Leben/Essen & Trinken

Selbstversorger: Ich esse nur Gemüse aus meinem Garten

Aussteiger, Hippie, Landwirt, Selbstversorger – mit Schubladisieren kommt man bei Michael Hartl nicht weiter. Seit sechs Jahren versucht der 34-jährige Veganer, autonom vom Lebensmittelhandel zu leben. Im Interview mit dem KURIER erzählt er, dass er vor wenigen Monaten auf ein Landgut in die Toskana gezogen ist und kommendes Jahr mit dem Getreide-Anbau beginnen will. Diesen Herbst wird der Blogger als Jury-Mitglied für den AMA Food Blog Award die besten deutschsprachigen Food-Blogs auszeichnen.

KURIER: Wie lange leben Sie schon als Selbstversorger und gab es eine Initialzündung?
Michael Hartl: Seit sechs Jahren, aber es gab keine Initialzündung. Es waren zwei unterschiedliche Beweggründe, was mein Herz und mein Kopf wollten. Meine damalige Lebensgefährtin Lisa war Aktivistin für Tierrechte und Umweltschutz. Für uns stellte sich das Leben nach unseren Werten als Wahl zwischen Pest und Cholera dar: Wenn Du saisonale Produkte kaufen willst, kommen diese aus Spanien und wurden von schlecht bezahlten Erntehelfern geerntet. Oder Du kaufst regionale Produkte aus konventioneller Landwirtschaft. Als wir diese Zusammenhänge erkannten, wollten wir Verantwortung übernehmen und da gab es nur einen Schluss: selber anbauen. Mein Herz wollte in der Natur sein, ich liebe es, draußen zu arbeiten.

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Wo leben Sie derzeit?
Lisa lebt im Süd-Burgenland. Ich lebe derzeit in der Toskana, wo andere sonst ihren Urlaub machen. Hier habe ich mein eigenes Quellwasser und muss mich ganz anderen Herausforderungen stellen. Die Saison dauert hier länger, das Grundstück liegt in einem Naturschutzgebiet. Derzeit baue ich unter anderem Bohnen, Paradeiser, Mais, Salate, Pastinaken, Karotten, Kohl, Linsen, Feigen, Oliven, Äpfel und Birnen an.

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Sie leben vegan?
Ja, einkochen tue ich weniger, aber ich lege sehr viel ein. Im Winter ergänze ich meine Ernährung durch Sprossen, diese sind nährstoffreich und ich kann das Saatgut gut lagern.

"Wenn ich Vorträge halte, nehme ich Vorräte für ein bis 1,5 Tage mit."


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Was kaufen Sie noch im Supermarkt ein?
Lebensmittel kaufe ich sehr selten: Es kommt stark darauf an, in welcher Region ich mich gerade befinde. Wenn ich Vorträge halte, nehme ich Vorräte für ein bis 1,5 Tage mit. Während der Hitze oder bei längeren Reisen, ist das natürlich nicht möglich. Ich kaufe vor allem Artikel wie Toilettenpapier, Kleidung oder Zahnpasta. Zwar gibt es auch auf meinem Blog eine Anleitung, wie man Zahnpasta selber herstellen kann, aber würde ich wirklich versuchen, alle Produkte selber herzustellen, müsste ich sehr viel Zeit und Energie investieren. Und am Ende würden die Ersatz-Produkte meinem Anspruch nicht genügen.

Bauen Sie auch Getreide an?
Nein, noch nicht, aber ich möchte nächstes Jahr damit starten. Als Selbstversorger kann man nicht beliebig viele Anfangsschritte setzen: Für jedes neue Gebiet muss ich mir zuerst das Wissen aneignen, dann brauche ich die nötige Infrastruktur, und wenn nötig das Wissen, wie ich Maschinen betätige. Jeder neuer Bereich erfordert in der Anfangsphase viel Arbeit.

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Wie viel Zeit investieren Sie?
Das kommt auf die Jahreszeiten an: Zwischen drei und vier Stunden Arbeit im Garten halte ich für realistisch. Wenn es sich um einen Tag handelt, an dem ich Gemüse einlege, kommen noch ein bis zwei Stunden hinzu. Natürlich hängt die Arbeitszeit mit den Aufgaben zusammen, die gerade anfallen, ein Beispiel: Fällt in einer Woche das Brombeer-Pflücken an, brauche ich weniger Arbeitszeit. Wenn ich die Wurzelstöcke mit der Spitzhacke bearbeiten muss, dann ist es zeitintensiver. Diesen Sommer hatte ich eine sehr intensive Zeit, zwischen acht und zehn Stunden, weil ich viel Aufbau-Arbeit in der Toskana leisten musste.

"Was wir brauchen, ist Genügsamkeit, das ist die Voraussetzung für Zufriedenheit."


Sie schreiben auf Ihrem Blog, dass Sie gar nicht anstreben, ein hundertprozentiger Selbstversorger zu sein. Warum nicht?
Bei diesem Thema geht es natürlich um Freiheit, aber im Falle einer Krankheit wäre ich von Almosen abhängig. Deswegen gehe ich auch Tätigkeiten nach, die bezahlt werden. Schließlich möchte ich sozialversichert sein: Unser Sozialsystem ist eine großartige Errungenschaft und eine richtig gute Idee für unsere Gesellschaft. Ich verdiene Geld, das ich gerne wieder für die Sozialversicherung ausgebe. Was wir brauchen, ist Genügsamkeit, das ist die Voraussetzung für Zufriedenheit.

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Haben Sie eine landwirtschaftliche Ausbildung genossen?
Nein, ich bin in allem Quereinsteiger und Autodidakt. Ich gehe zu Menschen, die etwas können und lerne. Da ich praktisch veranlagt bin und fokussiert arbeiten kann, lerne ich schnell.

Wie hat Ihre Familie damals reagiert?
Meine Eltern sind großartige Menschen, die uns immer unterstützt haben, lieben und verstehen wollen. Auch meine Geschwister finden meine Erfahrungen spannend und mittlerweile gibt es oft Gespräche im Freundeskreis über Selbstversorger-Themen. Was mir aber wichtig ist: Den Weg, den ich gewählt habe, muss keinesfalls jeder gehen. Ob jemand in seiner Freizeit Fahrräder repariert oder Flüchtlingen hilft, hängt mit der Persönlichkeit zusammen. Es geht darum, welche Ideen dahiner stecken. Wir werden eine bessere Gesellschaft, wenn wir gewohnte Wege verlassen und ein bisschen genügsamer leben.

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