Leben/Essen & Trinken

Fermentation: Die Kunst, Lebensmittel haltbar zu machen

Jeder kennt das: Da hat man die Großpackung Paprika gekauft, aber eigentlich braucht man nur zwei. Die restlichen drei Prachtkerle fristen ein tristes Dasein in der Gemüselade, oft bis sie vergammeln. Ingrid Palmetshofer hat da einen besseren Vorschlag: „Machen Sie daraus einen frischen Paprika-Relish mittels Fermentation.“ Das klingt köstlich, aber auch kompliziert, denkt sich der Laie. Doch er irrt. Denn eigentlich braucht man für die pikante Würzsoße  nur das Gemüse, Salz, Wasser, ein passendes Gefäß – und etwas Geduld. Palmetshofer beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema und es ist mittlerweile  zu einer Leidenschaft geworden.  Die jahrtausendealte Konservierungsmethode ist  zwar durch die Erfindung  von Kühl- und Gefrierschränken in den vergangenen  Jahrzehnten    etwas aus der Mode gekommen, aber das ändert sich gerade. Denn  mit  dem wachsenden Bewusstsein für gesunde Ernährung, für Ökologie und durch die Do-it-yourself-Bewegung feiert  das „Selber-Einlegen von Gemüse“   ein verdientes Revival. „Vor allem die Lakto-Fermentation boomt, denn die  kann  jeder  zu Hause  machen“, so Palmetshofer. Sie gibt ihr Wissen auch in Workshops weiter.   Dort lernt  man, dass Fermentieren keine Hexerei ist, sondern ein natürlicher Prozess, der eine tolle Möglichkeit darstellt, Gemüse zu verarbeiten.

 

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Grundlagen

Sauerkraut, Salzgurken und Bier gehören bei uns zu den bekanntesten vergorenen Lebensmitteln. Nur wenige wissen, dass   auch Wein, Sauerteigbrot,  Käse, Kaffee, Kakao, Vanille und  Tee   zu dieser Kategorie zählen. „ Fermentation beschreibt ganz allgemein eine Umwandlung von Stoffen durch Bakterien, Hefen, Schimmelpilzen oder Enzymen“, so die Expertin.  So sorgt bei der Lakto-Fermentation die während der Gärung entstehende Milchsäure  für die Haltbarkeit. „Durch den Aufschließungsprozess ist das Gemüse vorverdaut und so bekömmlicher als rohes Gemüse“, betont Palmetshofer. Zudem ist fermentiertes Gemüse  eine wichtige Quelle für  physiologische Bakterien, vor allem für die wichtigen Milchsäurebakterien, die, wenn sie regelmäßig konsumiert werden, die Darmgesundheit fördern.  Täglich ein bis zwei Esslöffel Fermentiertes zu konsumieren reicht aus, um die Darmflora in Schuss zu halten.

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PH-Wert

Jetzt  steht Palmetshofer  in der Schauküche der Werkstatt 15 in Rudolfsheim Fünfhaus und zerkleinert grünen Smeraldo-Paprika („Er hat keine Bitternote, aber den vollen Geschmack“)  und die Zwiebel, mengt großzügig  Salz  und Gewürze bei. Sie bereitet das eingangs erwähnte Paprika-Relish zu (Rezept Seite 58).  „Der Grundsatz  der Fermentation ist Gemüse, Salz, Zeit sowie der ‚Ausschluss‘ von Sauerstoff“, erklärt die Expertin. Während des Fermentierens  sinkt dann der pH-Wert des Relish, damit entsteht ein saures Milieu, in dem  fäulnisauslösende und ungesunde Keime nicht überleben können. Ein Verderben ist damit nicht möglich, eine erwünschte Gärung aber sehr wohl. Dieser Prozess kann sich   über mehrere Tage, Wochen und Monate hinziehen.  Während dieser Zeit verändert das Grundprodukt  seine Konsistenz und seinen Geschmack. „Es handelt sich ja um lebende Nahrung“, wie Palmetshofer betont, während sie mit den Händen die Paprika-Zwiebelmischung mit Salz vermengt.  Sie hebt hervor, dass es zwar wichtig ist, sauber und hygienisch zu arbeiten, aber nicht steril, denn man  braucht   die lebenden Mikroorganismen, um den Prozess in Gang zu bringen.

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Grande Finale

Nach dem finalen Abschmecken  wird  das Relish – es hat durch das Rauchsalz und den Pfeffer eine rauchig-herbe Note erhalten –  Schicht für Schicht in ein Bügelglas gefüllt. Die   Masse wird immer wieder vorsichtig zusammengedrückt, um allen Sauerstoff zu eliminieren.  Das zweite große „Geheimnis“ für das gute Gelingen ist, dass das Gemüse immer  ganz von  Lake bedeckt sein muss, denn sonst droht das Verderben – ein häufiger Anfängerfehler. Zum Abschluss wird die Masse  noch mit einem Gewicht aus Keramik  beschwert und abgedeckt, das Glas verschlossen. Jetzt heißt es warten und auf eine gute Entwicklung hoffen. „Es gibt simple Richtlinien, woran man erkennen kann, ob der Vorgang gut geht oder nicht: Augen, Nase und Gaumen geben Aufschluss“, so Palmetshofer.    
Wie lange die Gärung dauert, hängt vom Gemüse und der Temperatur ab. Das Relish ist in der Regel nach sieben Tagen soweit vergoren, dass es zu Gegrilltem, zu Käse oder einfach aufs Brot genossen werden kann. Vor allem der fein  säuerliche Geschmack ist für viele eine unbekannte Gaumenfreude,  weil die herkömmlichen Zubereitungen von Gemüse meist essigsauer schmecken.  „Die Säure, die durch die Lakto-Fermentation entsteht, ist viel feiner und prickelnder und der Gemüsegeschmack bleibt dabei erhalten – für die meisten ist das ein echtes Aha-Erlebnis“, so Palmetshofer.

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