Chronik/Wien

Wiener Grüne: Eine mühsame Neuaufstellung

Nach stundenlanger Diskussion war  es soweit: Die Wiener Grünen haben am späten Samstagabend ein neues Prozedere zur Kür  des nächsten Spitzenkandidaten beschlossen. Damit hat die krisengeschüttelte Partei den ersten Schritt ihrer selbst verordneten Parteireform  hinter sich gebracht.  „Wir haben sicherlich einen Wahlmodus gefunden, der revolutionär ist“, sagte Gemeinderätin Jennifer Kickert nach der Abstimmung. Wir laden alle Wiener ein, an der Wahl der Spitzenperson teilzunehmen.

Über die grüne Pole Position entscheiden künftig nicht mehr die Parteimitglieder auf der Landesversammlung. In Zukunft dürfen auch Sympathisanten, die kein Mitglied sind, sich aber registrieren lassen, den Listenersten wählen.  Anwärter auf die Spitzenkandidatur müssen sich zuvor schriftlich bewerben und 100 Unterstützungserklärungen sammeln – wobei die Hälfte der Unterschriften von Mitgliedern  stammen muss.  Jeder Stimmberechtigte darf  zwei  Personen  unterstützen. Anwärter, die diese  Hürde schaffen, stellen sich  anschließend öffentlichen Hearings – sie sollen an verschiedenen Orten in Wien stattfinden und per Livestream übertragen werden. Die eigentlich Wahl erfolgt dann per Brief.

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Bereits Mitte August soll die Spitzenwahl nach dem neuen Prozedere eingeleitet werden, im Septembersollen die Kandidaten fest stehen. Ob Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou noch einmal antritt, blieb am Samstag allerdings weiter offen.

Diskussion

Rund 200 Personen hatten seit dem Vormittag im  Bildungszentrum der Arbeiterkammer im vierten Bezirk ausgeharrt. „Reibungslos war es nicht, es gab viel Gesprächsbedarf“, räumte Kickert ein. „Bei großen Dingen sollte man sich Zeit nehmen.“ Die bereits im Vorfeld heftig diskutierten Anträge hatten die Ökos unter sich debattiert. Journalisten mussten  den Saal – wie auch schon  im November – verlassen.  Auf dem damaligen Parteitreffen  hatte eine Gruppe um den Klubchef der Innenstadt-Grünen, Alexander Hirschenhauser, den Rücktritt der Vizebürgermeisterin gefordert. Vassilakou blieb im Amt, sagte aber eine umfassende Parteireform zu.

Abgrenzung zur SPÖ

In Aussicht gestellt wurde damals auch eine stärkere Abgrenzung vom Koalitionspartner SPÖ. Diese versprach am Samstag erneut Landessprecher Joachim Kovacs.  Und zwar in der Frage des umstrittenen Lobautunnels, gegen den die Grünen seit dieser Woche wieder lautstark trommeln. Wenn ein Partner mit „Vollgaskaracho“ an die Wand fahre, müsse man ihm die Augenbinde abnehmen, sagte er in Anspielung auf die positive Haltung der  SPÖ zu dem Bauprojekt. Unfrieden in der Koalition fürchtet  Kovacs  offenbar nicht: „Eine inhaltliche Auseinandersetzung hat einer Zusammenarbeit noch nie geschadet.“

Zu Beginn des Parteitreffens beschlossen die Grünen einen Antrag, in dem sie Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Verkehrsminister Norbert Hofer ( FPÖ) auffordern, von dem „unsinnigen und milliardenteuren Prestigevorhaben abzurücken.“ Scharfe Kritik am Projekt kam auch von Vassilakou. Sie erntete zudem Applaus für ihre   Kritik an den Plänen der türkis-blauen Bundesregierung zur Kürzung der Mindestsicherung.
Für die nächste Landesversammlung steht bereits ein Programmpunkt fest: Im Herbst wollen die Grünen klären, wie die restlichen Listenplätze vergeben werden.

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