: „Wir finden praktisch bei jeder Sucht Begleiterkrankungen, ob das z. B. Depressionen oder Angststörungen sind. Junge Burschen, die nur mehr im Zimmer vor dem Computer sitzen, haben oft soziale Ängste, trauen sich nicht, mit anderen zu kommunizieren und tun das dann nur mehr über soziale Netzwerke.“

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Gilt bei der Alkoholkrankheit noch, dass man nie wieder etwas trinken darf?

„Umso fortgeschrittener die Alkoholkrankheit ist, umso eher ist die Abstinenz das einzige Behandlungsziel“, erläuterte Mader. Verändert habe sich, die Abstinenz immer als Therapieziel ganz oben hinzustellen: Weil dadurch verlieren wir auch viele Patienten, die eigentlich eine Behandlung gebraucht hätten, aber die Angst haben, nie wieder ein Glas trinken zu dürfen. Dann versuchen wir, verhaltenstherapeutisch eine Kontrolle in das Trinkverhalten hineinzubringen, mit Trinktagebüchern, dem Analysieren von Situationen, etc.“

Der nächste Gesundheitstalk am 9.4.

Der nächste Gesundheitstalk von KURIER, MedUni Wien und Novartis findet am 9.4. zum Thema „Multiple Sklerose bei Kindern und Jugendlichen“ statt. Einer der Podiumsteilnehmer wird Thomas Berger, neuer Leiter der Uni-Klinik für Neurologie der MedUni Wien und international bekannter MS-Experte, sein.  

Veranstaltungsort Van-Swieten-Saal der MedUni Wien, Van-Swieten-Gasse 1a (Ecke Währinger Str.), 1090 Wien, 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.