Leben/Gesellschaft

„Parental Burnout“: Warum Eltern jetzt mehr Hilfe brauchen

Beratungsangebot. Die Hotline Rat auf Draht 147 ist für Kinder und Jugendliche gedacht, doch in letzter Zeit stiegen die Anrufe verzweifelter Eltern deutlich an, berichtet Beraterin Corinna Harles: „Anfangs wollten sie über die Probleme ihrer Kinder reden, aber es geht immer mehr auch um sie selbst. Sie sind ausgelaugt.“ Daher bietet Rat auf Draht ab sofort Online-Elternberatung unter www.elternseite.at an.

Das Hin und Her mit den Lockdowns raubt manchen Eltern den Rest ihrer Energie. Nonstop zuhause mit Kindern, ständig Aufgaben begleiten, kochen, aufräumen, bespielen, streiten. Sie haben genug. „Ich liebe meine Kinder. Aber ich halte sie nicht mehr aus“, schreibt eine Mutter in den Sozialen Medien. Dieses Gefühl hat einen Namen: „parental burnout“ (Eltern im Burnout).

Der Begriff wurde ursprünglich für Familien mit beeinträchtigen Kindern verwendet, aber jetzt zeigt sich das Problem verbreitet, sagt Psychologin Caroline Culen: „Es geht hier um das Gefühl der Erschöpfung, ganz besonders mit den Verpflichtungen in der Familie. Derzeit sind Eltern 24 Stunden in parallelen Rollen im Einsatz: Beruf, Kinderbetreuung, Haushalt und als Lehrer. Und sie müssen auf die Motivation für alle schauen. Da kommt ihre eigene zu kurz“, so die vierfache Mutter.

Die neuen Entwicklungen zeigen, dass die Erwartung für 2021 enttäuscht werden. „Das Prinzip Hoffnung und eine Selbstwirksamkeit sind wichtig für die psychische Gesundheit. Aber viele fühlen sich jetzt hilflos.“

Jetzt rauben ihnen sogar scheinbar banale Frustrationen wie das Kochen die Nerven. „Mir gehen die Ideen fürs Essen aus“, liest man derzeit, und „Mich nervt sogar schon das Take-Away-Essen. Mich nervt alles.“

Eine neue Studie zeigt, was bei der Pandemie zentral ist, erklärt Psychologe Stefan Höfer (Uni Innsbruck): „Psychische Flexibilität hilft, mit der gegenwärtigen Situation umzugehen und handlungsfähig zu bleiben“. Dies äußere sich dadurch, dass Menschen trotz schwieriger Umstände noch ein 'Gefühl der Kontrolle' hätten, erklärt der Glücksforscher - und dass Österreicher im internationalen Vergleich bisher gut abschneiden.

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Dieses Gefühl von Kontrolle verlieren Eltern jetzt zunehmend: Vor allem die Rolle als Lehrer überfordert viele. Während manche Eltern sogar an Volksschulaufgaben kiefeln, scheitern die meisten spätestens bei Mathematik oder Fremdsprachen in der Mittelschule. Und viele fühlen sich in der Rolle des Lehrpersonals sowieso gar nicht wohl. Doch ohne Hilfe der Eltern geht es selten, nur ein Drittel Oberstufenschüler schafft die Aufgaben komplett ohne Unterstützung der Eltern, zeigte eine Umfrage Burgenland. 15 Prozent helfen ihrem Nachwuchs täglich beim Lernen. Noch mehr sind Eltern von jüngeren Kindern im Einsatz und im Stress.

„Schule war immer ein Belastungsfaktor für Familien, aber jetzt dominiert das Homeschooling den Tag. Das wirke sich auf die Familienbeziehungen aus, so Culen: “Es ist etwas anderes, wenn ein Lehrer etwas sagt oder kritisiert oder Eltern. Dazu kommt die Angst um den Bildungsverlust, die Eltern und Jugendliche belastet. “Es geht schon fast ein Jahr so und es ist keine Verbesserung in Sicht“, so Culen.

So hat jede Altersgruppe ihre eigenen Herausforderungen, bringt es eine gestresste Mutter von drei Kindern in der Volksschule und im Gymnasium auf den Punkt: “Meine Kleinen haben wenigstens nicht die Zukunftsängste der Großen.„ Für manche ist es noch schwieriger, so Culen: “Alleinerzieherinnen, Eltern in prekären Verhältnissen oder ohne soziale Einbindung und oft für Familien von Einzelkindern.“

Woran erkennt man die Grenze zwischen normaler Erschöpfung und Burnout? Culen: “Den Begriff gibt es als Krankheit nicht, das ist entweder eine Depression oder eine Angst. Jedenfalls eine akute Überforderungssituation.“ Doch alles, was man sonst bei Burnout-Patienten rate, sei hier kaum möglich: beruflich leiser treten, Überforderung abbauen, Hilfsangebote annehmen.“ Eltern - vor allem Mütter - kommen gar nicht mehr aus ihrer Rolle heraus, indem sie sich etwa einen Abend mit Freunden oder Freundinnen treffen oder mit dem Partner ausgehen und den Alltag hinter sich lassen.

Daher ist das „parental burnout“ so schwierig, so Culen: „Es gibt keine Alternative. Man kann den Job als Eltern nicht kündigen.“