Warum Sie diesen Sommelier kennen müssen
Von Anita Kattinger
Eine ganz andere eigene Welt, die er nicht mehr verlassen wollte. So beschreibt Simon Schubert, Sommelier im 3-Haubenrestaurant Aend in Wien-Mariahilf, seine Erinnerungen an seinen allerersten Job im Palais Coburg.
Warum er den Beruf des Sommeliers so spannend findet? "Es kommt immer ein neuer Jahrgang – und es beginnt wieder alles von vorne."
Der Restaurantführer Gault&Millau zeichnet den 29-Jährigen mit dem begehrten Titel „Sommelier des Jahres“ aus.
KURIER: Noch vor 15 Jahren tischten die Sommeliers den Gästen elendslange Beschreibungen der Weine auf – heute undenkbar...
Simon Schubert: Stimmt, Gott sei Dank. Fachwissen ist das Fundament unserer Arbeit, aber heutzutage ist das Einfühlungsvermögen dem Gast gegenüber wichtiger. Es ist wichtiger, den Gast abzuholen als mein Ego zu befriedigen. Mir ist egal, ob der Gast einen Federspiel aus der Wachau bestellt, die Weinbegleitung oder einen teuren Internationalen. Letztendlich geht es darum, dass wir Dienstleister sind und der Gast bei uns einen schönen Abend verbringt. Und im Idealfall wieder kommt.
Braucht es dann noch Geschichten über die Weingüter und Winzer?
Ja! Der Wein wird lebendiger, wenn man seine Geschichte erzählen kann. In Wahrheit zählt jedoch nur der Geschmack. Ich kann dem Gast die schönste Geschichte von dem idealistischsten Winzer erzählen: Aber wenn der Wein nicht schmeckt, ist das eine Themenverfehlung.
Von welchem Wein waren Sie so beeindruckt, dass Sie ihn nie vergessen haben? Oder ein Erlebnis, wo Sie den Wein nie vergessen konnten?
1989 Haut Brion aus dem Weinbaugebiet Bordeaux. Vielleicht weil es einer der ersten Momente war. Angesichts der Komplexität war ich sprachlos, einer der ganz Großen. Damals habe ich erkannt, was großer Wein alles kann – und vor allem welche Emotionen er auslösen kann. Das Wichtigste ist, dass der Wein den Moment begleitet. Dann kann jeder Wein ein ganz großartiger Tropfen sein!
Was macht einen Sommelier aus: Ein guter Riecher und feine Geschmacksknospen?
Ich glaube, es ist Einfühlungsvermögen gegenüber dem Gast und Gastgeber sein zu wollen. Dazu gehört auch, den Gast bei den Speisen beraten zu können. Und man muss die Bereitschaft haben, ein Leben lang weiterlernen zu wollen. Wenn man nicht täglich lernen will, ist man fehl am Platz.
Wenn Sie ein Berufsanfänger um Rat fragt, würden Sie ihm Ihren Karriereweg nahe legen?
Nein, das Wichtigste ist, sich für keine Arbeit zu schade zu sein. Das war der wichtigste Rat, den ich je bekommen habe. Eine Bereitschaft zeigen, etwas Neues zu lernen. Nie sagen, dass man fertig ausgebildet ist. Alles andere regelt sich von selber.
Sie sprechen viel über Lerneifer: Sind Sie jemand, der oft zu den Weingütern fährt?
Ja, jeder Urlaub führt in eine Weinregion, um die Menschen hinter den Weinen kennenzulernen. Positiv: Es handelt sich in der Regel um ganz schöne Regionen. Ich verbringe mit dem Lernen – ob Lesen, Verkostungen oder Besichtigungen – sicher ein bis drei Stunden am Tag.
Die Urlaubssaison ist zwar schon vorbei, aber welchen Tipp haben Sie für unsere Leser?
Derzeit ist Trüffel-Zeit – das Piemont ist also naheliegend. Dort gibt es wunderbare Adressen für gutes Essen und Trinken.
Bitte gleich den nächsten Tipp: Welchen Wein empfehlen Sie für das Weihnachtsfest?
2018 war generell ein durchaus gutes Jahr. Festtage eignen sich immer für Champagner. Vielleicht will man sich ja Ende des Jahres was Gutes gönnen und zum Weihnachtsfest eine gute Flasche öffnen. Jetzt sind die 2008er-Jahrgangs-Champagner auf den Markt gekommen: Sie sind durchwegs großartig und zählen sicher zu den Besten, die in den vergangenen Jahren in der Champagne produziert wurden.
Gerade in den vergangenen Jahren gab es unglaublich viele Trends, angefangen von Terroir bis zu Orange Wines. Welcher Trend ist denn nachhaltig?
Jeder Trend hat einen Einfluss auf die Branche und ich hoffe, dass sich von jedem Trend das Positive niederschlägt. Die Branche hat sich mit Begrifflichkeiten wie Orange Wines und Natural Wines keinen Gefallen getan: Ich weiß nicht, wann wir abgebogen sind, dass eine Bewirtschaftungsart den Weinstil definiert. Und der Gast steigt bei solchen Schubladisierungen und Definitionen aus. Grundsätzlich sind Natural Wines eine wichtige Bewegung: Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Ressourcen – wir arbeiten mit einem Produkt der Natur, hier müssen wir Nachhaltigkeit leben. Dogmen führen selten zu etwas: So viel ich weiß, haben wir keinen Glyphosat-Fanatiker auf der Karte, aber mir ist nicht wichtig, ob jetzt Bio oder biodynamisch auf dem Etikett steht. Der Wein muss gut sein. Ich hoffe, dass wir durch den Wein das Thema Nachhaltigkeit, auch bei Fleisch und Käse, generell besser vermitteln können.
Sie müssen beruflich viel trinken und essen. Wie halten Sie sich fit?
Ich gehe zweimal die Woche laufen und ins Fitnesscenter. Sonst: nicht trinken, sondern spucken.
Tipp: Lesen Sie die Hauben-Ergebnisse kommenden Donnerstag, den 21.11. im KURIER. Bereits Mittwochabend um 20 Uhr finden Sie die aktuellen Bewertungen auf kurier.at/genuss
Am 7.2.1990 in Wien geboren wuchs Schubert im 3. Bezirk auf. Nach der Matura begann er mit dem Studium der Publizistik und Anglistik, brach aber nach einem Jahr ab und wechselte an das Modul. Nach dem Abschluss heuerte der 23-Jährige im Palais Coburg an, wo er Fabian Günzel – heute Küchenchef im Aend – kennenlernte. Den ersten Job als Chef-Sommelier ergatterte er bei Markus Mraz, mit dem er heute noch befreundet ist.