Partys für Küchenmaschinen boomen
Von Anita Kattinger
Auf die Einladung erfolgt zuerst ein Stöhnen: "Was? Das ist doch peinlich. Wie die Partys mit dem Plastikgeschirr." Die Kinder der Siebziger und Achtziger zucken heute noch bei dem Gedanken zusammen, dass fremde Menschen in den eigenen vier Wänden bunte Kerzen oder Plastikbehälter feilbieten. Sinnloser Smalltalk mit den Nachbarn und trockene Käsehäppchen verleiten die junge Generation nunmal nicht dazu, von ihren Smartphones aufzuschauen und ihren Hintern von der Vintage-Couch zu hieven. Wenn allerdings das Stichwort "Kochen unter Freunden" fällt, folgt doch so mancher Gast der Einladung. Unter Protest, versteht sich.
Wer den Begriff Thermomix auf youtube eingibt, findet 133.000 Videos. Alleine in Deutschland verkaufte Vorwerk 200.000 solcher Küchenmaschinen im Jahr 2013, weltweit waren es 840.000. Macht einen Umsatz in der Höhe von 800 Millionen Euro. Die Zahlen machen neugierig: Was kann das Gerät, was die Konkurrenz nicht kann? Und mit wie viel Peinlichkeiten läuft so eine Verkaufsparty ab?
Abwiegen, kneten und kochen
Frau B. ist geduldig, hat Spaß am Job. Sie macht Komplimente über die Wohnung: Ob ehrlich oder Verkaufsstrategie, bleibt offen. Jedenfalls trägt es zur Stimmung bei. Die Gruppe plaudert über das Grätzel. Danach zieht jeder Gast ein Kärtchen, auf der steht, welche Speise er zubereiten soll. Gleich zu Beginn soll das Eis zubereitet werden. Funktioniert wie mit einem Hochleistungsmixer – Zucker, Schlagobers und tiefgefrorene Früchte rein, mixen, fertig. Einziger Vorteil im Vergleich zu anderen Geräten: Das genaue Abwiegen der Zutaten erspart man sich dank eingebauter Küchenwaage. Der Behälter ist schnell ausgespült, kein mühsames Putzen. Nun lässt Frau B. den Teig für Baguette zubereiten: Wenige Sekunden dauert der Knetvorgang. Hier wieder die gleichen Vorteile. Beim anschließenden Rohkostsalat und Kräuteraufstrich zerhackt das Gerät mühelos Gemüse und Kräuter klein. Bis auf das Abwiegen noch kein Unterschied zu Geräten der Konkurrenz. Alle wollen das Gerät endlich kochen sehen.
Sie könnte einen Gebrauchtwagen verkaufen
Beim Essen ist die Stimmung heiter und gelöst. Die Gastgeberin urteilt positiv: "Für faule Hobbyköche wie mich eignet sich der Thermomix wegen des eingebauten Kochbuchs. Am besten gefällt mir, dass nichts anbrennen kann. Ich bleibe nicht gerne neben der Herdplatte stehen. Aber ob das den Preis rechtfertigt?" Bettina stimmt zu: "Der Preis ist hoch und die Kreativität kommt zu kurz." Caroline findet das Gerät praktisch wegen der eingebauten Waage, hat aber schon andere Geräte, die mixen oder hacken können.
Frau B. will wissen, wen sie die Woche darauf kontaktieren darf und teilt Formulare aus. Bettina schaut betreten. Sie und Caroline wollen nicht kontaktiert werden, für Frau B. kein Problem. Erst beim Verabschieden im Vorzimmer wird sie noch einmal nachfragen. Die Mitvierzigerin sieht aus, als könnte sie auch Radfahrern einen Gebrauchtwagen verkaufen. Diesmal hat das Verkaufsgespräch aber nicht geklappt.