Reis: Das Korn der Welt hat eine unglaubliche Vielfalt
Von Oliver Scheiber
Reis als Kulturpflanze hat eine jahrtausendealte Tradition. Funden zufolge wurde er in China bereits vor rund 10.000 Jahren angebaut. Von hier aus gelangte er im Laufe der Zeit nach Japan, Korea, Indien und Südostasien. Etwa gegen 400 v. Chr. wurde Reis auch in Mesopotamien (dem heutigen Syrien/Irak) angebaut, von wo aus er die gesamte Mittelmeerregion und schließlich den Rest der Welt eroberte.
Weltweit gibt es rund 120.000 Reissorten. Davon werden über 10.000 kultiviert. Reis ist wie Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Hirse und Mais ein Getreide und gehört zur Familie der Süßgräser. Heute stellt er für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung das Hauptnahrungsmittel dar. In der weltweiten Getreideproduktion liegt Reis hinter Mais und Weizen an dritter Stelle.
Verschiedene Reissorten
Asiatischer Reis
Was wir landläufig unter Reis verstehen, sind in erster Linie die Getreidekörner der Pflanzenart Oryza sativa (asiatischer Reis). In weitaus kleineren Mengen wird noch Oryza glaberrima (afrikanischer Reis) kultiviert. Von den insgesamt 19 Arten wird nur aus diesen zwei das Lebensmittel Reis erzeugt. Beim Kulturreis wird noch einmal zwischen Langkorn-, Rundkorn- und Mittelkornreis unterschieden, wobei Mittelkorn- eine Unterform des Rundkornreises ist. Langkornreis (Oryza sativa ssp. Indica) bezeichnet Reissorten mit einer länglichen Form, deren Körner 6 bis 8 Millimeter lang sind. Gekocht bleiben sie locker und körnig, weil sie weniger Amylopektin (lösliche Stärke) haben. Langkornreissorten sind etwa Jasmin, Basmati, schwarzer Naturreis oder der aus dem Iran stammende Sadri, der als bester Reis der Welt gilt.
Zum Rundkornreis (Oryza sativa ssp. Japonica) zählen Reissorten mit einer rundlichen bis ovalen Form, deren Körner kürzer als 5 Millimeter sind. Mittelkornreis (Oryza sativa ssp. Javanica) hat eine ähnliche Form, ist aber 5,2 bis 6 Millimeter lang. Da Rundkornreis mehr Amylopektin hat, klebt dieser auch besser. Zu den bekanntesten Rund- bzw. Mittelkornreissorten zählen etwa Risotto-Reis wie Arborio, Vialone und Carnaroli, Sushireis, der spanische Paellareis Bomba oder roter Naturreis.
Der asiatische Reis wird insbesondere in China, Indien und Südostasien angebaut. Mehr als 95 Prozent des Ertrages wird im asiatischen Raum erbracht. Zudem finden sich in Europa kleine Reis-Anbaugebiete, etwa in Italien, Portugal, Spanien und mittlerweile auch in Österreich, im burgenländischen Seewinkel, und in der Schweiz.
Reis ist nicht gleich Reis
Was die Verarbeitung von Reis betrifft, unterscheidet man drei Arten: weißen, braunen (auch Natur oder Vollkornreis genannt) und Wildreis, der aber eigentlich gar kein Reis ist. Wildreis gehört zwar auch zu den Süßgräsern, aber zur Gattung Wasserreis (Zizania). „Weißer Reis ist immer poliert, das heißt, es fehlen die äußeren Schichten. Aber gerade in diesen Außenschichten sind hauptsächlich die Vitamine und die Ballsstoffe vorhanden, die zur Gesundheit im Körper beitragen“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Astrid Draxler. Zwischen weißem und Natureis angesiedelt ist Parboiled Reis, was für „partially boiled“, also teilweise gekocht, steht. Dabei wird der Naturreis zunächst eingeweicht und anschließend mit Wasserdampf und Druck behandelt, bevor er getrocknet, geschält und poliert wird. Mithilfe des heißen Wasserdampfes wird ein großer Teil der Vitamine und Mineralstoffe aus der Schale in das Reiskorn hineingepresst wird. So ist Parboiled Reis ernährungsphysiologisch etwas wertvoller als herkömmlich geschälter Reis. „Trotzdem ist Vollkornreis zu bevorzugen, da er wesentlich gesünder als der weiße Reis ist“, sagt Draxler.
