Leben/Essen & Trinken

Elena Arzak: "Das beste Restaurant macht am wenigsten Fehler"

Essen wie der große Komponist Gioachino Rossini – das ermöglichte Starköchin Elena Arzak am Wochenende im Rahmen der Salzburger Pfingsfestspiele. Die Baskin betreibt gemeinsam mit ihrem Vater eines der besten Restaurants der Welt, nach aktueller Liste der World best Restaurants belegt das Arzak in San Sebastián den achten Platz. Rossini liebte nicht nur die Welt der Töne, sondern auch die Welt der Aromen. Zahlreiche Speisen wie pochierte Eier Rossini, Taube à la Rossini oder Tournedos Rossini gehen auf den Maestro zurück, der 1868 in Paris verstarb. Auf Einladung von Cecilia Bartoli, der Direktorin der Pfingsfestspiele, tischte Arzak eine Hommage an Rossini auf, Unterstützung erhielt sie von Andreas Döllerer.

KURIER: Stimmt es, dass Sie bereits mit 11 Jahren im Restaurant ihres Vaters mitgeholfen haben?
Elena Arzak: Nicht ganz. In diesem Alter interessierte mich das Kochen bereits sehr. Unser Restaurant wurde 1897 von meinen Urgroßeltern gegründet. Damals kochte meine Urgroßmutter, dann gab sie das Restaurant an meine Großmutter weiter und diese schließlich an meinen Vater. Dass ich nach Salzburg kommen durfte, ging nur, weil mein Vater in San Sebastián die Stellung hält. Einer muss ja im Restaurant bleiben. Meine Schwester und ich halfen als Kinder in den Sommerferien immer im Restaurant mit. Für Kinder einer Gastronomenfamilie ist das ganz selbstverständlich, es macht viel Spaß Zeit mit der Familie zu verbringen. Auch meine Tante, die Köchin ist, oder meine Mutter, die Seele des Restaurants, halfen ganz selbstverständlich mit. Mein Vater und ich haben vor mehr als 20 Jahren als Tandem begonnen.

Können Sie sich erinnern, welches Gericht Sie als Erstes selber kochten?
Arzak: Wenn meine Eltern im Restaurant waren, passte unsere Tante auf uns auf. In der baskischen Küche spielen Milchreis und Krustentiere eine große Rolle. Ich werde nie den Geruch von Milchreis und Krabben vergessen. In den Ferien habe ich immer Tintenfische gereinigt und Schokoladen-Trüffel gerollt.

Wie kommt es, dass Sie fließend Deutsch sprechen?
Arzak: Ich besuchte in San Sebastián die deutsche Schule. Nach der Matura absolvierte ich die Hotelfachschule in Luzern in der Schweiz.

Sie sind Mutter von zwei Kindern. Ist es schwieriger für die Salzburger High Society zu kochen oder für Kinder?
Arzak: Ich bewundere alle Menschen, die zu Hause kochen. Ich habe 30 Köche in der Küche, die mir helfen. Natürlich ist es anders, für Kinder zu kochen. Den Basken ist Essen so wichtig wie den Österreichern Musik. Basken kochen mit frischen Produkten und lehren ihren Kindern, gut zu essen.

Wie kommt es, dass statistisch gesehen Frauen noch immer zu Hause für das Kochen zuständig sind, aber so wenige Frauen Spitzenköchinnen sind?
Arzak: Wenn man sich Listen ansieht, dann stehen tatsächlich wenige Frauen an der Spitze. Es ändert sich: Als mein Vater vor 50 Jahren die Hotelfachschule absolvierte, besuchten kaum Frauen diese Schule. Als ich an der Hotelfachschule war, waren wir schon mehr. Es braucht Zeit. Im Baskenland haben wir ein Matriarchat: Frauen haben eine starke Rolle und stehen auch in der Küche.

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Wie viele Frauen gibt es in Ihrem Restaurant?
Arzak: Von 30 Köchen sind es sieben Frauen. An den höchsten und wichtigsten Positionen stehen aber Frauen. Gesamt gesehen sind wir 80 Prozent Frauen.

Was macht einen guten Koch aus?
Arzak: Ein Koch muss das Handwerk beherrschen und lieben. Er muss fleißig und ein guter Zuhörer sein, sein Handwerk konstant abrufen können und er muss demütig bleiben.

