Wissen/Gesundheit

Arzneimittel: Warum man die Haltbarkeitsfrist einhalten sollte

Es waren wirklich harte Bedingungen: Jeweils im September wurden die Medikamente für die Forschungsstationen des Polarprogramms British Antarctic Survey verschifft. Drei Monate lang waren sie unterwegs in die Antarktis – in einem nicht klimatisierten Frachtraum, darunter drei Wochen lang durch die Tropenhitze. Nach Ablauf ihres Haltbarkeitsdatums machten die Medikamente diese Reise dann ein zweites Mal durch. Trotzdem hat jetzt eine Untersuchung von fünf Präparaten (Bluthochdruck- und Schmerzmittel, Antibiotika) gezeigt: Ein bis vier Jahre nach dem Verfalldatum waren alle Wirkstoffe stabil, die Präparate hätten bedenkenlos genommen werden können.

Heißt das jetzt, dass man nicht so streng mit dem Verfalldatum sein müsste? „Nein“, sagt Christoph Baumgärtel von der AGES-Medizinmarktaufsicht und erklärt, warum es ein Risiko ist, ältere Medikamente zu verwenden.

Gewährleistung: „Viele Arzneien halten tatsächlich etwas länger als angegeben – aber eine Sicherheit und Garantie dafür gibt es im Einzelfall nicht“, betont Baumgärtel: „Das Verfalldatum muss streng angesetzt werden, damit tatsächlich von 100 Packungen alle 100 am Ende dieser Frist alle Auflagen erfüllen. Das muss auch im Rahmen der Zulassung getestet und dokumentiert werden.“ Zumeist beträgt die Haltbarkeitsfrist zwei bis drei Jahre. Rein rechtlich ist im Arzneimittelgesetz von „Verfalldatum“ die Rede: „Das ist die Bezeichnung jenes Zeitpunktes, nach dem die Haltbarkeit eines Arzneimittels nicht mehr gewährleistet ist“, heißt es im Paragraph 2, Absatz 16.

Zu wenig Wirkstoff: Bei zu langer Lagerung können Wirkstoffe abgebaut werden. Es kann sich aber auch z. B. ein magensaftresistenter Überzug auflösen, der garantieren soll, dass die Wirksubstanz unbeschadet die Passage durch den Magen übersteht: „Dann aber kann die Magensäure den Wirkstoff deaktivieren.“

Zu rasche Wirkung: „Es geht aber nicht nur um die Frage, sind noch 100 Prozent des Wirkstoffs enthalten oder einige Prozent weniger“, betont Baumgärtel. Ein Punkt sei etwa die Bioverfügbarkeit – also wie schnell und in welchem Umfang ein Arzneimittel aufgenommen und im Körper verteilt wird. Und dies könne sich ändern, wenn z. B. die Hilfsstoffkonzentration einen bestimmten Wert unterschreitet. „Dann kann durch die veränderte Zusammensetzung des Medikaments die Freisetzung der verbliebenen Wirksubstanz viel zu rasch erfolgen. „Das kann im Extremfall lebensgefährlich sein.“

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Abbauprodukte: Zu lange Lagerung kann zu Abbauprodukten führen. „Diese können im schlimmsten Fall eine giftige Wirkung haben.“

Falsche Lagerung: Auch falsche Lagerung beeinträchtigt die Haltbarkeit. Oft werden Arzneimittel im Badezimmer gelagert – „das ist das Schlimmste, was man ihnen antun kann“. Temperaturen über 25 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit sollte man Arzneimitteln nicht über längere Zeit zumuten: „Am besten sind Schlaf- oder Vorratszimmer, wo es kühl und dunkel ist.“

Was muss wirklich in die Hausapotheke?

Empfehlung. Experte der MedUni Wien rät dazu, möglichst wenig Arzneien auf Vorrat zu lagern.

Die diversen „Checklisten Hausapotheke“,  die im Internet – auch auf seriösen Portalen – kursieren, sind lang: „Abführmittel, krampflösende Mittel, Mittel gegen Durchfall, Mittel gegen Verdauungsstörungen  ...“ sind nur einige der Medikamente, die da genannt werden.

„Natürlich muss man jene Medikamente zuhause haben, die man aufgrund seiner speziellen persönlichen Situation benötigt “, sagt Andreas Sönnichsen, Leiter der Abteilung für Allgemein- und Familienmedizin der MedUni Wien. „Ein Allergiker wird jetzt in der Pollenzeit natürlich ein Antihistaminikum verfügbar haben.“ Aber ein gesunder Mensch brauche keine Hausapotheke. „Allenfalls ein Schmerzmittel, oder ein Desinfektionsmittel zur Wunddesinfektion,  sonst benötigt man eigentlich keine Medikamente zuhause. Deshalb halte ich auch diese Listen nicht für sinnvoll.“

Es sei nicht empfehlenswert, auf Verdacht „ein Sammelsurium an Medikamenten zuhause zu lagern“. Den die Medikamente verfallen, „man kommt durcheinander und weiß nicht mehr, was ist für was und Kinder können ebenfalls an die Medikamente herankommen.

Weniger ist besser

Bei Bedarf sollte man sich aktuell etwas Neues verschreiben lassen oder sich bei rezeptfreien Produkten in der Apotheke beraten lassen – „und nicht etwas nehmen, was seit fünf Jahren im Schrank herumsteht“. Je weniger Medikamente man zuhause habe, desto besser sei es, betont Sönnichsen.

Nicht in den Restmüll

Abgelaufene Medikamente gehören nicht in den Restmüll und auch nicht in die Toilette, sondern sollten in Problemstoffsammelstellen entsorgt werden. Auch viele  Apotheken nehmen Altmedikamente zurück: „Die Rücknahme von Altmedikamenten durch die Apotheken ist eine freiwillige Leistung, der viele Apotheken im Rahmen des Kundenservice und im Sinne der Arzneimittelsicherheit und des Umweltschutzes nachkommen“, heißt es bei der Österreichischen Apothekerkammer.