Johannes Huber: „Glaube an Schöpfer ist kein Blödsinn“
Von Ernst Mauritz
Er ist der derzeit erfolgreichste Sachbuchautor in Österreich: Der Theologe und Mediziner Univ.-Prof. Johannes Huber, langjähriger Abteilungsleiter an der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Wiener AKH / MedUni Wien. Seine vergangenen zwei Sachbücher sind mit dem „Buch in Platin“ ausgezeichnete Bestseller. Mit seinem neuen Buch „Woher wir kommen. Wohin wir gehen.“ löst er ein Versprechen ein, das er Kardinal König (von 1973 bis 1983 war er sein persönlicher Sekretär) gegeben hat: „Dass ich meine Möglichkeiten nütze, auf die Vereinbarkeit von Naturwissenschaft und Religion hinzuweisen.“
KURIER: Um beim Buchtitel zu bleiben, woher kommen wir?
Johannes Huber: Als Arzt hat man zwei große Feinde, die oft den Sieg davontragen: Krankheit und Tod. Da kommt man um das Thema der Endlichkeit nicht herum. Ist der Tod tatsächlich eine Totalvernichtung oder doch nur ein Kostümwechsel? Der Physiker Anton Zeilinger hat gesagt, man könnte den ersten Satz des Johannesevangeliums „Am Anfang war das Wort“ auch übersetzen mit „Am Anfang war die Information“. Ich bin überzeugt: In der Geburtssekunde des Universums war die Information für alles, was nachher entstanden ist, schon vorhanden – aus ihr heraus hat sich das Leben und damit auch unsere Existenz entwickelt. Warum soll diese Information mit unserem Tod verschwinden? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass sie, in einer veränderten Form, dauerhaft bleibt?
Aber das hat noch nichts mit einem Gott zu tun?
Natürlich, aber das Vorhandensein von Information ist ein Faktum. Und jetzt ist es intellektuell redlich, in einer persönlichen Entscheidung zu sagen: Diese Information kam nicht von selbst, ist kein Zufall, sondern dahinter steht die Idee eines Schöpfers. Das spricht auch nicht gegen die Evolutionstheorie, im Gegenteil: Die schon vor dem „Urknall“ vorhandene Information leitet die Evolution. Ihr Ziel ist eine ständige Weiterentwicklung des Lebens, um damit auch die Menschen auf eine höhere Ebene zu bringen. Ich veröffentliche in dem Buch erstmals meinen Briefwechsel mit dem Philosophen Sir Karl Popper. Darin stimmt er mir zu, dass die Erbsubstanz eine langfristige Information enthält. Gläubige können das als Anleitung für den Bauplan der Schöpfung betrachten.
Sie schreiben, dass „die Kanonenschüsse gegen die Spiritualität mehr werden“.
Viele sind heute mit dem Jetzt so beschäftigt, dass sie alle Brücken zum Transzendentalen abreißen und sagen, „das interessiert uns nicht“. Man will nur unterhalten werden, die Kaufhäuser sind für viele die neuen Gotteshäuser. Ich bin dafür, dass sich beide Lebensentwürfe auf Augenhöhe begegnen. Derzeit hat man in Österreich aber den Eindruck, dass man jenen, die an einen Schöpfer glauben, bereits einen Minderheitenschutz zukommen lassen müsste. Ich sehe das Grundrecht, sich mit Ideen zu beschäftigen, die über die fünf Sinne hinausgehen, in Gefahr. Hier droht eine Intoleranz eines Wissens-Fundamentalismus, der den Glauben an einen Schöpfer als Blödsinn abtut.
Zum Thema „Wohin geht der Mensch?“ stellen Sie die Theorie auf, weibliche Geschlechtshormone würden bereits unser Denken beeinflussen?
Hormonell wirksame Chemikalien sind in vielen Alltagsprodukten – die Menge synthetischer Stoffe in der Umwelt, die wie weibliche Geschlechtshormone wirken, ist explodiert. Gleichzeitig geht die Spermaqualität beim Mann zurück. Meine Hypothese ist: Möglicherweise beeinflusst dieses ,Östrogenmeer‘ um uns herum auch schon Gehirnregionen und damit die Sichtweise auf verschiedene Themen.
Ein Beispiel?
Als Gynäkologe bin ich Anwalt der Frauen. Auf der anderen Seite ufern manche Diskussionen ins Überschießende aus, etwa der Gender-Boom oder auch #MeToo. Natürlich müssen Vorwürfe der sexuellen Belästigung und Vergewaltigung vor Gericht geklärt werden. Der Mut von Frauen, hier auszusagen, ist beispielhaft. Aber mittlerweile wird #MeToo auch gezielt gegen Männer eingesetzt, etwa um ihnen zu drohen, sie zu unterdrücken. So lawinenartig wie diese Debatte ausgebrochen ist, könnte hier der Östrogeneinfluss eine Rolle spielen. Wir gehen in Richtung einer Feminisierung der Gesellschaft. Das kann Vorteile haben – Kriege führen ja in erster Linie Männer –, sich aber auch gegen Männer richten.
Buchtipp: Johannes Huber: "Woher wir kommen. Wohin wir gehen - Die Erforschung der Ewigkeit", edition a, 272 Seiten, 24,90 Euro