Beim Kauf sollte man unbedingt auf die Herkunft achten, da Reis durch seine Anbaumethode im Wasser eine hohe Arsenbelastung aufweisen kann. Im Naturreis kann dabei sogar noch mehr enthalten sein. „Daher den Reis unbedingt immer waschen, das Waschwasser wegleeren und eventuell noch ein zweites Mal waschen“, empfiehlt die Ernährungswissenschaftlerin. Vom Gesundheitsfaktor ist brauner Reis natürlich gesünder als der weiße. „Hier verhält es sich ähnlich wie bei weißem Mehl und Vollkornmehl, es ist immer gesünder, wenn die Schale dabei ist“, sagt Draxler. Reis enthält wichtige Nährstoffe, wie Kohlenhydrate, wenig Eiweiß und Fett, relativ viel Kalium, essenzielle Aminosäuren und B-Vitamine. Diese sind allerdings nur im Naturreis. „Brauner Reis wirkt aufgrund der langkettigen Kohlenhydrate und der Ballaststoffe auch gut gegen Heißhunger-Attacken. Das Sättigungsgefühl hält länger an, weil der Körper wesentlich länger braucht, um die komplexen Kohlenhydrate abzubauen“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin.
Heilmittel
In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) wird Reis nicht nur als Lebensmittel, sondern auch als Heilmittel angesehen. Er wird eingesetzt, um die Verdauung zu fördern, den Blutdruck zu senken, das Herz zu entlasten und den Körper zu entwässern.
Wie gesund oder ungesund ist eigentlich der klassische weiße Reis aus dem Supermarkt? „Die Dosis macht das Gift. Er ist sicher nicht schädlich, wenn man ihn nicht täglich isst. Doch eine Ernährung nur mit weißem Reis würde zu einem Nährstoffmangel führen. Das ist vor allem im asiatischen Raum, wo vorwiegend polierter weißer Reis gegessen wird, durchaus ein Problem“, sagt Draxler. Viele Asiaten leiden an der Beriberi-Krankheit, die durch Vitamin-B1-Mangel entsteht und zu Störungen der Nerven, der Muskulatur und des Herz-Kreislauf-Systems führen kann. Um das gesundheitliche Potenzial von Reis besser ausnützen zu können, rät Draxler daher zu einem sanften Umstieg. „Im ersten Schritt kann man einfach einmal die Reissorten mischen, aber wegen der unterschiedlichen Kochzeiten unbedingt extra kochen.“
Der Risolier
Sein Leben ganz und gar dem Reis verschrieben hat Stefan Fak. Der gebürtige Wiener hat in Vietnam seine Liebe zu ihm entdeckt. Er nennt sich selbst „Risolier“ und bietet mit seinem Unternehmen Lotao außergewöhnliche Spitzenreissorten an. Darunter befinden sich so spezielle Sachen wie der „Curcuma Sun Reis“, der sich beim Kochen golden verfärbt, der „Glam Wedding Pink“, ein pinker Basmati-Reis, der mit Bio-Extrakten versetzt wird und dadurch eine fruchtig-blumige Note bekommt oder der „Royal Pearl Black“, ein schwarzes, proteinreiches Korn, das ursprünglich chinesischen Herrscherdynastien vorbehalten war. „Mir geht es darum, mich vor dem Reiskorn zu verbeugen. Es gibt schließlich mehr als den Kochbeutel“, sagt Fak.
Daten und Fakten zum Reis
5 Kilogramm Reis isst der Österreicher durchschnittlich im Jahr. Zum Vergleich: In China essen die Menschen 80 bis 150 kg.
19 Arten gibt es, wobei lediglich zwei als Lebensmittel angebaut werden: Oryza sativa (asiatischer Reis) und Oryza glaberrima (afrikanischer Reis).Von diesen zwei werden über 10.000 Sorten kultiviert. Bei allen anderen Arten handelt es sich um wilden Reis. Insgesamt gibt es rund 120.000 Sorten.
76 Prozent des Reises ist Stärke, 7 bis 8 Prozent Eiweiß, der Rest Fett, Mineralstoffe bzw. Spurenelemente.
500 Millionen Tonnen werden im Erntejahr 2018/2019 weltweit geerntet, rund die Hälfte davon in China.
3000 Früchte kann eine einzelne Reispflanze tragen. Kulturreis kann bis zu 30 Halme ausbilden. Diese sind 50 bis 160 cm hoch und tragen eine schmale überhängende Rispe (bis zu 50 cm lang), die 80 bis 100 Körner enthalten kann.
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