Wissen/Gesundheit

Expertin erklärt, worauf es beim Streiten wirklich ankommt

Als ersten Schritt zum Streiten empfehlen Sie, erst einmal eine Streitkraft zu entwickeln. Was bedeutet das?
Dr. Susanne Jalka: ‚Streitkraft‘ nenne ich, wenn man sich gut vorbereitet auf einen Streit einlässt, mutig und cool und zugleich nicht jedes Wort der Streitpartner persönlich nimmt. Wenn man sich also quasi eine dicke Haut als persönlichen Schutz aufbaut, sodass Kränkungen daran abprallen. Alle Konzentration soll auf die eigene gute Wortwahl und auf das intensive Wahrnehmen des Partners, der Partnerin gerichtet sein.

„Streiten will gelernt sein!“, sagt ein altes Sprichwort.  Was aber, wenn man es nie gelernt hat? Wie kann man sein  Konfliktpotenzial verbessern?
Fast niemand hat gutes, konstruktives Streiten als Kind gelernt. Das hat damit zu tun, dass in autoritären, hierarchischen Gesellschaftsstrukturen wenig Spielraum für Streit existiert. Da geht es nur um Gebote und Strafen. Konstruktives Streiten wird erst in demokratischen Gesellschaften zu einer wichtigen Kompetenz. Da aber unbedingt! Das eigene Konfliktpotenzial zu verbessern, bedeutet Arbeit. Es ist wie eine neue Sprache lernen. Und eben wie eine neue Sprache kann es auch gelernt werden.

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Was hat die Fähigkeit, Nein zu sagen, eigentlich mit der Streitkultur zu tun?
Das Nein ist die intellektuelle Wurzel der Urteilskraft. Mit diesem Nein ist gemeint, dass zu den Streit-Themen eine gewisse Distanz aufgebaut wird, um sie besser zu erkennen und zu verstehen. Etwas zu beurteilen erfordert, dass ich es aus der Distanz betrachte.

Eine der zentralen Regeln sind Ich-Botschaften - Was macht sie so wichtig?
Es geht darum, von den eigenen Bedürfnissen, Interessen, Wünschen zu sprechen, ohne irgendeine Garantie, dass diese tatsächlich erfüllt werden. Aber sie zu benennen ist wichtig. Denn meistens wissen die Menschen hauptsächlich, was der oder die andere anders machen soll oder muss. Das wird dann als Vorwurf und Schuldzuweisung ausgesprochen. Und wirkt direkt als Brandverstärker –  hinein in die Eskalation. Es ist erstaunlich, wie schwierig die Benennung eigener Bedürfnisse ist. Und wie viel leichter es uns fällt, dem anderen zu sagen, was er zu tun hätte.

Aktives Zuhören ist genauso wichtig.
Ja, wirklich zuhören, was der andere sagt, ohne zu unterbrechen und ohne an die eigene Antwort zu denken. Aktives Zuhören bedeutet auch, über die Worte hinaus den ganzen Menschen wahrzunehmen. Dadurch wird dann erst wirklich klar, worum es ihr oder ihm geht. Und um sicher zu sein, was man verstanden hat, soll zusammenfassend nachgefragt werden, was man meint, gehört zu haben. Erst wenn das bestätigt wird, soll die eigene Antwort ausgesprochen werden. Es ist erstaunlich, wie schwer das Zuhören ist!

Macht es einen Unterschied, ob es sich beim Streit  um ein   Missverständnis oder eine Meinungsverschiedenheit handelt?
Ein Missverständnis   ist kein Konflikt im eigentlichen Sinn und kann einfach berichtigt werden. Nur leider kann es auch geschehen, dass aus dem Missverständnis ein Konflikt wird, wenn es nicht aufgeklärt wird.

Einer Ihrer Grundsätze für Konflikte bezieht sich auf den Umgang mit den eigenen Fehlern. Wie wichtig ist es, gerade bei einem Streit eigene Fehler einzugestehen?
Das kann man nicht generell beantworten, weil das vom jeweiligen Streit abhängt. Jedenfalls kann es sinnvoll sein, dem oder der anderen entgegenzukommen, indem eigene Fehler eingeräumt werden.

Kann man sich fit fürs Streiten machen?
Ja, es verlangt allerdings Einsatz. Es verbessert aber die Lebensqualität ungemein!

Wie wichtig ist Zeit beim Streiten?
Den richtigen Zeitpunkt für ein klärendes Gespräch zu finden, das ist eine der zentralen Herausforderungen.

Wann ist Streit erfolgreich beigelegt?
Das spürt man. Gefühle und Gedanken sind dann nämlich in Höchstform.