Chronik/Wien

Wissenschaft fordert weiter Umdenken bei der Stadtstraße Aspern

Auf ein Umdenken bei der Planung und Umsetzung der von der Stadt Wien für den Bezirk Donaustadt vorgesehenen Stadtstraße haben Experten der Verkehrs- und Wirtschaftswissenschaft sowie der Stadtplanung bei einem Pressegespräch am Mittwoch gedrängt. Konkret kritisiert wurde das Festhalten an einer für heutige Verhältnisse "überdimensionierten" Version der Stadtstraße und das Fehlen eines Konzeptes, das neben dem Autoverkehr die Nutzung alternativer Fortbewegungsmittel fördert.

Vor allem die Absage für den Bau des Lobautunnels "vor dem Hintergrund der drohenden Klimakatastrophe" sei Anlass, das Projekt Stadtstraße Aspern neu zu denken, zeigte sich Verkehrswissenschafterin Barbara Laa von der TU Wien überzeugt: "Die Stadtstraße ist damit eine lokale Erschließungsstraße und schlichtweg überdimensioniert". Die ursprünglich angedachte Entlastungswirkung sei außerdem nicht mehr nötig, "da sich der Motorisierungsgrad der Stadt nicht so stark entwickelt hat, wie noch bei der Planung der Straße angenommen".

Straßenbau verhindert Verkehrswende

Würde die Stadt Wien ihr Anliegen ernst nehmen, den Anteil des Autoverkehrs bis 2030 zu halbieren, würde eine abgespeckte Version der Stadtstraße ausreichen, meinte die Expertin, die sich für die Zukunft vor dem Bau von hochrangigen Straßen für "Klimachecks" aussprach. "Es müssen die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut werden, eine bessere Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger zur Verfügung gestellt werden", ganz im Sinne einer "Stadt der kurzen Wege". Durch den Straßenbau würde hingegen verhindert, dass Menschen auf andere Verkehrsmittel umsteigen, sagte Laa.

Für die Erschließung und Entwicklung des Siedlungsgebietes in der Donaustadt sei die aktuelle Dimensionierung der Stadtstraße nicht nötig, meinte auch der Raumplaner Andreas Bernögger. Für ihn gibt es "keinen fachlichen Grund, warum die Stadtstraße und der Wohnungsbau für 17.500 Menschen in der Seestadt verbunden sind". Er forderte ein Gesamtkonzept der Stadt Wien, wenn die Klimaziele und die geplante Verkehrsentlastung erreicht werden sollen. "Das Straßennetz ist nur eine Ebene. Es müssen aber auch Alternativen geschaffen werden, wo die Menschen ihr Verhalten hin verändern können", mahnte der Experte.

"Radikal neu denken"

Derzeit sei der Fokus zu sehr auf ein Funktionieren des Autoverkehrs gerichtet, "die Abhängigkeit vom Pkw ist aber kein Naturgesetz", meinte auch der Verkehrswissenschafter Paul Pfaffenbichler. "Vor allem die innerstädtischen Bereiche müssen wir radikal neu denken, wenn wir die Mobilitätswende schaffen wollen. Das betrifft aber auch die Peripherie der Städte und den ländlichen Raum". Beispiele für moderne Städte, in denen großzügig auf Autos verzichtet wird, gebe es dabei einige: "Madrid, Oslo und Paris haben das umgesetzt". Ein weitgehend autofreier Siedlungsraum sei für den Experten durchaus möglich, die auf weitere Gespräche zwischen Stadt Wien, Experten, Umweltschützern und der Bevölkerung hoffen.

Auf Dialog hofft auch Umweltökonomin Sigrid Stagl von der WU Wien, selbst Mitglied des Klimarates der Stadt. Sie lobte den kürzlich präsentierten Wiener Klimafahrplan als "ambitioniert und richtungsweisend", wies aber darauf hin, dass "das Zusammenbringen dessen, was gemeinsam angegangen werden muss", ein Grundprinzip dieses Fahrplans sei - im konkreten Fall etwa die Sorge um soziale Gerechtigkeit mit Klimapolitik. Sie bedaure sehr, dass es nicht gelungen sei, in einen Dialog einzutreten, "der ein zukunftsweisendes, gemeinsames Vorankommen" erlaubt hätte, so Stagl.

Das Schließen des öffentlichen Verkehrs während der Räumung des Protestcamps habe die Teilnahme an einer genehmigten Kundgebung verhindert und sei daher "demokratiepolitisch ein fatales Signal" gewesen, kritisierte die Forscherin. Teil einer klimagerechten Politik müsse es sein, "dass diese Entscheidungsprozesse in Zukunft besser gelingen".

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