Leben/Essen & Trinken

Bio-Brot aus dem Copy-Shop

Im Copy-Shop von Brigitte Macho in der Heumühlgasse in Wien-Wieden gibt es alles, was das Kunden-Herz begehrt: Broschüren, Plakate, Visitenkarten. Oder auch: Feigen-Chili-Chutney, Kriecherl-Marille-Nektar und Zwetschken-Birnen-Röster.

Von der "Geiz-ist-geil-Gesellschaft" hatte Brigitte Macho irgendwann genug: "Ich wollte im Fuzzikleinen dagegen ankämpfen." Deshalb verkauft sie in ihrem M+N-Copy-Shop auch Lebensmittel von Klein-Produzenten. Zu den Visitenkarten gibt es jetzt das Kilo Bio-Brot dazu.

Der Copy-Shop von Brigitte Macho steht stellvertretend für das, was in dieser Stadt aktuell stattfindet. Ein Umdenken. Vielen Großstädtern ist die Anonymität im Supermarkt zu viel geworden. Sie sehnen sich nach Produkten mit Persönlichkeit.

Umdenken

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Einer von ihnen ist Manuel Zauner (39). Irgendwann, erzählt er, hat er sich im Supermarkt nicht mehr wohl gefühlt. Er hat das Vertrauen in die Qualitätssiegel verloren. Seitdem kauft Zauner Fleisch direkt beim Bauern, Gemüse von der Solidarischen Landwirtschaft und so gut wie alles andere beim dazu-Hofladen in der Liechtensteinstraße. Über seine Erfahrungen hat er ein Buch geschrieben ("Ab Hof. Eine kulinarische Reise zu Österreichs Kleinversorgern", Pustet-Verlag).

"Dieser Laden war ein großes Glück für mich", sagt Zauner. Er weiß jetzt, woher sein Essen kommt, wie der Bauer heißt, bei dem sein Essen wächst und wer die Menschen sind, die ihm sein Essen verkaufen. Sie heißen Annemarie Wanner und Georg Rohrauer. Gemeinsam betreiben sie im burgenländischen Lackendorf eine Bio-Landwirtschaft mit 150 Bienenvölkern und 30 Hektar Streuobstwiesen. Annemarie und Georg wollten etwas "dazu" machen. Aus ihrem Honig machen sie Honig-Senf (mit hausgemachtem Honigessig und Senfkörnern aus dem Seewinkel). Sie produzieren Powidl, Kräuterketchup und Chutneys. Alles, was nicht von ihrem Hof kommt, beziehen sie von befreundeten Landwirten.

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In ihrem Hofladen verkaufen sie das, was sie selbst produzieren und das, was sie von anderen gut finden. Tee vom Kräuterhof Zach im Waldviertel etwa, oder Säfte vom Biohof Weichhart aus Oberzwischenbrunn. "Vom Land in die Stadt in den Bauch", lautet das Motto. Die Kunden von Annemarie und Georg sind "typische Großstädter", sagen sie. Junge Mütter, die sehr auf Ernährung achten, Großstädter, die sich etwas gönnen wollen und Landmenschen, die Produkte von daheim in Wien vermissen. "Die Menschen fangen wieder an, Produkte von kleinen Produzenten zu schätzen", erzählen die beiden.

Das ist auch Rainer Neuwirth, Michael Schruef und Thomas Poscher aus Wieselburg aufgefallen. Über ihren Online-Bauernladen MyProduct.at verkaufen sie Spezialitäten und Handwerkserzeugnisse von etwa 200 Klein- und Mittelbetrieben in Österreich. 42 Prozent ihres Umsatzes machen sie in Wien.

Ähnlich ist es bei den "Frischen Fritzen". Seit 2013 produzieren Julia Ramsmaier, Florian Bertich und Alberto Nodale Bio-Müsli und liefern es an Unternehmen und Schulen aus. Die Hälfte ihrer Kunden kommt aus Wien.

Geldfrage

Der Trend zu Spezialitäten von kleinen Betrieben ist auch Franz Windisch, Präsident der Wiener Landwirtschaftskammer aufgefallen. Doch der Trend beschränke sich auf gut ausgebildete Besser-Verdiener: "Es gibt die, denen bio, regional und saisonal etwas Wert ist. Und es gibt die, für die sich diese Frage gar nicht erst stellt."