Altwiener Fingerfood im Minutentakt
Ei mit Ei“ ist relativ einfach, "Geflügelleber“ ebenso. Aber bei "Pikantes Ei“ oder "Speck mit Ei“ braucht’s schon einiges an Übung, um jeweils beide Aufstriche in akkuraten Linien aufs Brot zu bringen. Für Frau Mili ist auch das kein Problem. Routiniert bestreicht die Trześniewski-Mitarbeiterin Brot um Brot mit der genau richtigen Menge Aufstrich. Dass sie das mit einer Gabel tut, ist typisch für Treśniewski. Seit der Gründung vor 111 Jahren gehört die unübliche Streichtechnik zum Markenzeichen der unaussprechlichen Brötchen. Ebenso wie das typische Gabel-Muster.
Handarbeit
Die sind durch und durch per Hand gestrichen. Rationalisierungsversuche, vom Förderband bis zur Streichmaschine, brachten keinen Erfolg. Altwiener Tradition eben. So wie die Brötchen an sich. Von den heute 22 Sorten gehen 18 auf Maria Trześniewski (1906–1982), die das Büfett in der Dorotheergasse bis 1978 führte, zurück.
Der Renner: damals wie heute "Speck mit Ei“ und "Geflügelleber“. "Mit wem man auch spricht: Jeder Wiener, der Besuch bekommt, geht zum Trześniewski“, sagt Geschäftsführerin Sabine Weiß. Sie glaubt, dass die praktische Ader des Firmengründers den Erfolg begründete: "Er faschierte schon damals sämtliche Beläge zu Aufstrichen, dadurch war der Verzehr unfallfrei und auch damengerecht.“
Jour-Gebäck und ...
... Canapé
Die Damen in der Produktion verstehen jedenfalls ihr Geschäft. Ruck, zuck sind Brötchen fertig. Etwa die filigranen, kleinteiligen Canapés – rund und üppig belegt – entstehen im Minutentakt. Bizour: „Sie sind als Aperitif, zum Beispiel bei einem Stehempfang, beliebt.“ Mit geschickten Fingern drehen seine Mitarbeiterinnen hauchdünne Roastbeef- oder Lachs-Scheiben zu Röschen und platzieren sie punktgenau auf der Brot-Unterlage.
... wir die handliche Form der Trześniewski-Brötchen der Wirtschaftskrise der 1920er-Jahre verdanken? Der 1902 aus Krakau zugewanderte Firmengründer Franciszek Trześniewski schnitt damals das Brot in kleine Portionen, die sich jeder leisten konnte. Diese Form behielt auch Tochter Maria bei.
... Bestellungen übrigens noch wie zu den Anfangszeiten nach Stückzahl und Abholzeit aufgenommen werden und nicht mit dem Namen des Bestellers registriert.
... der für heimische Zungen schwierige Namen der Brötchen eigentlich ganz leicht auszusprechen ist? Trześniewski-Geschäftsführerin Sabine Weiß empfiehlt: „Lassen S’ einfach das ‚r‘ weg.“ Heißt also: die korrekte Aussprache lautet „Tschesnevski“. Oder so ähnlich.
... das Wort „canapé“ im Französischen Sofa bedeutet? Schon im 17. Jahrhundert ließen sich französische Adelige auf einem Beistelltischchen neben dem Sofa Konfekt und Früchte servieren. Später kamen pikante Häppchen dazu.
... Canapés nicht größer als vier bis fünf Zentimeter sein sollten? So kann man sie leicht mit den Fingern essen.
... sich die Bedeutung von Brot in den 1950er-Jahren änderte? Die Menschen hatten wieder mehr zu essen, Brot wurde vom Hauptnahrungsmittel zur Unterlage und die kalte Küche hielt Einzug.... am Siegeszug der kalten Küche der Kühlschrank wesentlichen Anteil hatte? Die Lebensmittel konnten gekühlt werden und blieben länger haltbar.
... die kalte Küche die Rolle der Hausfrau veränderte? Die beliebten kalten Platten und „illustrierten Brötchen“ ließen sich gut vorbereiten, man konnte sich mehr den Gästen widmen.
Folgendes Rezept aus der traditionellen Jüdischen Küche kann als Vorbild des Trzesniewski-Geflügelleber-Aufstrichs gesehen werden:
Hühner- oder Truthahn-Leber braten und mit hart gekochten Eiern, Zwiebeln (roh oder gedünstet) vermischen und klein hacken oder faschieren. Mit Salz, Pfeffer und etwas Gänsefett abschmecken. Kalt stellen.