Fermentation: Die Kunst, Lebensmittel haltbar zu machen
Von Dorothe Rainer
Jeder kennt das: Da hat man die Großpackung Paprika gekauft, aber eigentlich braucht man nur zwei. Die restlichen drei Prachtkerle fristen ein tristes Dasein in der Gemüselade, oft bis sie vergammeln. Ingrid Palmetshofer hat da einen besseren Vorschlag: „Machen Sie daraus einen frischen Paprika-Relish mittels Fermentation.“ Das klingt köstlich, aber auch kompliziert, denkt sich der Laie. Doch er irrt. Denn eigentlich braucht man für die pikante Würzsoße nur das Gemüse, Salz, Wasser, ein passendes Gefäß – und etwas Geduld. Palmetshofer beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema und es ist mittlerweile zu einer Leidenschaft geworden. Die jahrtausendealte Konservierungsmethode ist zwar durch die Erfindung von Kühl- und Gefrierschränken in den vergangenen Jahrzehnten etwas aus der Mode gekommen, aber das ändert sich gerade. Denn mit dem wachsenden Bewusstsein für gesunde Ernährung, für Ökologie und durch die Do-it-yourself-Bewegung feiert das „Selber-Einlegen von Gemüse“ ein verdientes Revival. „Vor allem die Lakto-Fermentation boomt, denn die kann jeder zu Hause machen“, so Palmetshofer. Sie gibt ihr Wissen auch in Workshops weiter. Dort lernt man, dass Fermentieren keine Hexerei ist, sondern ein natürlicher Prozess, der eine tolle Möglichkeit darstellt, Gemüse zu verarbeiten.
Grundlagen
Sauerkraut, Salzgurken und Bier gehören bei uns zu den bekanntesten vergorenen Lebensmitteln. Nur wenige wissen, dass auch Wein, Sauerteigbrot, Käse, Kaffee, Kakao, Vanille und Tee zu dieser Kategorie zählen. „ Fermentation beschreibt ganz allgemein eine Umwandlung von Stoffen durch Bakterien, Hefen, Schimmelpilzen oder Enzymen“, so die Expertin. So sorgt bei der Lakto-Fermentation die während der Gärung entstehende Milchsäure für die Haltbarkeit. „Durch den Aufschließungsprozess ist das Gemüse vorverdaut und so bekömmlicher als rohes Gemüse“, betont Palmetshofer. Zudem ist fermentiertes Gemüse eine wichtige Quelle für physiologische Bakterien, vor allem für die wichtigen Milchsäurebakterien, die, wenn sie regelmäßig konsumiert werden, die Darmgesundheit fördern. Täglich ein bis zwei Esslöffel Fermentiertes zu konsumieren reicht aus, um die Darmflora in Schuss zu halten.
PH-Wert
Jetzt steht Palmetshofer in der Schauküche der Werkstatt 15 in Rudolfsheim Fünfhaus und zerkleinert grünen Smeraldo-Paprika („Er hat keine Bitternote, aber den vollen Geschmack“) und die Zwiebel, mengt großzügig Salz und Gewürze bei. Sie bereitet das eingangs erwähnte Paprika-Relish zu (Rezept Seite 58). „Der Grundsatz der Fermentation ist Gemüse, Salz, Zeit sowie der ‚Ausschluss‘ von Sauerstoff“, erklärt die Expertin. Während des Fermentierens sinkt dann der pH-Wert des Relish, damit entsteht ein saures Milieu, in dem fäulnisauslösende und ungesunde Keime nicht überleben können. Ein Verderben ist damit nicht möglich, eine erwünschte Gärung aber sehr wohl. Dieser Prozess kann sich über mehrere Tage, Wochen und Monate hinziehen. Während dieser Zeit verändert das Grundprodukt seine Konsistenz und seinen Geschmack. „Es handelt sich ja um lebende Nahrung“, wie Palmetshofer betont, während sie mit den Händen die Paprika-Zwiebelmischung mit Salz vermengt. Sie hebt hervor, dass es zwar wichtig ist, sauber und hygienisch zu arbeiten, aber nicht steril, denn man braucht die lebenden Mikroorganismen, um den Prozess in Gang zu bringen.
Grande Finale
Nach dem finalen Abschmecken wird das Relish – es hat durch das Rauchsalz und den Pfeffer eine rauchig-herbe Note erhalten – Schicht für Schicht in ein Bügelglas gefüllt. Die Masse wird immer wieder vorsichtig zusammengedrückt, um allen Sauerstoff zu eliminieren. Das zweite große „Geheimnis“ für das gute Gelingen ist, dass das Gemüse immer ganz von Lake bedeckt sein muss, denn sonst droht das Verderben – ein häufiger Anfängerfehler. Zum Abschluss wird die Masse noch mit einem Gewicht aus Keramik beschwert und abgedeckt, das Glas verschlossen. Jetzt heißt es warten und auf eine gute Entwicklung hoffen. „Es gibt simple Richtlinien, woran man erkennen kann, ob der Vorgang gut geht oder nicht: Augen, Nase und Gaumen geben Aufschluss“, so Palmetshofer.
Wie lange die Gärung dauert, hängt vom Gemüse und der Temperatur ab. Das Relish ist in der Regel nach sieben Tagen soweit vergoren, dass es zu Gegrilltem, zu Käse oder einfach aufs Brot genossen werden kann. Vor allem der fein säuerliche Geschmack ist für viele eine unbekannte Gaumenfreude, weil die herkömmlichen Zubereitungen von Gemüse meist essigsauer schmecken. „Die Säure, die durch die Lakto-Fermentation entsteht, ist viel feiner und prickelnder und der Gemüsegeschmack bleibt dabei erhalten – für die meisten ist das ein echtes Aha-Erlebnis“, so Palmetshofer.
Diesen Artikel sowie viele weitere wie über das Waldbaden, das richtige Atmen und gesunde Pflanzenöle finden Sie im aktuellen KURIER-Magazin Medico. In Ihrer Trafik und im gut sortierten Zeitschriftenhandel um 4,90 Euro erhältlich oder als versandkostenfreie Direktbestellung einfach Mail an magazin@kurier.at schicken.