Wissen/Gesundheit

Alzheimertag: Wie der Lebensstil schützt und was Neurologen fordern

Der Ausbruch von Alzheimer und anderen Demenzformen lässt sich durch einen gesunden Lebensstil deutlich verzögern. Dabei spielt bereits die Lebensphase zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr eine bedeutende Rolle. „Wer bereits in frühen Jahren auf sich und seinen Körper achtet, verringert das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen im Alter“, erklärt die Demenz-Expertin Elisabeth Stögmann von der MedUni Wien anlässlich des Welt-Alzheimertages am 21. September.

"Mehrere Studien konnten zeigen, dass auch bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz und auch anderen Demenzformen ein gesunder Lebensstil positive Effekte hat“", erklärt Elisabeth Stögmann von der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien/AKH Wien, "das zeigt sich darin, dass die Erkrankung später ausbricht oder in ihrem Verlauf gebremst wird“.

Bei der Entwicklung von Arzneimitteln, die Demenz erfolgreich bekämpfen (krankheitsmodifizierende Therapien), konnten zuletzt keine neuen Erfolge vermeldet werden. Etablierte Medikamente können nur die Symptome lindern. Da es kein Heilmittel gegen Alzheimer gibt, bekommen veränderbare Lebensstilfaktoren als Maßnahmen der Vorbeugung und Therapie eine besondere Bedeutung.

Risikofaktoren behandeln

Körperliche Risikofaktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck sollten bestmöglich behandelt werden, um den Organismus möglichst wenig zu belasten. Dazu kann eine gesunde Diät die Blutzuckerwerte positiv beeinflussen und Übergewicht verhindern. Man sollte verstärkt auf eine mediterrane Ernährung in Form von viel Obst, Gemüse und Fisch setzen.

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Auch zu angemessener Bewegung rät die Expertin, das bedeutet mindestens 150 Minuten sportliche Aktivität pro Woche: "Eine Studie konnte zeigen, dass regelmäßiger Sport sogar bei Menschen mit genetischer Disposition (erhöhtem genetischen Risiko, Anm.) das Auftreten einer Alzheimer Demenz hinauszögern kann. Das heißt, Menschen, die genetisch ein großes Demenzrisiko haben, können mit Sport aktiv etwas dagegen unternehmen", betont Stögmann.

Entspannungsübungen, ausreichend Schlaf

Das Gehirn sollte regelmäßig und bis ins hohe Alter gefordert werden. Um dieses zu trainieren, eignen sich Musik, Spiel und aktive soziale Interaktion. Um Stress zu reduzieren, rät Stögmann zu Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation. Und ein ganz wichtiger Faktor ist ausreichend Schlaf von mindestens sechs bis acht Stunden pro Nacht: "Ein geregelter Schlaf gibt dem Organismus die Zeit, die er braucht, um sich zu regenerieren."

Beständige geistige Beschäftigung

Auf die Bedeutung einer beständigen geistigen Beschäftigung weist auch Peter Dal Bianco, Präsident der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft (ÖÄG), hin. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Funktion und der Struktur im Gehirn. Geistige Beschäftigung führt dazu, dass neue Synapsen und Verbindungen zwischen den Nerven entstehen. Der Neurologe betont, dass das nicht nur in jungen Jahren der Fall ist, sondern auch im fortgeschrittenen Alter: "Lebenslanges Lernen, also beständiges ‚Gehirntraining‘, ist ein Präventionsfaktor für den klinischen Alzheimer."

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Risiken Hörverlust, Rauchen und Alkohol

Ein Risikofaktor im mittleren Alter ist schlechtes Hörvermögen oder Hörverlust. Dadurch kommt es meist zu sozialer Isolation und weniger Interaktion und somit auch zu einer Verringerung der geistigen Aktivität. Bluthochdruck, Bewegungsarmut und Fettleibigkeit sind ebenso ungünstig, also Faktoren, die auch negativ auf Herz und Kreislauf wirken. Dazu der Neurologe Eugen Trinka vom Uniklinikum Salzburg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie: "Schlechte Hirndurchblutung führt zu rascherer Hirndegeneration." Auch das Rauchen und Alkoholkonsum geben dem Verlauf der Alzheimererkrankung Rückenwind.

Ausbruch nach hinten verschieben

Das Vermeiden von Risiken kann helfen, den Zeitpunkt des klinischen Ausbruchs von Alzheimer so weit wie möglich nach hinten zu verschieben. "Mit multimodalen Therapien zur Alzheimerprävention kann man zwar keine Wunder bewirken. Aber die ersten Ergebnisse der sogenannten FINGER-Studie zeigen: Mehr Bewegung, Konditionstraining, gesunde Ernährung, soziale Interaktion und Überwachung von vaskulären Risikofaktoren können die Auswirkungen der Alzheimerhirnveränderungen abmildern", berichtet Dal Bianco.

Der Alzheimer-Experte rät zur Frühdiagnose: „Wenn Sie sich im Vergleich zu zwei Jahren vergesslicher fühlen, sollten Sie Ihren Hausarzt aufsuchen.“ Das Symptom Vergesslichkeit muss nicht gleich Alzheimer bedeuten, sondern kann auch mit Depression, Vitaminmangel oder hormonellen Veränderungen zusammenhängen und sich gut behandeln lassen. 

"Es gibt zwar noch keine kausale, aber doch symptomatische Therapien gegen Alzheimer und eine Reihe von vorbeugenden Maßnahmen. Darauf möchten wir aufmerksam machen“, sagt Dal Bianco.

