Leben/Mode & Beauty

Wie Lagerfeld ohne Ausbildung zum größten Designer wurde

Karl Lagerfeld war vieles. Oberflächlich, zynisch, gemein, kreativ, selbstverliebt..., die Langeweile hingegen hatte er aus seinem Repertoire verbannt. Die Koketterie, mit der er seine öffentlichen Auftritte bestritt, suchte stets ihresgleichen. Wie ein entrückter Prinz beschäftigte der Modedesigner etwa zwei Kindermädchen für seine Birma-Katze Choupette, die – das versteht sich – auf dem Tisch ihr Mahl einnahm.

Bloß nie langweilig sein

Die Fähigkeit, Dekadenz in dekorative Teile zu zerlegen, wurde dem Sohn eines wohlhabenden Dosenmilchfabrikanten in die Wiege gelegt. Bloß nie langweilig sein, bläute ihm die Mutter ein. Wenn sie eine Frage hatte, musste wie aus der Pistole geschossen eine originelle Antwort kommen. „Wenn ich zehn Minuten später eine lustige Erwiderung parat hatte, bekam ich eine Ohrfeige“, erzählte er bei einem Publikumsgespräch im Jahr 2013.

Getrimmt auf Exzentrik

Seine Kindheit fand er wenig überraschend furchtbar. Aber: Die Mutter trimmte ihn nachhaltig auf Exzentrik und prägte seinen starken Hang zu Äußerlichkeiten, der ihn später für die Mode prädestinierte. Als er etwa mit 14 zu rauchen beginnen wollte, tadelte sie ihn, er habe dafür zu hässliche Hände – leidenschaftlich kaschierte er noch in hohem Alter alles, was auf Vergänglichkeit hindeutete: Die Augen hinter dunklen Gläsern, der Hals hinter hohen Vatermörder-Krägen, die Hände stets in Handschuhen versteckt. Lagerfeld war mit allem im Reinen, nur nicht mit dem eigenen körperlichen Zustand.

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Auf nach Paris

Geboren wurde der spätere Modekaiser in Hamburg, über das Geburtsjahr ranken sich Mythen: Zur Auswahl stehen die Jahre 1933, 1935 (das wahrscheinlichste) und 1938. Der kulturellen Enge Nachkriegsdeutschlands entkam der gebürtige Hamburger schon als Teenager via Paris. Auch hier hatte die Mutter ihre Hand im Spiel und riet ihm zu der Übersiedelung. Formal ohne entsprechende Ausbildung, enterte er mit 18 einen Modewettbewerb und landete im Haus von Pierre Balmain. Später arbeitete er bei Chloé. Bald danach gehörte auch Rom zu seinen Wirkstätten – seit 1965 verantwortete Lagerfeld das Damenmode-Label Fendi, was er bis zuletzt tat.

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Zum Giganten geformt

Sein Hauptvermächtnis ist und bleibt aber die Wiederbelebung des Luxuslabels Chanel, dem nach dem Tod der Gründerin Coco Chanel im Jahr 1971 langsam den Weg in die drohende Bedeutunglosigkeit antrat. 1983 übernahm Lagerfeld das Ruder und formte die Modefirma mit dem aus zwei verschlungenen C’s geformten Signet zu einem Giganten im Fashiongeschäft.

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Wegweisend für das Design

Er entwarf dabei auch den Typus moderner Modedesigner, die eine bedeutsame Marke übernehmen, mit dem Zeitgeist aufladen und hip halten. Um vor dem Erbe Coco Chanels nicht vor Ehrfurcht zu erstarren, brauchte es zunächst eine gehörige Portion Kaltschnäuzigkeit, über die Lagerfeld stets verfügte: „Respekt ist nicht kreativ“, erklärte er dem New York Magazine zu dem Thema: „Chanel ist eine Institution. Man muss eine Institution wie eine Hure behandeln, dann bekommt man auch etwas von ihr.“ Das Label ernannte ihn zum Kreativdirektor auf Lebenszeit. Er dankte es Chanel mit Umsätzen von kolportierten vier Milliarden Euro pro Jahr.

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Die Bonmots von Lagerfeld sind legendär und oft am Rande des guten Geschmacks. Zum geflügelten Wort geriet etwa seine Feststellung, wer Jogginghosen trage, habe die Kontrolle über sein Leben verloren. Über die Nachhaltigkeit solcher Urteile legte er selbst Zeugnis ab, als er angesichts des allgegenwärtigen Streetwear-Trends seine Models mit Sneakers aufmarschieren ließ.

Lagerfeld war rastlos, verantwortete durchschnittlich 14 Kollektionen pro Jahr, darunter die höchst aufwändigen Haute Couture-Schauen von Chanel, bei denen in feinster Handarbeit aufwändige Roben für einen kleinen Kreis auserlesener internationaler Jetsetterinen gefertigt werden. Daneben widmete er sich der Fotografie und schoss gleich viele seiner Kampagnen selbst.

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Sammler durch Epochen

Außerdem betätigte Lagerfeld sich als Sammler und tauchte tief in Epochen ein , die ihn beschäftigten. Von Bauhaus bis Jugendstil kuratierte er sorgfältig seine jeweiligen Sammlungen, bevor er sie recht unsentimental versteigerte.

Daneben besaß er rund 300.000 Bücher und schien aus dem Gedächtnis sagen zu können, ob er eines schon besitze oder noch nicht.

Gastspiel in Wien

Mit Wien verband ihn ein kurzes Gastspiel kurz vor dem Beginn seines größten Triumphes mit Chanel: 1980 bis 1984 war Lagerfeld Gastprofessor der Modeklasse an der Universität für angewandte Kunst.

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Nach 36 Jahren als Kreativdirektor gab Chanel am Dienstag das Ableben von Lagerfeld bekannt. Seine langjährige enge Mitarbeiterin Virginie Viard übernimmt nun Chanel. Bereits im Jänner hatte sie ihn vertreten. Damals galt der Modezar als erschöpft und die Fashionwelt war in großer Sorge. Sein Vermächtnis bleibt.

Lagerfelds Lieblinge: Die Musen des Modezaren

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