Die Schokoladenseite der Wüste
Tina Turner kommt aus dem Sudan, hat Stirnfransen, die ihre imposant bewimperten, braunen Augen verdecken und gibt an guten Tagen zehn, an schlechten zwei Liter Milch.
Tina Turner ist ein Kamel und hat den Spitznamen ihrem Aussehen und Kirsten Lange, der Marketing-Managerin von Camelicious, zu verdanken.
Glückliche Kamele
Milchproduktion hat nämlich keine Tradition in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Kamele wurden hier als Last- und Renntiere eingesetzt. Bisher. Jetzt aber tut Nagy alles, „damit die Kamele glücklich und gesund sind“. Bestes Futter, gute Partner, sogar einen Trampelpfad haben die Tiere, auf dem sie täglich ihren einstündigen Spaziergang absolvieren.
Die erste weltweit.
Neuerdings ist Al Nassma (benannt nach dem erfrischenden Wind, der vom Meer kommt) auch bei uns zu haben (bei Meinl am Graben in Wien).
Was sich hier so leicht liest, war ein bürokratischer Hürdenlauf. Hochleitner: „Wir hatten keine Genehmigung, Milchprodukte in die EU einzuführen.“ Vier Jahre lang sei er immer wieder nach Brüssel gepilgert. Die EU-Beamten haben daraufhin das Land evaluiert. Mittlerweile gibt es ein Abkommen zwischen der EU und den VAE. „Jetzt dürfen wir Kamelmilchpulver in die EU einführen“, sagt Johann Hochleitner. Vor dem Abkommen musste die gesamte Schokolade-Produktion wieder zurück in die VAE gebracht werden. Ein Teil davon lagert im Al-Nassma-Laden auf der Kamelfarm. Draußen hat es gut 40 Grad, drinnen läuft die Klimaanlage auf Hochtouren: Kamel-Pralines mit Macadamia-Füllung, Dattel-, Arabia- und Bitterschokoladen-Tafeln warten hier auf Kundschaft. Viel geht nach Japan – die lieben es. Vielleicht wegen der gesundheitsfördernden Wirkung (siehe auch Geschichte unten).
Zartschmelzend mit einem winzigen, salzigen Hauch – so schmeckt Al Nassma (ab 5,90 € bei Meinl am Graben).
Warum Kamelmilch gesund ist
Was Beduinen seit Jahrtausenden wissen, wird jetzt durch westliche Wissenschaft bestätigt: Kamelmilch heilt. Beispielsweise deuten die Ergebnisse einer Studie der Ben-Gurion Universität Negev (Israel) darauf hin, dass Nahrungsmittel-Allergien mit Kamelmilch auskuriert werden könnten. Acht Kindern, die unter schweren Allergien gegen Milch und andere Lebensmittel litten, wurde Kamelmilch verabreicht. Herkömmliche Behandlungen hatten zuvor nicht gewirkt. Innerhalb von vier Tagen Milchkur waren alle Symptome der Allergien verschwunden.
Die Heilkraft,nehmen die Wissenschaftler an, könnte in der Zusammensetzung der Kamelmilch liegen. Sie enthält nicht die Eiweiße Beta-Laktoglubolin und Beta-Kasein, die bei anderer Milch Allergien auslösen können. Die Laktose (Milchzucker) in der Kamelmilch ist selbst für Menschen mit einer Unverträglichkeit verdaulich. Zudem stärkt die hohe Anzahl von Immunglobulinen (Antikörper) die allgemeine Abwehrkraft. Dieser Effekt wird noch durch die hohen Mengen an Vitamin C, Calcium und Eisen unterstützt.
Allerdings zeigt nur unbehandelte Kamelmilch die erwünschte Heilkraft. Durch Erhitzen geht sie weitgehend verloren. Wer also Kamel-Rohmilch kosten will, muss ein entsprechendes Urlaubsland wählen.
Auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) unterstützt die Erforschung der Kamelmilch. Weitere Studien haben sich mit der Wirkung von Kamelmilch bei Typ-II-Diabetes, Hepatitis, Rheuma und Autoimmunerkrankungen befasst und positive Effekte festgestellt. Auch bei Tuberkulose soll sie helfen. Das Kamelforschungsinstitut im indischen Bikaner will gar festgestellt haben, dass die Einnahme von Kamelmilch Diabetes-I-Patienten hilft, Insulindosen drastisch zu reduzieren. Mediziner führen das Ergebnis auf die hohe Menge zuckersenkender Stoffe in der Milch zurück, die nicht durch Magensäure zersetzt werden.