Darum sollten Sie jetzt in das ursprünglichste aller Emirate reisen
Abdullahs schwielige Hände greifen in die zarten Rosenblüten. Eine Duftwolke steigt auf. Dann stopft der alte Mann mit dem zerfurchten Gesicht und den unnatürlich blauen Augen die Blumenpracht in einen kupfernen Topf. Zwei Stunden werden die Blüten darin schmoren und ihre Duftessenzen abgeben. Abdullah fängt sie einer kleinen Schale auf. Sie sind die Grundlage für das begehrte Rosenöl und das feine Rosenwasser vom Al Jabal Al Akhdar, dem grünen Berg im Norden des Oman. Die ganze Welt ist hinter diesen edlen Duftstoffen her. Vor allem die Scheichs aus den benachbarten Emiraten zahlen hohe Summen für ein Fläschchen.
So lange er denken kann, produziert Abdullah Ben Saif Ben Mahana El Saqry Rosenwasser. In der Saison von März bis Mai hockt er immer auf einem Schemel in einem winzigen Raum und ringt den zarten Blüten den Duft ab. Draußen brennt die Sonne auf das kleine Bergdorf Sayq. Drinnen ist es um einige Grade heißer. Die Luft ist schwer vom Rauch des glühenden Kohleofens. Abdullah kauert über der Glut und destilliert. Gut zwei Monate im Jahr verbringt er in der Höllenhitze, neben sich einen Korb aus Palmenwedeln vollgefüllt mit pinkfarbenen Damaszener-Rosen.
Abdullah kann sich ein Leben ohne Rosen nicht vorstellen. Bereits als kleiner Junge lernte er, die Blüten geschickt von den Sträuchern zu knipsen, ohne sich die Finger zu zerstechen. Heute geht er in der Erntesaison jeden Tag zum Sonnenaufgang in die Gärten. Dort pflückt er die duftenden Blüten, so lange der Morgentau auf ihnen glitzert, denn nur dann entfalten sie beim Destillieren ihr volles Aroma.
Smartes Wassersystem
Die reiche Ernte in den schroffen Hajar-Bergen ist nur durch die Afladj möglich. Diese steinernen Kanäle wurden bereits vor 1.500 Jahren angelegt und bilden ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, das von einem Wasserwächter, dem Wakir, kontrolliert wird. Dank der Afladj sprudelt und perlt es durchs Dörfchen Sayq. Dabei gedeihen nicht nur Rosen, sondern auch Granatäpfel, Feigen, Weintrauben und Marillen. Doch wenn der Regen ausbleibt, reicht das Wasser nicht für alle und Abdullah bangt um sein Einkommen. 1,5 Kilo Rosenblätter braucht er, um 250 Milliliter Rosenwasser herzustellen. Das bringt ihm rund zehn Euro. Ein Minidöschen mit Öl gibt es für fünf Euro. Die Nachfrage ist da, denn der Rosenessenz werden viele nützliche Eigenschaften zugesprochen. Sie wird Parfüms beigemischt und hilft als Öl gegen Gelenkschmerzen. Ein Spritzer Rosenwasser lindert Kopfschmerzen und verleiht Süßspeisen, Tee und Kaffee das gewisse Etwas.
Die Saison auf dem Al Jabal Al Akhdar reicht von März bis Mai. Dann überzieht ein pinkfarbener Teppich das Plateau. Tausende von Rosenbüschen verwandeln die Hänge und Terrassen, die in Kaskaden die Schlucht hinabklettern, in ein leuchtendes Farbenmeer.
Dianas Lieblingsplatz
Den besten Blick gibt’s von Diana’s Point. Diesen spektakulären Standort hat sich das Anantara Al Jabal Al Akhdar gesichert. Das noble Resort hat seinen Villen direkt an der Felskante des Plateaus, das sich hier 1.000 Meter in die Tiefe stürzt, aufgereiht und am Abgrund einen Infinity Pool platziert. Der Tipp für diese Pole-Position kam wohl von Lady Di. Gemeinsam mit Gemahl Prinz Charles ließ sie sich 1986 mit dem Hubschrauber an diesen außergewöhnlichen Ort fliegen, um die Aussicht zu genießen. Der Prinzessin zu Ehren trägt nun ein gläserner Aussichtssteg ihren Namen.
Im Oman steht nicht nur auf dem Al Jabal Al Akhdar alles im Zeichen der Wohlgerüche. Über dem ganzen Land schwebt eine zarte Duftwolke. Das liegt vor allem an den Männern. Sie tragen eine Stoffquaste am Kragen ihrer Dischdascha, die sie jeden Tag in Parfüm tauchen. Am liebsten wählen sie Amouage – quasi der Staatsduft. Der im Land hochverehrte Herrscher Sultan Qaboos ließ ihn aus 120 Ölen und Essenzen mischen. Wer konzentriert am Amouage schnuppert, kann die betörenden Düfte dieses geheimnisvollen Landes erkennen: Zedernholz aus den Hajar-Bergen, Weihrauch aus Salalah und Rosen vom Al Jabal Al Akhdar.
Info
Anreise Oman Air hat tägliche Nonstop-Verbindungen von Frankfurt und München nach Maskat. www.omanair.com
Beste Reisezeit Der Norden ist ganzjährig bereisbar. Die beste Zeit ist im Winter von November bis Mitte März. Wer die Rosenblüte erleben will, muss zwischen März und Mai kommen.
Währung 1 Euro = 0,44 Rial (OMR)
Unterkunft Das Anantara Al Jabal Al Akhdar liegt auf dem Saiq Plateau in exponierter Lage und bietet einen spektakulären Blick. DZ ab 350 € https://jabal-akhdar.anantara.com/
Buchtipp „Oman – Handbuch für individuelles Entdecken“ aus dem Verlag Reise Know-How, aktualisierte Auflage von 2017.
Auskünfte www.experienceoman.om