Wiener Studie: Ab wann sich das PCR-Testen rechnet
Minister und Kanzler mögen kommen und gehen, doch das Verhältnis zwischen Wien und Bund bleibt in Sachen Corona-Management ein schwieriges. Deutlich zeigte sich das wieder am Dienstag: Bei der Entscheidung, welches Testkonzept künftig gelten soll, fühlte sich die Stadtregierung einmal mehr überrumpelt.
Noch ehe die Ländervertreter informiert waren, wie es mit den Gratis-Tests weitergeht, lud das Gesundheitsministerium zu einer Pressekonferenz.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wirkte daher leicht düpiert, als er anlässlich der SPÖ-Klubklausur andernorts, aber zeitgleich mit dem Gesundheitsminister vor die Medien trat: Man müsse sich ansehen, was die neuen Regeln für das Wiener Programm „Alles gurgelt“ bedeuten, sagte Ludwig. „Fest steht, dass es uns damit bisher gelungen ist, die Pandemie positiv zu beeinflussen.“
Dass man sich in Wien mit den neuen bundesweiten Regeln – jeder Österreicher erhält ab April nur noch je fünf kostenlose Antigen- und PCR-Tests – zufrieden gibt, scheint jedenfalls unwahrscheinlich.
Wenig begeistert
Auch der Wiener Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck, der „Alles gurgelt“-gemeinsam mit der Stadt etabliert hat, zeigt sich wenig begeistert. Es sei „nicht nachvollziehbar, dass die Anzahl der Test limitiert wird“, sagt Ruck zum KURIER. Wichtiger sei es, einen genauen Blick auf die Kosten zu werfen: Und genau da, bei der Kosten-Nutzen-Rechnung, sei die Wiener Teststrategie – mit ihren flächendeckenden „Alles gurgelt“-PCR-Tests – vorbildlich.
Zu dem Ergebnis kommt nun auch eine Analyse durch das internationale Beratungsunternehmen Kearney in Zusammenarbeit mit der Wiener Wirtschaftskammer. Das Fazit: Wiens Teststrategie sei nicht nur gesundheitspolitisch und gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich ein Erfolgsmodell, heißt es in dem Bericht, der dem KURIER vorliegt.
Infektionen verhindern
Seit März 2020 sind 625 Millionen Euro in die Test-Infrastruktur und den Betrieb geflossen. Das befeuerte aber zugleich die Wirtschaft: Wiens Bruttoregionalprodukt konnte um 918 Millionen Euro gesteigert werden, das Bruttoinlandsprodukt um 1.062 Millionen Euro. Das Testregime habe, rechnen die Analysten vor, zudem zum Aufbau von 7.500 Arbeitsplätzen geführt.
Mit ein Grund für die Verärgerung in Wien: Diese Bilanz könnte bald Schaden nehmen. Das Ende der Gratis-Tests hat dazu geführt, dass das „Alles gurgelt“-Labor Lifebrain rund 1.200 Mitarbeiter beim AMS angemeldet hat.
Die zentrale Botschaft der Wirtschaftskammer-Analyse ist daher in die Zukunft gerichtet: Auch künftig sei das das flächendeckende Testen wirtschaftlich – wenn so Infektionsketten durchbrochen werden können.
Denn wer sich infiziert, rechnet man vor, verursache ebenfalls Kosten – und zwar beträchtliche. Krankenstands- und Quarantänetage sind teuer, die Belegung von Intensiv- und Normalbetten in Spitälern ist es ebenso. Die Betreuung von Long-Covid-Fällen wird das Gesundheitssystem langfristig belasten.
Daher „rechnen sich die laufenden Testkosten“ schon ab wenigen Tausend Infektionen, die verhindert werden können, heißt es.
Zwei Szenarien
Simuliert haben die Experten zwei Szenarien (siehe Grafik): Im Winterszenario rechnen sie zwar mit Testkosten von 24,2 Millionen Euro pro Monat. Wenn dadurch zugleich 5.300 bis 5.900 Ansteckungen vermieden werden können, rentiere sich das Testregime jedoch wieder.
Denn den Ausgaben für den Testbetrieb stehen – bereits bei den angenommenen 5.300 bis 5.900 Infizierten – Krankenstands- und Quarantänekosten in Höhe von rund 22 Millionen Euro, Spitalskosten von bis zu 2,6 Millionen Euro sowie Long-Covid-Kosten von bis zu 2 Millionen Euro gegenüber, die sich die öffentliche Hand erspare. Werden noch mehr Infektionen verhindert, ist der positive ökonomische Effekt noch größer.
Bei einem Sommerszenario (mit allgemein weniger Tests und geringerem Infektionsgeschehen) rechnet sich das Testen laut Experten sogar früher: Ab 2.400 verhinderten Fällen übersteige der Nutzen die Kosten, heißt es.
Winter-Bilanz
Aber sind derartige Zahlen plausibel? Dass das Testen dabei helfe, das Infektionsgeschehen einzudämmen, sei belegt, sagen die Analysten – und legen Studien vor. Auch die Stadt hat unlängst verlautbart, dass durch das Testen von Oktober bis Dezember bis zu 20.000 Infektionen pro Monat verhindert worden seien.
„Solange die Durchimpfungsrate stagniert, brauchen wir einen einfachen, kostenlosen Zugang zu PCR-Tests“, sagt Kammer-Präsident Ruck. „Jeder Test bedeutet weniger Ansteckungsgefahr, kürzere Quarantäne und mehr Sicherheit.“
Übrigens: Dass die „Alles gurgelt“-Tests die – im Vergleich – günstigsten seien, rechnet die Studie erneut vor. Ein Apotheken-Test schlage mit bis zu 25 Euro zu Buche, ein „Alles gurgelt“-Test kostet 7,30 Euro.
Von den 625 Millionen Euro, die Wien fürs Testen ausgab, entfallen 22 Prozent auf genutzte „Alles gurgelt“-Tests – weitere 16 Prozent auf „Alles gurgelt“-Testkits, die noch auf Lager liegen.