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Köche sehen sich oft als Künstler und nehmen Kritik sehr persönlich. Wie stehen Sie Listen gegenüber?
Arzak:Man muss Listen und Führer unterscheiden. Natürlich sind Listen wie die World best Restaurants wichtig, aber sie sind nicht alles. Und natürlich braucht es gute Presse, um weitermachen zu können. Führer wie Gault Millau sind für Köche eine gute Kontrolle. Kritik hilft immer, auch negative Kritik sorgt dafür, dass man seine Fehler korrigieren kann. Das beste Restaurant der Welt macht am wenigsten Fehler. Menschen machen Fehler, das gehört dazu. Köche brauchen Druck, sonst schlafen Sie ein. Mein Vater hat mir diesen Druck gegeben.
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Können Sie sich erinnern, wie er Ihnen Druck gemacht hat als Kind?
Arzak: Als ich 14 oder 16 Jahre alt war, wollte er, dass ich für die ganze Familie zu Weihnachten koche. Können Sie sich vorstellen, wie hart das ist, wenn die Großeltern, die Eltern und die Tante Köche sind? Was für eine Prüfung!

Spanien leidet unter einer hohen Arbeitslosigkeit. Wie wirkt sich diese auf die Gastronomie aus?
Arzak: Wir haben im Norden Glück, die Situation ist hier nicht so dramatisch. Wir haben nach wie vor eine dreimonatige Warteliste und wir finden auch noch genug Praktikanten, da wir in San Sebastián drei Kochschulen haben und das basque culinary center haben, wo man Gastronomie studieren kann. Von 30 Köchen haben wir 20 Fixe und 10 Praktikanten. Wir verlangen auch keine Gebühr, wenn jemand seine Reservierung verfallen lässt. Wir lassen alle Reservierungen telefonisch bestätigen, durch diese Kontrolle haben wir auch keine finanziellen Ausfälle.

Ein österreichischer Haubenkoch verbietet Kindern unter 16 den Zutritt. Erlauben Sie Kinder?
Arzak: Ja, wir haben Kinder sehr gerne. Kinder, die in solche Restaurants wie in unserem essen, sind das gewohnt. Man kann aber nie vermeiden, dass ein Kind zu weinen beginnt.

Was hat Sie nach Salzburg verschlagen?
Arzak: Cecilia Bartoli hat uns besucht und uns die Empfehlung gegeben. Rossini war nicht nur ein Komponist, sondern auch ein Feinschmecker. Zahlreiche Speisen sind nach ihm benannt. Mein Vater und ich haben seine Rezepte immer schon in unserem Restaurant umgesetzt. Beschreiben würde ich es als multisensorische Küche voll Harmonie, ohne die Wurzeln meiner Kultur oder das Forschen und Weiterentwickeln zu verlieren. Ich wollte unbedingt ein Menü kochen, das er auch gerne gegessen hätte!
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Was verbindet Sie mit Österreich?
Arzak: Durch die deutsche Schule und der Schweizer Hotelfachschule habe ich eine enge Beziehung zum deutschsprachigen Raum. In der Hotelfachschule saßen auch viele Österreicher. So viele Österreicher sind gute Köche: Eckart Witzigmann, Walter Eselböck, Karl Obauer, Johanna Maier, Heinz Reitbauer, Andreas Döllerer, Thomas Dorfer und Lisl Wagner-Bacher. Ich lasse übrigens gerne die österreichische Küche im Arzak einfließen! Von Walter Eselböck bekomme ichKürbiskernöl, mit dem ich sofort experimentiert habe. Auch Knödel habe ich schon oft gekocht. Und die österreichischen Weine sind sehr gut, ich schätze Kracher und Gut Oggau sehr. Die österreichische Küche ist ein Mosaik aus den europäischen Küchen.

Köche werden gerne gefragt, welches Essen für Sie unvergessen bleibt.
Arzak: Uff... Das El Bulli hat mich unglaublich beeindruckt. Zuletzt auch das Frantzén. Aber die Gerüche meiner Kindheit werde ich nie vergessen.

Cecilia Bartoli, Galionsfigur und prägendes künstlerisches Element der Pfingsfestspiele, hatte die 3-Sterne-Köchin Elena Arzak aus San Sebastián nach Salzburg eingeladen. Zu kochen für ein Charity-Dinner rund um einen Galaabend zu Ehren von Gioachino Rossini, welches im Karl Böhm-Saal ausgerichtet werden sollte. Die Arzak reiste mit einem Kühllastwagen an, in dem Meeresfrüchte bester Art sowie andere baskische Zutaten transportiert wurden. Ihr Team aus fünf ihrer besten Mitarbeiter durfte außerhalb des Kühlabteils reisen.

