Chronik/Wien

Wirtschaftskammer-Chef fordert Ende des Wiener Parkpickerls

Seit 2014 ist Walter Ruck Präsident der Wirtschaftskammer Wien - im März stellt sich der 56-Jährige der Wiederwahl. Zur rot-grünen Wiener Stadtregierung pflegt der ÖVP-Funktionär gute Kontakte, innerhalb der eigenen Partei leistet er sich gerne mal eigene Positionen. Mit dem KURIER sprach Ruck über seinen Führungsstil - und warum er sich sicher ist, dass er sich bei der umstrittenen Sonntagsöffnung und beim Bau des Lobautunnels durchsetzen wird.

KURIER: Vor allem der Wirtschaftsflügel der ÖVP sah die Koalition mit den Grünen skeptisch. Nach der ersten Lektüre des Regierungsprogramms: Kann das funktionieren?

Walter Ruck: So groß war die Skepsis gar nicht. Und es finden sich viele Punkte in dem Programm, mit denen wir sehr zufrieden sind und die - im Übrigen - auch langjährige Forderungen des Wirtschaftsbunds waren. Weniger Bürokratie, die Fortführung der Steuerreform, die Senkung der KöSt.

Anderes, wie etwa die Einführung einer CO2-Steuer, könnte die Wirtschaft treffen. Der Magna-Chef hat unlängst bereits mit einer Abwanderung ins Ausland gedroht.

Diese Punkte sind im Regierungsprogramm noch sehr vage gehalten. Darüber jetzt schon etwas zu sagen, wäre Kaffeesudlesen. Ich möchte der Regierung einen Vertrauensvorschuss geben und gehe davon aus, dass sie bald in Klausur gehen und die Punkte konkretisieren wird. Dann ist der richtige Zeitpunkt, sie zu bewerten.

Eine sogenannte ökosoziale Steuerreform, bei der der Faktor Arbeit entlastet wird, halten Sie aber grundsätzlich für richtig, oder?

Ja. Die Wirtschaftskammer Wien hat vor Längerem einen Wiener Wirtschaftskreis eingerichtet, in dem uns Wissenschafter aus unterschiedlichen Bereichen beratend zur Seite stehen. Diesen Kreis habe ich vor Weihnachten ersucht, sich mit zwei Fragestellungen zu beschäftigen: mit dem Fachkräftemangel und mit der Frage nach einem neuen Steuersystem. Derzeit besteuern wir vor allem Arbeit und Konsum. Und die Frage, ob wir das System in der heutigen Zeit nicht auf eine breitere Basis stellen müssen, ist legitim. Vor allem in einer Dienstleistungsgesellschaft ist der Faktor Arbeit der wettbewerbsentscheidende.

Sie selbst stellen sich im März der Wirtschaftskammerwahl. Wie lautet Ihr Wahlziel?

Ich habe drei Wahlziele: Erstens eine absolute Mandatsmehrheit, damit ich den Kurs der Wiener Wirtschaftskammer weiter alleine festlegen kann. Zweitens einen deutlichen Abstand zu den nachfolgenden Fraktionen, denn daraus leite ich eine Bestätigung meiner Arbeit ab. Und drittens wünsche ich mir eine hohe Wahlbeteiligung.

Sie fahren einen sehr konzilianten Kurs gegenüber der rot-grünen Stadtregierung, sind mit Bürgermeister Michael Ludwig befreundet. Müssten Sie nicht bestimmter auftreten?

Da kommt vielleicht der Kaufmann in mir durch. Ich bin der Meinung, dass es miteinander besser geht als gegeneinander. Und meine Bilanz kann sich ja sehen lassen. Wir haben im Jahr 2015 insgesamt 65 Maßnahmen vorgelegt, die wir angehen wollen. Vieles davon ist erledigt: die Einführung der Winterschanigärten, das Ende der Vergnügungssteuer, die Öffnung der Anrainerparkplätze, eine Pauschalierung in der Einkommensteuererklärung. Aber auch die Reform der Rot-Weiß-Rot-Card, die zuvor ein Rohrkrepierer war.

Andere große Punkte sind offen, etwa der Bau des Lobautunnels.

Ich bin mir sicher, dass der Lobautunnel fix ist. Es fehlt nur noch ein einziger Bescheid des Landes Wien und es gibt das Commitment aller politischen Fraktionen - mit Ausnahme der Grünen. Also kommt der Tunnel.

Der Bürgermeister könnte den fehlenden Bescheid auch ohne Zustimmung der Grünen ausstellen. Warum tut er es nicht?

Diese Frage müssen Sie ihm stellen. Aber ich bin mir sicher, dass Michael Ludwig mit Blick auf die zu Ende gehende Koalition mit den Grünen und die Wien-Wahl im Herbst das Richtige tun wird.

Ich fordere, die Parkraumbewirtschaftung Wien-weit zu regeln. Und zwar einheitlich und verständlich.

Walter Ruck
sieht das Wiener Parkkonzept als Belastung für Unternehmer und ihre Kunden

Nicht durchgedrungen sind Sie mit Ihrer Forderung nach einer Sonntagsöffnung in sogenannten Tourismuszonen.

