Khiva: Fremde Gesichter in der Stadt der vielen Märchen
Von Axel Halbhuber
Einigen wir uns zunächst einmal auf Khiva. Man findet auf Ortsschildern, Wegweisern und Selfiepoint-Kulissen hier auch die Schreibweisen Xiva und Chiwa, da ist sich keiner richtig einig. Über die geschichtliche Bedeutung dieser Stadt und der Region rundherum (je nach Laune Xorazm, Choresm, Choresmien, Khoresmien) hingegen schon. Hier ist eine Talsenke der Karakumwüste und daher sammelte sich schon immer das Wasser des Amudarja („darja“ heißt Fluss) und folglich auch die Menschen.
Während der Seidenstraßenzeit war Khiva damit ein Handelsumschlagplatz und wurde reich. Und weil viele der späteren Eroberer Usbekistans die Gegend übersehen haben, ist die 100.000 Einwohner-Stadt heute ein brillant erhaltenes Freiluftmuseum – nämlich die ganze Altstadt Ichan Qal’a.
Innnerhalb der langen langen Mauer
Das bedeutet „innerhalb der Mauer“ (diese Stadtmauer ist 2.200 Meter lang, 7 Meter hoch, begehbar und umschließt 26 Hektar) und sobald man sie durch eines der vier Tore betritt, wähnt man sich in der Filmkulisse eines Tausend-und-eine-Nacht-Schinkens.
Der märchenhafte Schein wird nur durch alles Touristische gebrochen: Vor dem Haupteingang (Westtor) kann man auf Pferden und Ponys reiten, Kinder können in kleinen Elektroautos fahren, Kitsch wird angeboten. Auch in der Altstadt ist der nächste Souvenirstand nie weit.
Ichan Qal’a, Lehrbuch eines UNESCO-Erbes
Aber das nächste Mausoleum, Minarett oder die nächste Madrese eben auch nicht. Die Ichan Qal’a beheimatet über einhundert dieser Bauwerke, viele in Originalzustand, sie ist ein Lehrbuchbeispiel für ein UNESCO-Welterbe, das sie seit 1990 auch ist.
Eine der Hauptattraktionen sind aber auch die einheimischen Touristen: Die 33 Millionen Usbeken reisen gerne, besonders die ältere Bevölkerung aus ländlichen Gebieten pilgert zu Mausoleen und anderen Bauten ihres Lieblingsheiligen. Wenn man dann in der Stadt steht und plötzlich eine riesige Gruppe älterer Frauen in folkloristischem Gewand zu tanzen beginnt; oder alte Männer sich die traditionellen Fellmützen (das dicke Fell am Kopf und auch als Mantel schützte in der Wüste angeblich vor Sonne und Hitze) aufsetzen und alte Lieder singen; wenn plötzlich vierzig dieser Lokalreisenden ein Gebet anstimmen und man dabei sein darf ... dann ist die Kulisse plötzlich lebendig und der Film läuft.
Ob man dann will oder nicht, man blickt auf ihre Goldzähne, die es nirgendwo öfter gibt als in Zentralasien. Im Vertrauen erzählte mir ein Usbeke, dass die nicht bloß Ersatz schlechter Zähne sind, sondern sich viele sogar gesunde Zähne dafür abschleifen lassen. Ein Statussymbol, eine Anlage, ein Schönheitsideal. Und wenn dann eine der Damen einen angrinst und man sich mühsam zum Austausch der Namen und der Herkunftsstädte vortastet, und sie dann um ein gemeinsames Foto bittet, dann weiß man gar nicht mehr wirklich, für wen der Film in Khiva gerade läuft.
Top 3
Nicht verpassen: Jedenfalls sollte man den „Khiva Khans Harem“ ansehen – interessant und bedrückend
Essen: Das Terrassa beim alten Hauptplatz vor dem Kunya-Ark gehört einem sehr gut Deutsch sprechenden Usbeken und bietet perfekte Abendstimmung über den Dächern der Altstadt, terrassa-cafe.com
Wohnen: Außerhalb der Altstadt ist es ruhiger, direkt vor dem Westtor liegt das gute „Hotel Old Khiva“