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Was den Abend für Elena Arzak und die ihren außergewöhnlich machen würde, waren zwei Umstände: einmal die Aufgabe, statt für 40 Gäste wie daheim im Restaurant für 300 Gäste zu kochen. Zum Zweiten: Das Festspielhaus verfügt über tolle Bühnentechniken, aber nicht über eine Küche, die für solche Events geeignet ist.
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Dieser - der Abend - war schon im vergangenen Herbst kurz nach der Ankündigung restlos ausverkauft gewesen. Ein Dinner dieser Art inklusive Getränke um 190,-. Diese Okkasion wollten sich viele nicht entgehen lassen. Zumal es schon vorher einige Leckereien zu genießen gab, allerdings nicht für Nase und Gaumen, sondern für die Ohren.

Rossini 2.0

Doch während sich die Besucher der Rossini-Gala im großen Festspielhaus über die Qualität des Gebotenen ziemlich einig waren - es gab stehende Ovationen für ein bestens disponiertes halbes Dutzend von Spitzensängern von José Carreras (er war wirklich da) bis Cecilia Bartoli oder Ruggero Raimondi - stieß die Arzaksche Speisenfolge danach bei einigen Gästen auf Unverständnis.

Mag sein, dass die meisten sich Tournedos Rossini erwartet hatten. Ein legendäres, aber auch ziemlich heftiges Gericht mit schwarzen Trüffel, Gänseleber, Rindsfilet und arger Sauce, das bei der sommerlichen Hitze bei einigen Gästen eh Anlass für den Ruf nach dem Rettungswagen gegeben hätte. Es gab jedenfalls keine Tournedos und auch sonst nichts von dem, was in der einschlägigen Literatur über Gioachino Giacomo Rossinis kulinarische Vorlieben zu lesen ist.

Sandwichmänner ...

Stattdessen gab es einen Auszug aus Elena Arzaks aktuellem Schaffen und was auf die Teller kam, war ziemlich gut.

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Ein Sandwichman ging herum, er war gespickt mit Spießchen, darauf wilder Spargel, Pfefferoni, grüne Oliven und Anchovis. Genialer Gag. Hering wurde mit Erdbeeren kombiniert. Fremdartiges oder zumindest selten Gehabtes kam in Form von Königsgarnelen mit Mais, Steinbeissermus, einer so genannten wechselnden Tintenfischsuppe.

Später gab es ein knuspriges Teil aus Maniok und "Huitlacoche"-Pilzen, zwei Importe aus der brasilianischen beziehungsweise mexikanischen Küche, dazu ein Gänselebermousse - letzters also doch eine kleine Verbeugung vor der Rossini-Koch-Kultur, wie Elena Arzak es angekündigt hatte.

... und Chips zum Fisch

Einen Fisch von der Qualität des Loup de mer (Branzino) aus dem Baskenland hatten viele der Gäste vermutlich noch nie am Teller gehabt. Auf manchen Tischen ging das Äußern von Unverständnis über das Gebotene dann auch gleich in stilles, einvernehmliches Genießen über. Wenn es Geräusche gab, dann vor allem das Knirschen und Knacken der knusprigen Chips, die zum Fisch gereicht wurden.

Als dann der Hauptgang kam - Taubenbrust mit Kürbiskernen und einem Hauch von Kürbiskernöl als Hommage an Rossini und das Gastgeberland Österreich - hatten sich die Gäste schon daran gewöhnt, dass weder Elena Arzak noch ihr Helfer Andreas Döllerer (aus Golling mit Frau, Service und Kochteam angereist) an diesem Abend Lust gehabt hatten, 0815-Küche aufzutischen.

Phantastische Desserts auf Basis von Mango, serviert in allen möglichen oder bisher für unmöglich gehaltenen Aggregatszuständen und Konsistenzen, machten den Abschluß. Manche baten um einen Nachschlag. Es war halb drei in der Früh. Nicht einmal in Spanien, so Elena Arzak, wird so spät gegessen. Arzaks Resümee des Abends: "Ich habe heute das gekocht, was ich Rossini gekocht hätte, wäre er heute mein Gast."

Dreamteam Döllerer & Arzak

Andreas Döllerer, dessen Team in Küche und Service am Gelingen der Choreographie des Abends einen beträchtlichen Anteil hatte und dafür nach der Arbeit mit ein paar Flaschen vom herrlich trockenen Cava belohnt wurde, abschließend: "Die arbeiten anders als wir."

Was die spanischen von den österreichischen Köchen unterscheidet, darüber zu diskutieren war um diese Zeit nicht der geeignete Zeitpunkt.