Salz aus dem Meer: Hier liegt das weiße Gold
Von Barbara Beer
Von Weitem sieht es aus wie Schnee. Es ist eine fast surreal anmutende vermeintliche Winterlandschaft, die sich hier, mitten im Sommer, an der Küste vor dem südwestfranzösischen Golfe du Lion auftut. Tatsächlich sind es die Salzfelder von Gruissan, einem alten Fischer- und Salzsiederdorf nahe Narbonne in der Region Okzitanien. Schon die Römer versuchten hier, Salz aus dem Meerwasser zu gewinnen. Über Jahrhunderte hinweg hat man sogenannte Salzgärten angelegt. Später wurden entlang der gesamten französischen Mittelmeerküste Salinen gebaut, die die Fischer, Gerber und Fleischhauer aus der Gegend versorgten.
Salz ist eine ernst zunehmende Sache. Was man als Österreicher aus Kindheitsbesuchen im Salzbergwerk kennt, lernt man hier in den geführten Touren durch den Salzgarten der l’Île St-Martin: Mit Salz ist nicht zu spaßen, denn es bedeutet Wohlstand, man spricht heute noch vom „weißen Gold“ und so sorgen hier die wachsamen Augen eines sogenannten Salzmeisters, eines maître saunier, dafür, dass das über ein Kanalsystem in Verdunstungsbecken gepumpte Meerwasser ordentlich zirkuliert. Unter dem Einfluss von Sonne und Wind, dem Tramontane, verdunstet es zur Lauge, kommt zwecks Kristallisierung in Trockenbecken und wird später zum Trocknen zu Salzpyramiden aufgetürmt – nach altem Brauch noch in Handarbeit und stets in den Monaten Juli und August, in Annäherung der Herbst-Tagundnachtgleiche.
Das Wasser in den Trockenbecken leuchtet grell pink und violett. Verantwortlich dafür sind kleine Algen, die das Wasser mit besonders viel Salz anreichern und Carotin produzieren – und von den Salinenkrebsen gefressen werden, die wiederum Lieblingssnack der hier beheimateten Flamingos sind, deren Gefieder bei regelmäßiger Krebsjause besonders schön leuchtet.
Ein spektakulärer Anblick – inmitten einer Region, die an sich schon reich an Sehenswürdigkeiten ist. Kultur und Natur (wir befinden uns im Nationalpark Parc Naturel Régional de la Narbonnaise, Paradies für Vogelbeobachter) liegen im Wettstreit miteinander. Geschützte Pflanzen und Tiere finden in der Umgebung der Salinen Nistplätze sowie reichhaltige Nahrung und im Hinterland haben seit dem 12. Jahrhundert Religionskriege ihre Spuren hinterlassen. Ritterburgen und Festungen sind faszinierende Zeugen finsterer Zeiten und wirkliche Touristenattraktionen: Natürlich hat auch Gruissan eine Burg(ruine) und die spektakuläre Mittelalterburg des eine knappe Autostunde entfernten Städtchens Carcassonne inspirierte Walt Disney für sein Cinderella-Schloss und war Kulisse zahlreicher Historienstreifen.
Der große Blonde ...
Wie so oft in Frankreich, ist auch diese Gegend ein Fest für Kinofans ebenso wie für Gourmets. Die weiten Sandstrände von Gruissan-Plage mit ihren pittoresken weißen und pastellfarbenen Stelzenhäuschen dienten 1986 Regisseur Jean-Jacques Beneix als Kulisse für seinen Kultfilm „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“ und, apropos Kult, der Schauspieler Pierre Richard, einst „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“, hat sich überhaupt gleich hier niedergelassen.
Seit 1986 betreibt Richard mit seiner Schwester Véronique das Weingut Château Bel Évêque am Rande von Gruissan und ist, wie Besucher-Guide Caroline erzählt, eine wertvolle Stütze für den örtlichen Tourismusverein. Wenngleich auf den ersten Blick eher zurückhaltend. Sein Weingut liegt am Ende der staubigen Schotterstraße, die an den Salzverdunstungsbecken von Gruissan vorbeiführt. Wer den Weg dahin findet (angeschrieben ist er nur auf einem verwitterten Holztäfelchen), dem winken, so der zerstreute Monsieur Richard daheim und aufgelegt ist, Foto, Autogramm, und selbstverständlich Wein. Unter anderem Syrah und Grenache reifen auf den Kalksteinböden, die hinter den Lagunenseen der Küste entlang emporragen. Schon auf der Wanderung durch die Salzgärten von Gruissan grüßt Monsieur Richard – zunächst via Rebstock, der (zu Dekorationszwecken) mitten aus dem Salzfeld ragt, und später als Etikett auf den Weinflaschen, die im Touristenshop zu erstehen sind, gemeinsam mit Salzfässchen, Salzsäckchen und Salzkaramellen in allen erdenklichen Größen und Formen – sie begeistern nicht zuletzt die zahlreichen französischen Ausflügler, die hierher zum Baden, Austernessen und, ja, zum Salzshoppen kommen.
