Kapstadt, das Mekka für Millennials
Von Julia Pfligl
Das Tolle am Reisen ist ja, dass es einem hie und da einen Spiegel vorhält. Der Satz „Jetzt leg’ endlich ’mal das Handy weg!“ zum Beispiel kann einem daheim noch so oft um die Ohren fliegen, richtig ernst nimmt man ihn nicht. Und dann sitzt man eines Tages Tausende Kilometer entfernt mit einer Gruppe anderer „Millennials“ (das sind die, die in etwa zwischen 1980 und 1995 geboren wurden) in einem Safari-Jeep, fährt vorbei an Baby-Nashörnern und schlafenden Löwen und möchte den Handy-Satz am liebsten inbrünstig durch die Savanne brüllen.
Aber dazu später.
Kapstadt also. Oma und Opa reagieren ob des auserkorenen Reiseziels verwirrt bis panisch, Gleichaltrige mit einer Mischung aus Neid und Begeisterung: Die Stadt am südwestlichen Zipfel des afrikanischen Kontinents hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Liebling der reisefreudigen Instagram-Generation gemausert – die ideale Kombination aus Städtetrip und Badeurlaub, zeitgeschichtlicher Relevanz und unbekümmerter Hipsterszene, Fernreise-Feeling und europäischen Standards. Das alles ohne Jetlag (nur eine Stunde Zeitverschiebung) und zu überraschend günstigen Preisen (noch?). Kurzum: jede Menge Motive, die nur darauf warten, in Abertausenden Instagram-Feeds verewigt zu werden.
Sonne, Strand und Avocado
Nicht lachen: Vor zwei Jahren kam in einer britischen Studie heraus, dass Millennials ihren Urlaubsort in erster Linie nach dessen „Instagrammability“, also der Möglichkeit für gute Insta-Bilder, auswählen. Kapstadt, die „Mother City“, ist fast schon lächerlich fotogen. Ringsum der wilde Atlantik, in der Mitte ein eigenwilliges Bergpanorama, dominiert vom abgeflachten Tafelberg und dem spitzen Lion’s Head. Sonnenuntergänge zum Niederknien (Geheimtipp: der unaussprechliche Llandudno Beach), Avocadotoasts zum Reinlegen, Küstenstraßen zum Staunen und Strände, die viel zu schön sind für eine Großstadt.
Camps Bay, das Nobelviertel im Westen, erinnert mit seiner Strandpromenade und den täglichen Sunset-Partys an Ibiza oder Miami Beach. Am Strand werfen sich langbeinige Influencerinnen in Pose, während Fußballidol Jürgen Klopp im legendären Café Caprice an einem Sundowner nippt. Rein gar nichts deutet darauf hin, dass wenige Kilometer weiter Kinder in Wellblechhütten wohnen. Die Townships sind ein wichtiger Teil Kapstadts, der in der gefilterten Insta-Welt wenig bis keinen Platz findet.
Weil sich Farben im sozialen Medium des Vertrauens besonders gut machen, pilgern viele junge Menschen nach Muizenberg (sprich „Mjusnbörg“): Der Surfer-Vorort ist hauptsächlich für seine kunterbunten Strandhäuschen bekannt, die während der Apartheid der weißen Bevölkerung vorbehalten waren. Oder nach Bo-Kaap, dem Uralt-Viertel der muslimischen Kapmalaien, wo sich schmale Gassen den Hügel hinaufschlängeln und jedes Häuschen in einer anderen, grellbunten Farbe leuchtet.
Der Foto-Wahnsinn erreicht seinen Höhepunkt an markanten Punkten wie dem Gipfel des Tafelbergs (per Seilbahn für jedermann erklimmbar) und dem Schild am Kap der guten Hoffnung, welches den südwestlichsten Punkt Afrikas markiert. Hier stehen die Leute Schlange, um ein Foto zu machen, alle exakt das gleiche. Je länger man wartet, desto absurder erscheint einem die Situation.
Selfie-Irrsinn in der Wildnis
Dann wären da noch die Tiere, natürlich. War man überhaupt wirklich in Südafrika, wenn man kein Selfie mit Elefant oder Pinguin im Hintergrund ins Netz geschossen hat? Eben.Das mit den Pinguinen ist einfach, man muss nur an den Boulders Beach am Beginn der Kap-Halbinsel fahren, wo an die zweitausend Tiere herumwatscheln und geduldig für Selfies posieren.
Fehlen noch Elefant, Nashorn, Nilpferd, Löwe, Zebra, Gepard. Weil ein Besuch im Kruger National Park einen Inlandsflug nach Johannesburg erfordern würde, entscheiden sich viele Millennials für eine zweitägige, „zahmere“ Safari, die in wenigen Autostunden von Kapstadt aus erreichbar ist. Die komfortable Garden Route Game Lodge etwa wartet mit Luxus-Chalets und Infinity-Pool auf und ist auch für Berufseinsteiger leistbar. Am Abend startet der Landrover zur Beobachtungsfahrt, die Sonne geht unter und Rancher Abby erzählt herzzerreißende Geschichten über die Nashornjagd.
Zumindest versucht er es. Seine Gruppe, zehn Mittzwanziger aus Deutschland und Österreich, interessiert sich nur bedingt für den zoologischen Exkurs des Wildtierhüters. „Schaatz, noch ein Selfie mit dem Zebra, schnell!“, kreischt hektisch die junge Deutsche, die sich für die Fahrt extra ins beige-grüne Tarnoutfit geworfen hat. Eine andere hält ihr Smartphone permanent aus dem Wagen, um jede Sekunde in ihrer Insta-Story festzuhalten. Ihre Freundin lässt sich so oft aus dem Jeep blickend fotografieren, bis die Frisur sitzt. Hashtag: #africalove.
Wie hält Rancher Abby den Foto-Irrsinn der Millennials aus? Er blickt versonnen in die Ferne, wo die Nilpferde gerade ihr abendliches Bad nehmen. Um die Schönheit Südafrikas zu genießen, braucht man keinen Foto-Filter.
Info
Anreise
Austrian Airlines fliegt mehrmals pro Woche ab
609 Euro direkt von Wien
nach Kapstadt. austrian.com
Für klimaneutrales Reisen beträgt die -Kompensation auf der Strecke 53,54 Euro (via climateaustria.at)
Reisezeit
Im Winter (Mai bis September) ist es kühl und feucht, im Sommer (Dezember bis Februar) warm und trocken – das ist auch die Hochsaison. Angenehm sind Oktober und November (Frühling) beziehungsweise März und April (Herbst)
Währung
10 Südafrikanische Rand = 0,62 Euro
Sicherheit
Die Touristenviertel wie zum Beispiel Sea Point, Green Point, Clifton, Camps Bay, Gardens, Tamboerskloof, Oranjezicht und De Waterkant sind relativ sicher. Immer Uber oder Taxi fahren, abends nicht alleine draußen warten