Löwenzahn - viel mehr als nur ein Unkraut
Von Ingrid Teufl
Wenn nach dem Winter gebückte Menschen über die frisch-grünen Wiesen und Hänge der Gemeinde Partschins bei Meran ziehen, ist eines gewiss: Der Frühling ist da. Dann lebt nämlich die alljährliche Südtiroler Tradition des „Zigoristechns“ wieder auf: Die Bäuerinnen stechen mit kleinen, spitzen Messern Löwenzahnpflanzen samt Wurzeln aus der Erde und sammeln sie in Körben.
Vor allem jenen Pflanzen, die zu Frühlingsbeginn geerntet werden, wird besondere Energie zugeschrieben. Und die steckt auch in den Wurzeln, weshalb diese nicht minder geschätzt werden. Blätter, Stengel und Wurzeln werden dann klein geschnitten und zum traditionellen Zigori-Salat verarbeitet.
Röhrlsalat
Was den Südtirolern ihr Zigori-Salat ist, ist den Steirern der Röhrlsalat. Dass es für die oft als Unkraut verschriene Pflanze verschiedenste Namen gibt, weist deutlich auf ihre Verbreitung hin. Ihren offiziellen Namen brachten ihr ihre scharf gezahnten Blätter ein – sie erinnern an die Zähne eines Löwen. Aber auch als Heilkraut, etwa in Form von Tee, ist Löwenzahn häufig Bestandteil von Frühlingskuren. Durch die enthaltenen Bitterstoffe wird ebenso die Verdauung angeregt – perfekt für leichte Frühlingsküche.
Neben dem allseits beliebten Löwenzahn-Honig eignet sich die Pflanze hervorragend als Pesto oder Fülle. Als Hingucker auf jeder Antipasti-Platte empfehlen die Partschiner Wirte Löwenzahn-Kapern. Dafür Apfelessig und Wasser (je 100 ml) mit etwas Salz aufkochen, zwei Hände voll gewaschene Löwenzahn-Knospen kurz mitköcheln lassen. Herausnehmen, in ein Einmachglas geben und mit dem heißen Sud auffüllen. Gut verschlossen zwei Wochen kühl und dunkel aufbewahren. Dann entfaltet sich der Geschmack am besten, entweder wie Kapern bei Vitello tonnato verwenden oder pur auf geröstetem Brot mit Olivenöl verspeisen.
Zigori und Zichorie
Die Südtiroler Löwenzahn-Bezeichnung erinnert übrigens nicht zufällig an Zichorien. Da besteht schon eine gewisse Verwandtschaft zwischen den Pflanzen. Manche Zichorien-Sorten wie die Catalogna sehen dem groß gewachsenen Löwen „zum Verwechseln ähnlich“, weiß man beim Biohof Adamah. Und da überrascht es nicht, wenn Karin Thaler vom Tourismusverband Partschins erzählt, dass es in der Region üblich sei, noch mehr aus dem Löwenzahn herauszuholen, als nur die Blätter zu verwenden.
„Früher verwendeten die Südtiroler Bauern getrocknete Löwenzahnwurzeln als Kaffee-Ersatz, bekannt als ‚Muggefugg‘ in Südtirol. Dazu haben sie die Wurzeln nach dem Trocknen geröstet und gemahlen.“ Und Zichorien-Kaffee, der einstige Kaffee-Ersatz aus dem Zweiten Weltkrieg, ist zuletzt wieder hip geworden. Vielleicht erlebt auch das Heißgetränk aus der Löwenzahnwurzel außerhalb Südtirols einen Aufschwung.
Rezept
Zigori-Tortelli
Vorbereitung: 50 min
Zubereitung: 10 min
Portionen: 4
Für den Nudelteig
400 g Hartweizenmehl ersatzweise doppelgriffiges Mehl
3 Eier, 200 g Spinat blanchiert, abgeschreckt und abgetropft
Für die Fülle
150 g Löwenzahn
3 Schalotten fein gehackt, 1 EL Butter
300 g Topfen ,150 g Parmesan gerieben
Salz, Pfeffer, Muskatnuss
Dekoration
50 g Bauchspeck gewürfelt
50 g Parmesankäse gehobelt und gerieben
Schnittlauch, 4 EL braune Butter, essbare Blüten
Spinat mit den Eiern fein mixen und mit dem Mehl zehn Minuten zu einem festen und kompakten Teig kneten. 30 Minuten im Kühlschrank ruhen lassen
Schalotten mit Butter anrösten. Löwenzahn zugeben und mitrösten. Abkühlen lassen und mit dem Mixer fein pürieren. Topfen und Parmesan gut vermengen, mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss würzen.
Nudelteig dünn ausrollen und Kreise ausstechen. Einen Löffel Fülle in die Mitte geben, Rand mit Wasser benetzen, dann mit einem zweiten runden Teigblatt belegen und die Ränder gut andrücken. Die Tortelli in Salzwasser kochen.
Bauchspeck in einer heißen Pfanne auslassen. Tortelli auf Tellern verteilen, mit Bauchspeck, brauner Butter, Parmesan, Schnittlauch und Blüten bestreuen.
Das Rezept stammt von Janett Platino, Restaurant Bad Egart/Onkel Taa in Partschins