Leben/Essen & Trinken

Was das Baguette so besonders macht

Rémi Soulier, Wiener Bäcker mit französischen und österreichischen Wurzeln, hat seine Hände gerade im Brotteig, als er vom KURIER erfährt, was Frankreichs Bäcker vorhaben.

Die wünschen sich, dass das französische Baguette, als Wahrzeichen der Grande Nation, zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO erklärt wird. Also baten sie den französischen Präsidenten Emmanuel Macron um Unterstützung. Der hat offenbar Appetit darauf bekommen, denn bei einem Empfang für Bäckermeister im Elysée-Palast meinte er, dass die ganze Welt die Franzosen um das Baguette beneiden würde - der KURIER berichtete. "Ich kenne unsere Bäcker. Sie haben gesehen, dass die Neapolitaner es geschafft haben, ihre Pizza ins Welterbe der UNESCO aufzunehmen. Also sagen sie sich: Warum nicht das Baguette. Und sie haben Recht", sagte er. Auch in einem Interview mit dem Sender Europe 1 lobte Macron das französische Weißbrot: "Man muss seine Exzellenz und das Können bewahren, und deshalb muss es ins Welterbe aufgenommen werden."

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Zeit. Liebe. Geduld

Soulier, der vor Kurzem in der Wiener Innenstadt die Bäckerei "Parémi" nach Art einer traditionellen Boulangerie Artisanale eröffnet hat, ist von der Idee angetan: "Ich fände das cool. Weil es das Handwerk aufwerten würde und der Beruf des Bäckers wieder mehr wert wäre." Martin Kreiser, Geschäftsführer des Bistros und der Epicérie "Beaulieu" im Palais Ferstel, hielte diese Auszeichnung ebenso für angemessen: "Das Baguette ist lange genug da und weltweit hochgeschätzt. Es passt zu allen Gerichten." Aus seiner Sicht mache dessen Einfachheit seinen Erfolg aus: "Es ist ursprünglich und rustikal – und das ist, was der Mensch braucht. Zu uns kommen Kunden aus Wiener Neustadt, um Baguette zu kaufen."

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Aber was macht die legendäre Weißbrotstange konkret aus? Aus Sicht des Bäckers Soulier sind es vor allem drei Zutaten: "Zeit. Liebe. Und Geduld." Zwischen dem Kneten des Teigs und dem Backen sollten mindestens 24 Stunden liegen, Baguette müsse stets frisch verkauft werden. "Am besten schmeckt es entweder noch ganz warm oder zwei, drei Stunden, nachdem es gebacken wurde." Damit es nicht rasch austrocknet, fügt Soulier dem Teig etwas Hefe zu, "dadurch hält es und bleibt saftig."

"Superknusprig"

Und natürlich das Mehl! Nur das echte Französische, vom Typ T65, vermag jene Großporigkeit zu erzeugen, für die das Baguette so berühmt ist. Motto: "Außen superknusprig, innen so beschaffen, dass die Butter durch die Löcher fällt", wie es Barbara van Melle, Organisatorin des österreichischen Brot-Festivals "Kruste und Krume" (heuer am 10. März), beschreibt. Sie findet die Ambitionen der französischen Bäcker vorbildhaft: " Wien war im 19. Jahrhundert die Bäcker-Hauptstadt schlechthin. Es waren Wiener Bäcker, die nach Paris gegangen sind, über das Kipferl hat sich das Croissant entwickelt. Und deren Einführung des Dampfbackofens in Paris hat wesentlich dazu beigetragen, dass das Baguette besser geworden ist. Es hat also österreichische Wurzeln."

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Brot für den Palast

Ob Macron das wusste, als er Bundeskanzler Sebastian Kurz dieser Tage traf, ist fraglich. Fix ist allerdings, dass man im Pariser Elysée-Palast nur das allerbeste Baguette genießt. Seit dem Jahr 1994 zeichnet der "Große Preis des traditionellen französischen Baguettes" das beste Baguette aus. Der Gewinner darf dann den Palast mit Brot beliefern. Aus Sicht der Brotexpertin van Melle ist das ein Vorbild für Österreich. "Das wäre für die Hofburg großartig. Nicht nur das Baguette hat einen identitätsstiftenden Charakter, auch Österreichs Brottradition hat das", sagt sie. Damit, und mit allen österreichischen Getreidesorten, sei eine enorme Vielfalt verbunden.

Mehl vergleicht sie mit Wein: "Da spricht man über Terroir oder Anbaugebiete, das ist beim Mehl nicht anders. Das heißt, bestimmte Anbaugebiete mit Niederschlägen oder einer bestimmten Bodenstruktur sorgen für unterschiedliche Mehle." Baguettemehl beschreibt sie so: "Es kann viel Feuchtigkeit speichern und schafft das spezielle Verhältnis zwischen Kruste und Krume." Zudem würde in Boulangerien den ganzen Tag über gebacken. "Das Brot ist auch abends frisch – und springt schön krachig auseinander, wenn man es bricht."

Immaterielles Kulturerbe. Apropos Baguette: Erst im Dezember vergangenen Jahres ist die Kunst der Pizzabäcker von Neapel als Kulturerbe anerkannt worden. Doch was genau versteht die UNESCO unter dem Begriff „immaterielles Kulturerbe“?

Gemeint sind „lebendige Traditionen, als Quelle kultureller Vielfalt und Garant nachhaltiger Entwicklung“, heißt es auf unesco.at. Und: „Immaterielles Kulturerbe ist durch Improvisation und Weiterentwicklung gekennzeichnet und wird von einer Generation an die nächste weitergegeben.“ Das österreichische Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes umfasst aktuell 103 Traditionen aus allen Bundesländern; drei dieser Traditionen sind international gelistet: das Imster Schemenlaufen, die klassische Reitkunst und die Hohe Schule der Spanischen Hofreitschule Wien sowie die Falknerei.

Dialekt & Zither

Für Österreich gehören etwa der Wiener Walzer, der Montafoner Dialekt oder „die für die Wiener Stimmung charakteristische Form der Besaitung der Zither und die zugehörige Spielweise“ dazu. Weitere Ideen folgen – so könnte das Rundtanzen auf dem Eis laut Die Presse, wie man es etwa beim Wiener Eislaufverein praktiziert, ebenfalls zu UNESCO-Ehren kommen.