Auch hier bin ich mir sicher, dass wir zu einer Lösung kommen. Es gibt viele volkswirtschaftliche Gründe, die dafür sprechen. Ich möchte ja auch niemanden verpflichten, am Sonntag das Geschäft zu öffnen. Ich möchte den Unternehmern aber die Möglichkeit bieten, eigenverantwortlich zu entscheiden. Ich glaube nicht, dass ein offenes Geschäft am Sonntag in einer Tourismuszone die öffentliche Ordnung gefährden oder jemanden vom Kirchgang abhalten würde. Ich habe auch bereits mit seiner Eminenz darüber gesprochen, dass wir uns durchaus vorstellen könnten, die Geschäfte erst ab Mittag zu öffnen.

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Wo sollen die Tourismuszonen liegen?

Wir haben drei Zonen definiert: den ersten Bezirk, die untere Mariahilfer Straße und das Gebiet rund um das Schloss Schönbrunn.

Markus Figl, Ihrem Parteikollegen und Bezirksvorsteher im ersten Bezirk, würden Sie damit keine Freude machen. Er klagt jetzt schon über zu viele Touristen.

Ich bin mit Markus Figl in vielen Dingen einer Meinung, in anderen nicht. Ich verstehe seinen Standpunkt, weiß aber, dass mein Standpunkt in diesem Fall der richtige ist - auch wenn ich überzeugt bin, dass er das über den seinigen auch sagen würde.

Wenig zufrieden sind Sie mit den Bezirksvorstehern auch in Sachen Parkpickerl.

Ich habe der Stadtregierung eindrücklich erklärt, dass ich es für einen Fehler halte, dass sie die Kompetenz über den ruhenden Verkehr an die Bezirke delegiert hat. Ich fordere, die Parkraumbewirtschaftung Wien-weit zu regeln. Und zwar einheitlich und verständlich.

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Wie lautet Ihre Kritik an der bestehenden Regelung?

Ich spiele jetzt Armin Assinger und stelle Ihnen die Millionenfrage: Wo dürfen Sie in Wien an einem Freitag um 17.30 Uhr für drei Stunden parken? A) Im 3. Bezirk. B) In einer Geschäftsstraße im 7. Bezirk. C) Im 14. Bezirk. D) Rund um die Stadthalle.

Ich weiß es nicht.

Die richtige Antwort ist C. Und sie beantwortet zugleich Ihre Frage. Wenn es eine Regelung gibt, bei der sich niemand mehr auskennt, dann muss diese Regelung weg. Die Bezirke handeln derzeit nach dem Florianiprinzip. Das Parkproblem wird seit Jahren von einem Bezirk in den anderen verschoben, aber nicht gelöst. Wer heute in einen Bezirk fährt, hat keine Ahnung, ob er wann, wie und wo parken darf.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Wien ist in Ringen strukturiert. Daher würde sich ein Modell mit vier Parkzonen von innen nach außen anbieten, das sich an diesen Ringen orientiert. Also eine Zone innerhalb des Rings, eine innerhalb des Gürtels, und zwei Zonen außerhalb. Wer sich ein Parkpickerl für eine der vier Zonen besorgt, der darf überall in dieser Zone parken. Je weiter drinnen, desto teurer wird das Pickerl wohl sein müssen.

Ist das Parken wirklich ein vordringliches Problem für Unternehmer?

Ja, aber es geht mir hier nicht ausschließlich um die Unternehmer. Das Durcheinander macht nicht nur ihnen, sondern auch ihren Kunden das Leben schwer, die ihre Einkäufe erledigen wollen. Ein weiteres Problem unserer Unternehmer ist sicher die mangelnde Steuergerechtigkeit, die dazu führt, dass kleine Betriebe oft sogar mehr zahlen als große Unternehmen, die ihren Steuersitz einfach ins Ausland verlagern. Ein anderes Thema ist jenes der Vorsorge und der Gesundheit. Da müssen wir intensiv über die Selbstbehalte für Unternehmer nachdenken.

Walter Ruck ist seit 2014 Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, die rund 120.000 Wirtschaftstreibende vertritt. Zuvor war der 56-Jährige Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk. Ruck betreibt ein Bauunternehmen und ist Funktionär des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Bei der Wahl von 3. bis 5. März muss er seine absolute Mehrheit im Wirtschaftsparlament verteidigen.

Was schwebt Ihnen vor?

Wer eigenverantwortlich auf seine Gesundheit schaut und der Versichertengemeinschaft damit sparen hilft, der soll entlastet werden. Derzeit zahlen Selbständige 20 Prozent Selbstbehalt bei jedem Arztbesuch; wer an Gesundheitsprogrammen teilnimmt, kann ihn auf 10 Prozent senken. Ich wünsche mir, dass wir diese Selbstbehalte für jene, die Eigenverantwortung zeigen, weiter senken - und zwar im Idealfall auf 0. Das wäre ein echter Lenkungseffekt.

Im Herbst steht die Wien-Wahl an. Welche Koalition würden Sie sich nach der Wahl wünschen?

Das ist einfach. Sie sprechen mit dem Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Da ich der Meinung bin, dass die ÖVP das Regieren in Ihrer DNA hat, wünsche ich mir natürlich eine Regierungsbeteiligung.

Als Juniorpartner der SPÖ? Oder in einer Dreierkoalition mit Grünen und Neos?

Ich halte demokratiepolitisch wenig davon, dass man am Stimmenstärksten vorbei regiert.

Stimmenstärkster wird in Wien wohl die SPÖ sein.

Das gilt für mich ganz grundsätzlich. Und zwar unabhängig von der Körperschaft und der politischen Ebene. Und unabhängig von Farben und Fraktionen.