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Derzeit leiden weltweit rund 50 Millionen Menschen an Demenz, in Österreich etwa 130.000. Die Zahl der Betroffenen (Patienten und Betreuer) und die hohen Folgekosten von derzeit mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr in Österreich, werden sich aufgrund der steigenden Lebenserwartung bis 2050 mehr als verdoppeln. Die ÖAG und die Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖNG) fordern, dem Thema Alzheimer weiterhin die nötige Aufmerksamkeit zu widmen. "Die Angehörigen von Alzheimer-Patienten brauchen bestmögliche Unterstützung. Wir müssen dafür sorgen, dass die bestehenden Hilfsangebote noch praxistauglicher werden und wirklich bei den Betroffenen ankommen", betont ÖGN-Präsident Trinka.

Alzheimer ist häufigste Demenzform

In Österreich leiden etwa 100.000 Menschen an Alzheimer. Mit rund 70 Prozent ist diese Krankheit die häufigste Demenzform. Bei Alzheimer gehen in speziellen Gehirnarealen Nervenzellen zugrunde. Die Folgen: Das Gedächtnis schwindet, das geistige Leistungsvermögen nimmt ab und auch die Persönlichkeit der Betroffenen kann sich verändern. Nur zwei bis drei Prozent der Alzheimerpatienten haben eine vererbte Variante. Eine Veränderung am Chromosom 14 („Präsinilin1“) ist für diese verantwortlich. Die klinischen Beschwerden treten bereits vor dem 50. Lebensjahr auf. Die häufigste Form aber ist die "sporadische" Alzheimerkrankheit. Sie beginnt mit ihrer Symptomatik zumeist erst im Alter zwischen 65 und 70 oder auch später und hat eine Verlaufszeit von mehr als zehn Jahren. "Dabei gibt es sehr unterschiedliche klinische Verlaufsformen. Bei manchen Patienten bleiben die Krankheitssymptome sogar über Jahre relativ stabil“, sagt Dal Bianco.

Therapie nur gegen Symptome

Bekannt ist, dass sich bei Alzheimer Eiweiße wie A-Beta verklumpen, zu Alzheimer-Plaques werden und die Synapsen beeinträchigen oder zerstören. Auch das Tau-Protein, das innerhalb der Zelle durch Hyperphosphorylierung gebildet wird, ist für den Untergang von Nervenzellen verantwortlich. Umstritten ist jedoch, ob diese beiden Phänomene ursächliche Faktoren für die Entstehung der Alzheimererkrankung sind. "Versuche, durch Impfungen die krankheitsverursachenden A-Beta-Eiweißfädchen im Gehirn zu beseitigen und somit das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen, zeigten bisher leider keinen überzeugenden klinischen Erfolg“, bedauert Prof. Trinka. Die schädlichen Eiweiße müssten zudem lange vor dem klinischen Ausbruch der Alzheimererkrankung herausgelöst werden, da diese Veränderungen im Gehirn etwa zwanzig Jahre vor dem Einsetzen der Symptomatik stattfinden.

Derzeit wird intensiv an Biomarkern geforscht, um Alzheimer voraussagen und frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

Obwohl an vielen neuen Therapieansätzen geforscht wird, gibt es noch kein Medikament, um den zugrundeliegenden Krankheitsprozess bei Alzheimer zu stoppen. „Wir können nur die Symptome der Krankheit beeinflussen und das Fortschreiten der kognitiven Beeinträchtigung verlangsamen“, erklärt Dal Bianco.

Betreuung verbessern

Der Großteil der Alzheimerpatienten wird zuhause von Angehörigen oder Freunden betreut. „Pflegende Angehörige müssen besser sichtbar gemacht, höher wertgeschätzt und besser unterstützt werden“, fordert Prof. Dal-Bianco. In Österreich gibt es zwar gute Netzwerke, Einrichtungen und Programme, aber "man sollte immer wieder daran arbeiten, dass diese Angebote auch in den Alltag der betreuenden Angehörigen einfließen“, sagt Prof. Trinka.

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Ein Problem für pflegende Angehörige besteht in der Einstufung der Pflegegeldstufe, da die Schwere der Erkrankung oft falsch eingeschätzt wird. Insbesondere Begutachter, die nicht oft mit Alzheimerpatienten zu tun haben, können sich täuschen lassen. "Die Patienten wollen bei der Begutachtung gut dastehen und zeigen eine geistige Leistungsfähigkeit, die sie im Alltag bei weitem nicht haben“, erklärt Prof. Dal Bianco. Die Ärzte sollten zudem auch nach Verhaltensauffälligkeiten der Patienten fragen: "Reizbarkeit, Ungeduld und Aggression sind Verhaltensänderungen, die von den betreuenden Angehörigen oft verschwiegen werden, weil sie ihre betreute Person nicht bloßstellen wollen. Das Verhalten der Alzheimerpatienten ist im Spätstadium oft das Spiegelbild der Emotionen ihrer Betreuer.“ Verhaltensstörungen sollten rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

Für die medizinische Betreuung der immer größeren Zahl von Alzheimerpatienten brauche es in Österreich nicht nur ambitionierte, gut informierte Allgemeinmediziner, sondern zunehmend mehr neurologische Fachärzte, da Alzheimer mit weiteren neurologischen Erkrankungen verbunden sein kann. In der Spätphase erleiden fünf bis zehn Prozent der Alzheimerpatienten auch einen epileptischen Anfall. In der Endphase der Erkrankung benötigen die Patienten häufig neuropalliative Versorgung. "Dazu brauchen wir jetzt und in Zukunft viel mehr niedergelassene Neurologen“, so Trinka.

Weitere Informationen zum Thema Alzheimer unter www.alzheimer-gesellschaft.at