Salz als Souvenir? Salz ist doch bloß Salz, hauptsächlich Natriumchlorid, oder? Nun, wer den Vergleich kennt, weiß: Meersalz ist milder, mineralreicher und knuspriger als gewöhnliches Tafelsalz. Insbesondere jenes aus Gruissan. Das findet man vor allem dann, wenn man die rührende Geschichte der Salzmeister aus Gruissan kennt. 2004 wurde die örtliche Saline durch den Salz-Konzern Salins du Midi, in dessen Händen die gesamte Salzgewinnung der Region Camargue lag, geschlossen. Die Arbeiter kämpften sich vor Gericht das Recht zur Salzgewinnung zurück. Seit 2009 betreiben sie in Eigenregie Saline, Austernzucht, Salz-Museum und Restaurant.
Man setzt auf Salz als Delikatesse, und hier insbesondere auf das kostbarste Fleur de Sel: Die oberste Salzschicht. Fleur de Sel, die Salzblume, bleibt stets etwas feucht und hat durch den höheren Kalzium- und Magnesiumgehalt eine einzigartige Struktur – je nach Herkunft leicht knisternd, fein- körnig. Und der Geschmack? Schon die zarte Flocke auf der Zunge fühlt sich fein und mild an und lässt einen den, Verzeihung, gesalzenen Preis vergessen. Und nicht wenige sind der Ansicht, dass nichts himmlischer schmeckt, als ein Stück frisches Baguette mit Butter und Fleur de Sel.
Infos
at.france.fr, audetourisme.com
Zwei Rezepte mit Fleur de Sel
Vorbereitung: 90 min
Zubereitung: 20 min
Portionen: 40
200 g Zucker
60 g gesalzene Butter, gewürfelt
180 ml Schlagobers
1/2 Teelöffel Vanille-Extrakt
160 g Maissirup oder Invertzuckersirup
1/2 Teelöffel plus 1/4 Teelöffel Fleur de Sel
- Eine Kastenform mit Alufolie auslegen und die Folie leicht mit Öl bestreichen
- Schlagobers und die Hälfte der Butter mit dem Vanille-Extrakt und 1/2 Teelöffel Fleur de Sel in einem kleinen Topf erhitzen, bis die Masse zu kochen beginnt. Vom Herd nehmen und warmhalten
- In größerem Topf Sirup und Zucker auf mittlerer Stufe unter gelegentlichem Rühren erhitzen, bis der Zucker geschmolzen ist. Herd ausschalten, Mischung unterrühren, sodass eine cremige Masse entsteht Erneut auf mittlerer Stufe erhitzen, kurz köcheln lassen. Vom Herd nehmen, restliche Butter unterrühren
- Die Masse in die Form geben. 10 Minuten warten, sodass die Masse abkühlen und sich festigen kann. Mithilfe der Alufolie aus der Form heben. Folie entfernen, Karamell mit scharfem Messer in kleine Rechtecke schneiden. Das restliche Fleur de Sel darauf verteilen
Vorbereitung: 5 min
Zubereitung: 15 min
Portionen: 2
200 g Bratpaprika
2 Esslöffel Olivenöl
1 Teelöffel Salz
1 Teelöffel Knoblauchpulver
1/2 Teelöffel Paprikapulver, edelsüß, geräuchert (Pimenton de la vera)
1/4 Teelöffel Cayennepfeffer
Fleur de Sel
- Den Backofen auf 220 °C vorheizen. Die Bratpaprika mit allen Zutaten bis auf das Fleur de Sel in einer Schüssel vermengen
- Auf dem Backblech verteilen und 10 bis 15 Minuten auf der mittleren Schiene backen, bis die Haut Blasen wirft und anfängt, dunkel zu werden
- Die Paprika in eine kleine Schale füllen, mit Fleur de Sel bestreuen und umgehend servieren