Wiener City wird zu teuer für Gastronomen
Von Julia Schrenk
12.500 Tassen Kaffee müsste Berndt Querfeld pro Tag verkaufen. Nicht an einem besonders gut besuchten Tag, sondern an einem mit durchschnittlich vielen Gästen. Das war dann sogar ihm zu waghalsig.
Der bekannte Wiener Cafetier (Café Landtmann, Café Museum, Café Mozart etc.) hatte sich schon vor einem Jahr für die Übernahme des Café Griensteidl am Michaelerplatz interessiert. „Der Platz ist großartig. Wunderschön für ein Kaffeehaus“, sagt er. Aber? Zu teuer.
Seit Donnerstag ist nun klar, wer stattdessen in das schöne ehemalige Kaffeehaus einzieht: eine Billa-Filiale.
Die Übernahme durch Querfeld sei an den „Mietvorstellungen des Eigentümers“ gescheitert, sagt er. „Es ist ein einfaches Rechenbeispiel“: Bei einer angenommenen Miete von 150.000 Euro pro Monat (laut Querfeld wäre das weniger, als die Miete, die dort verlangt würde) müsste der Cafetier dort an einem durchschnittlich besuchten Tag 12.500 Kaffees verkaufen, damit sich das Lokal rentiert. Und an schlechten Tagen 6250 Kaffees. „Das ist für uns nicht darstellbar.“
System-Gastro
Auch internationale Coffeeshop-Ketten seien an dem Standort interessiert gewesen, heißt es, aber auch die hätten sich schlussendlich dagegen entschieden.
Stefan Krejci, Immobilienexperte bei Remax, wundert das nicht. Die Spitzenmieten für Handelsflächen in der Wiener Innenstadt (Graben, Kohlmarkt, Kärntner Straße) liegen bei 400 Euro pro Quadratmeter netto (exklusive Betriebskosten und Steuern). Bei einer Fläche von 100 wären das also 40.000 Euro Miete monatlich, bei 1000 Geschäftsfläche sogar 400.000 Euro – pro Monat.
„Das geht sich für die Gastronomen nicht mehr aus, das ist klar“, sagt Krejci.
Die horrenden Mietpreise seien für Familienbetriebe nicht zu stemmen. Das führe wiederum dazu, dass die Systemgastronomie in den hochfrequentierten Lagen überhand nimmt und immer mehr Konzerne in die „1A-Lagen“ der Städte ziehen. Internationale Textilketten etwa.
Auf der Mariahilfer Straße ist das laut Krejci besonders gut zu beobachten. Aber auch auf der Kärntner Straße oder in der Salzburger Getreidegasse ist die Situation ähnlich. Laut dem Institut KMU-Forschung lag der Anteil der Filialflächen in Österreichs 22 Top-Geschäftsstraßen 2017 bei 75 Prozent. Einzelunternehmer können sich diese Mietpreise oft nicht leisten. „Für große Konzerne geht es mehr darum, gesehen zu werden“, sagt der Experte.
Prestige-Projekt
Auch für Rewe ist die geplante Billa-Corso Filiale auf dem Michaelerplatz ein „Prestige-Projekt“, sagt Sprecher Paul Pöttschacher. „Es soll etwas Besonderes werden.“ 650 wird die Filiale umfassen – auf zwei Stockwerken und mit Schwerpunkt auf den „schnellen Sofort-Verzehr“ für Touristen und Wiener, die in der Nähe arbeiten. Auch ein gastronomisches Angebot soll es geben, ein Schanigarten wird geprüft.
Die Eigentümerin des Gebäudes, die Schweighofer-Gruppe, habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagt Sprecher Thomas Huemer. Das habe man mit den zwei unterschiedlichen Konzepten, mit denen das Lokal zuletzt bespielt wurde, auch gezeigt. Bevor im Februar 2018 Busunternehmer Blaguss dort sein „Café Klimt“ einrichtete, kredenzte die Agentur Friendship von August 2017 bis Jänner 2018 künstlerisch Köstliches im „Rien“. „Das war super, aber es war nicht der Renner“, sagt Huemer.
Nun werde es eben eine Billa-Corso-Filiale. Huemer: „Es gibt Schlimmeres als Nahversorgung.“
Die Geschichte des Griensteidl
- „Café Größenwahn“ – so nannte man das das Café Griensteidl im späten 19. Jahrhundert, als es Treffpunkt für Künstler, Musiker, Literaten und Politiker war. 1847 wurde es vom Apotheker Heinrich Griensteidl im Palais Dietrichstein eröffnet. Karl Kraus, Arthur Schnitzler und Stefan Zweig waren Stammgäste. 1897 wurde das Kaffeehaus aufgrund der Umgestaltung des Michaelerplatzes geschlossen. Das Palais wurde abgerissen.
- An derselben Stelle entstand von 1897 bis 1898 ein neues Zinspalais. In diesem Jahr wurde unter neuer Besitzerin wieder ein Griensteidl eröffnet, aber die Literaten blieben aus. 1903 kaufte es Arpad Reil, der das Lokal bis 1909 als Café Reil betrieb.
- 1990 eröffnete Do&Co das Café Griensteidl wieder. Die Schließung im Juni 2017 soll nicht ganz freiwillig gewesen sein – auch Do&Co-Chef Attila Doğudan soll die Miete zu teuer gekommen sein.
- In der Folge probierten die Eigentümer zwei unterschiedliche Konzepte an dem Standort. Die Agentur Friendship bespielte es als Pop-up-Lokal „Rien“ von August 2017 bis Jänner 2018. Auch eine Galerie und ein Designshop waren integriert.
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Im Februar 2018 übernahm das Busunternehmen Blaguss. Das Café Klimt mit seinem systemgastronomischen Konzept sollte vor allem Touristen ansprechen. Geplant war, das Café nur bis Ende 2018 zu führen. Daraus wurden zwei Monate mehr.