Dresden, die Stadt der „Gaffeesachsen“ und "Eierschecken“
Von Maria Gurmann
Nicht geschichtliche Details, die in jedem Reiseführer nachzulesen sind, sondern die Gschichtln mit Geschichte, die Menschen eines Landes erzählen, machen Entdeckungsreisen so unvergesslich. Wie die Erzählungen des Historikers und Gästeführers Alexander Klein, der im Westen Deutschlands geboren wurde, im Osten gelandet ist und seine zweite Heimat fast besser kennt als so mancher Dresdner. Oder Michael Wippler, der Sachse und Meisterbäcker aus Leidenschaft, wenn er von seinem Original Dresdner Christstollen oder dem Geheimrezept seiner köstlichen Süßspeise, der Eierschecke, erzählt.
1,8 Tonnen wog der gewaltige Christstollen, den August der Starke – von ihm wird Klein noch einige illustre Geschichten erzählen – beim Lustlager von Zeithain 1730 servierte. Wippler kennt seinen Original Dresdner Christstollen blind. „Geben Sie zehn Köchen die gleichen Zutaten und sie werden zehn Mal verschieden schmecken. Es kommt auf das Handling, die Ruhe- und die Backzeiten an“, sagt der Präsident der Bäcker. Es gibt ein Grundrezept für den Stollen und genaue Regeln, was nicht drin sein darf und was mindestens im Stollen sein muss. Verboten sind Margarine, künstliche Aromen und Zusatzstoffe. Wippler: „Der Dresdner Christstollen ist Kulturgeschichte, gelebte Leidenschaft.“ Und was trinkt der „Gaffeesachse“ – Kaffeesachsen, werden die Bewohner Sachsens im Volksmund genannt – zur Traditionsbackware? Filterkaffee. Für uns Wiener undenkbar.
Das verpatzte Jubiläumsjahr 2020
Zu Fuß lässt sich die Kunst- und Kulturstadt mit dem Zwinger, dem Residenzschloss, der Brühlschen Terrasse und der Semperoper leicht erkunden. 2020 sollte ein großes Festjahr für Dresden werden. Den 350. Geburtstag von August dem Starken wollte man gebührend feiern. Vom Mythos des lebenslustigen Herrschers und Kunstsammlers lebt die Stadt. Mit siebzehn Jahren begann er Kunst zu sammeln. Mit 52 Jahren ließ er seine Gemälde inventarisieren. Die Zählung dauerte sechs Jahre und ergab 3.592 Gemälde. Alexander Klein erklärt, warum der Fürst von Sachsen und König von Polen der Starke genannt wird: „August habe ein Hufeisen mit eigenen Händen in zwei Teile zerbrochen. Der Fürst ließ sich als Herkules feiern und dieses Ereignis urkundlich verbriefen. Die Zeugen: seine Diener.“
In der berühmten Semperoper, die am Ende des Zweiten Weltkriegs bis auf die Grundmauern abgebrannt ist und in der DDR-Zeit wieder originalgetreu aufgebaut wurde, sind es die kleinen Anekdoten Kleins, die den Rundgang so lebendig machen. „Die Loge vom letzten König von Sachsen, Friedrich August der Dritte, hier oben. Beim Anfangsapplaus hat er noch fest geklatscht, dann wurde der Vorhang zugezogen, er ging in die nächste Kneipe und zehn Minuten, bevor die Vorstellung zu Ende war, holten ihn seine Pagen für den Schlussapplaus.“
Im Rundfoyer klopft der Stadtführer augenzwinkernd auf die Säulen. „Das sieht aus wie echter Marmor, ist aber bemalter Gips. Typisch Theater, der Schein ist wichtiger als das Sein. Wenn Don Giovanni schon ein paar Schluck mehr auf der Bühne trinkt, ist es ja auch nur Apfelschorle.“
Eine Apfelschorle tut auch nach dem Aufstieg zur Kuppel der Frauenkirche gut. Mehr als 400 Stufen sind es. In einer Höhe von neunundzwanzig Metern der erste herrliche Blick auf die Innenkuppel, dann über die 162 Meter lange Wendelrampe und zum Schluss noch die Wendeltreppe zur Aussichtsplattform hinauf. Belohnt wird man mit einem 360-Grad-Wow-Erlebnis. Ein Panoramablick vom Rathaus, über die Augustusbrücke bis zu den Prachtbauten entlang der Elbe. Dazwischen die Kuppel der Kunstakademie, die von den Dresdnern Zitronenpresse genannt wird, weil sie genauso aussieht.
Und endlos der Weitblick entlang der Elbe, gesäumt von Spazier- und Radwegen, breiten Grünflächen, als wär’s die Donauinsel. Nur, dass in Wien die vielen Schlösser mit den Weinhängen am Wegesrand fehlen.
Eine Radtour entlang des Ufers auf dem Elbradweg, vorbei am Lingnerschloss, an Schloss Albrechtsberg und Schloss Eckberg, über die Brücke Blaues Wunder und zurück zum Rosengarten ist ein gemütlicher Abschluss dieses Städtetrips nach Dresden.
Sehenswert
Christstollen und Eierschecke Berühmt ist die Stadt für den Christstollen, der nur dann original ist, wenn er vom Schutzverband Dresdner Stollen zertifiziert ist. Michael Wippler, Präsident des Deutschen Bäckerhandwerks, serviert in seiner Konditorei nicht nur Christstollen, sondern eine der besten Eierschecken, aus Hefeteig mit Topfen, einer Topfenschicht und Eier-Puddingmischung – heikel wie Salzburger Nockerln. baeckerei-wippler.de
Blaues Wunder ist der inoffizielle Name der Loschwitzer Brücke. Sie gilt als eines der Wahrzeichen von Dresden. Und gleich ums Eck kann man beim Konditor Wippler die hausgemachten Mehlspeisen verkosten.
Meißener Porzellan Der Fürstenzug in Dresden ist ein überlebensgroßes Bild eines Reiterzuges aus dem Jahr 1907. 25.000 Fliesen aus Meißener Porzellan wurden aufgetragen. Das Porzellanbild ist 102 Meter lang und das größte Bild dieser Art weltweit. Es stellt die Ahnengalerie der zwischen 1127 und 1873 in Sachsen herrschenden 34 Markgrafen, Herzöge, Kurfürsten und Könige dar. Glücklicherweise überstand der Fürstenzug die Luftangriffe auf Dresden am Ende des Zweiten Weltkriegs unbeschadet.
Info
Klimafreundliche Anreise Mit dem railjet von Wien Hbf in 6 Std. 40 Min., oebb.at
Hotel Vienna House QF Dresden, modernes, elegantes Boutiquehotel, perfekte Lage direkt an der Frauenkirche am Neumarkt, im Herzen der barocken Altstadt. Von hier erreicht man alle Sehenswürdigkeiten zu Fuß oder mit dem Rad. Unbedingt am Abend die Rooftopbar besuchen – toller Ausblick.
Stadtführung Maßgeschneidert mit Alexander Klein, dresdenbesonders.de
Radtour Individuelle Rad- und Wanderreisen mit Gepäcktransport: z. B. von Dresden nach Prag, 7 Tg., ab 515 €/P, corso-reisen.de
Essen Restaurant Elements und das Bistro Deli von Sternekoch Stefan Mießner in dem ehemaligen Industriegelände „Die Zeitenströmung“.
Auskunft visit-dresden.travel, germany.travel