Wissen/Gesundheit

Kann bei Übergewicht das Gehirn schrumpfen?

Starkes Übergewicht schädigt möglicherweise das Gehirn: Britische Wissenschafter konnten (in der Online-Ausgabe des Fachmagazins Neurology) zeigen, dass vor allem bei Menschen mit Fettleibigkeit um die Körpermitte das Volumen an grauer Hirnsubstanz etwas vermindert war. Dafür werteten sie Daten von fast 10.000 Menschen mit einem Durchschnittsalter von 55 Jahren aus. Ihr Gehirn war also „geschrumpft“. Unklar ist allerdings, ob das Übergewicht die Hirnveränderungen auslöst – oder ein verändertes Gehirn die Entstehung von Übergewicht begünstigt.

„Ein Zusammenhang ist plausibel, aber die tatsächliche Ursache für die Hirnveränderungen muss noch näher durchleuchtet werden“, sagt Peter Dal-Bianco, Präsident der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft.

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Eine Ursache könnte in der erhöhten Herz-Kreislaufbelastung liegen: „Wenn das Herz mehr Gewebe versorgen muss, kann das auf Dauer zu einer Überbelastung führen.“ Die Gehirnzellen könnten dadurch nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden, was deren Absterben begünstigt. Und es kann in den Gehirngefäßen genauso wie in jenen des Herzens zu Ablagerungen kommen: „Die Folge können Mini-Schlaganfälle sein, die man im Alltag gar nicht merkt, die aber zum Absterben von Gehirnzellen und Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung führen.“ Eine solche „milde kognitive Beeinträchtigung“ löst bei rund 15 Prozent der Betroffenen innerhalb eines Jahres eine Demenz aus.

Höherer Stoffwechsel

Gleichzeitig weiß man, dass Bewegung den Zuckerstoffwechsel im Gehirn um 30 Prozent erhöht. „Das zeigt, dass die Hirnaktivität gesteigert ist“, sagt Dal-Bianco – das Gehirn benötigt mehr Energie. Dadurch wird die Bildung neuer Nervenzellen angeregt. Bewegung regt auch die Ausschüttung von Wachstumsfaktoren an, die die Nervenzellen stärken und ihre Vernetzung fördern.

Der Gehirnforscher Jürgen Sandkühler machte erst kürzlich in einem KURIER-Interview darauf aufmerksam, dass Bewegungsmangel und Übergewicht „eine permanente Entzündung im Gehirn und im Körper zur Folge haben, was die kognitiven Fähigkeiten und Gedächtnisleistungen beeinträchtigt“.

Wer auf normale Blutdruck-, Blutzucker- und Cholesterinwerte achtet, kann sein Risiko für eine Demenzerkrankung deutlich senken.

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Gleichzeitig führt geistige Aktivität zu einer Verdichtung der Verbindung zwischen den Nervenzellen und damit einem Schutzeffekt: „Das Gehirn baut eine Reserve an Verbindungen und an Nervenzellen selbst auf. Wobei Dal-Bianco betont, dass es nicht hochphilosophische Themen sein müssen, mit denen man sich beschäftigt: „Gespräche und der soziale Austausch bewirken schon viel.“ Die antiken Griechen etwa hätten ihre Gespräche beim Spazieren durch die Arkaden geführt, „die sind nicht irgendwo ruhig gesessen“.

Eine gesunde Ernährung mit Gemüse (vor allem Blattgemüse), Obst und wöchentlich Fischmahlzeiten kann ebenfalls das Demenzrisiko senken. 

Und auch hier zeigen sich die Zusammenhänge zwischen Herz und Hirn: Mitteleuropa stehen rund 40 Prozent aller Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einer unausgewogenen Ernährung in Zusammenhang. In Israel oder Spanien ist es hingegen nur jeder dritter Todesfall. Insgesamt wäre laut internationaler Studie jeder zweite bis dritte Todesfall durch Herz-Kreislauferkrankungen in Europa durch eine ausgewogenere Ernährung vermeidbar. Forscher  der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg  führten als Gegenmaßnahme unter anderem einen höheren Konsum von Vollkornprodukten, von Nüssen und Samen sowie Gemüse sowie einen niedrigeren Salzkonsum an. Und das nützt sowohl dem Herzen als auch dem Gehirn.

 

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