Das (Er-)leben unter einem Dach
Sven schnappt sich seinen schwarzen Klappstuhl, setzt sich, nimmt sich seinen Tabak und dreht sich eine Zigarette. Er zündet sie an, legt seine Füße aufs Geländer und blickt entspannt in die Ferne.
Der Klappstuhl steht auf einem Balkon im sogenannten Generationenband – einem geförderten Wohnbau in Kagran. Insgesamt 117 Wohnungen umfasst das Projekt inklusive einer Stiege für Wohngemeinschaften (WG).
Der 47-Jährige wohnt dort in einer Vierer-WG und lebt damit in einem der österreichweit 83.000 Mehrpersonenhaushalte, in welchen keine Eltern-Kind-Beziehungen vorhanden sind (Statistik Austria, 2018). „Es macht mir Spaß. Wenn ich quatschen möchte, ist wer da“, erzählt Sven. Ein Grund, weshalb er sich für diese Wohnform entschieden hat – freiwillig.
Für Gudrun Peller, die als Architekturexpertin die Nachbarschaftsentwicklung im Generationenband begleitete, ein notwendiger Faktor: „Es ist wichtig, sich bewusst und freiwillig für eine WG zu entscheiden, damit sie funktioniert.“
Regeln festlegen
Bei Sven klappt es ganz gut, dennoch müsse jeder von ihnen nachgeben. „Wir sind vier unterschiedliche Leute. Jeder hat andere Prioritäten, da sind Kompromisse oft schwierig. Toleranz ist deshalb wichtig“, sagt Sven. Zudem müsse sich jeder an das Abgemachte halten.
Um Probleme zu vermeiden, erstellten Sven und seine Mitbewohner gleich beim Einzug einen Plan. „Alle vier Wochen bin ich zum Bad, Klo und Küche putzen dran“, erzählt er. Eine Methode, die Peller vollkommen unterstützt: „Ich kann nur jedem empfehlen Gestaltungs- und Nutzungsregeln festzulegen.“
Plötzlich geht am Balkon eine Tür auf. Svens Mitbewohner Mark kommt aus seinem Zimmer und setzt sich dazu. „Gemeinschaftsräume sind sehr wichtig, dennoch muss auch jeder genügend Rückzugsort für Privatsphäre haben“, sagt Peller.
Dafür hat in der Vierer-WG jeder sein eigenes Zimmer. Mark scheint dennoch vor allem die Gemeinschaftsräume, wie den Balkon zu schätzen: „Man teilt sich vieles wie Bad, WC und Küche. Da kann man auch mal im Kühlschrank, von wem anderen was schnorren“, sagt er und lacht.
Zeitabhängig
Auch Benjamin, der gerade aus der dritten Balkontür heraustritt, sieht vor allem die Vorteile. Es sei billiger und dennoch habe man mehr Raum. Das erklärt, warum vor allem junge Menschen Wohngemeinschaften vorziehen: Im Durchschnitt ziehen Österreicher mit 25,2 Jahren von den Eltern aus.
Das Geld für die neue Wohnung ist jedoch oft knapp: Viele Jugendliche studieren, verdienen dadurch nur unregelmäßig Geld und beginnen später zu arbeiten. Eine WG ist deshalb eine gute Alternative. Auch Peller sieht den Vorteil: „In der WG hat man ein größeres Angebot an Räumlichkeiten als in Studentenheimen.“ Zudem müsse der Wohnalltag nicht alleine bewältigt werden.
Für Mark hat beides seine Vor- und Nachteile. „Es kommt immer darauf an, in welcher Lebensphase man steckt“, sagt er. Auch Sven scheint dieser Meinung zu sein: Er sieht sich gemeinsam mit seiner Freundin nach einer eigenen Wohnung um. Wäre er alleine, würde er aber nicht ausziehen und seinen Platz am Gemeinschaftsbalkon aufgeben.