Wiederkehr hält Lobautunnel nicht für sinnvoll
Der Wiener Vizebürgermeister und Neos-Chef Christoph Wiederkehr hat im Interview mit der APA seine Ablehnung des Lobautunnels bekräftigt. Er erachte das Projekt als nicht sinnvoll und möchte nun aber rasch Rechtssicherheit, wie er betonte. Die strengen Wiener Corona-Maßnahmen verteidigte er. Lockerungen würden die falsche Illusion geben, dass die Pandemie vorbei sei. Generell zeigte er sich mit der Arbeit der rot-pinken Rathauskoalition zufrieden.
Die Ende 2020 beschlossene Zusammenarbeit mit der SPÖ laufe gut. Auch wenn vor allem ein Thema vorgeherrscht habe. "Es war ein Senkrechtstart von Tag eins, wir sind mitten in der Pandemie in die Regierungsverantwortung gekommen." Man habe es allerdings geschafft, auch schöne Zukunftsprojekte auf den Weg zu bringen, wie ein Wien-weites Kinder- und Jugendparlament, hielt er fest.
Auch dass am Sonntag die Wiener Märkte die Gastronomie öffnen dürfen, sei sehr schön, verwies er auf die Umsetzung einer langjährigen Neos-Forderung. Die eingerichtete Whistleblowing-Plattform habe sich ebenfalls gut etabliert. "Die Bilanz fällt sehr positiv aus, es ist viel vorangegangen. Wir arbeiten konstruktiv zusammen, ohne großen Hick-Hack und Streit."
Evidenzbasierte Politik
Bei den wichtigen Entscheidungen werde gemeinsam beraten, diese würden zudem evidenzorientiert getroffen. Mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gebe es eine gute Gesprächsbasis. Wiederkehr berichtete von einem "konstruktiven Austausch auf Augenhöhe". Man sei daran interessiert, Probleme zu lösen und keinen Streit zu inszenieren. "Wenn ich auf Bundesebene schaue, frage ich mich oft, woher nehmen die die Zeit für so viel koalitionsinternen Streit."
Einhelliger Meinung ist man jedoch nicht immer. So scheiden sich etwa bei der Nordostumfahrung die Geister. Dass diese vom Bund evaluiert wird, stößt der SPÖ sauer auf. Wiederkehr hingegen würde ein Aus des Umfahrungsringes in dieser Form begrüßen. "Wir haben als Neos immer eine klare Position vertreten, nämlich dass wir vor allem den Tunnel ökonomisch und ökologisch nicht für die sinnvollste Variante halten." Es sei allerdings keine Wiener Entscheidung mehr, ob das Projekt realisiert werde. "Darum haben wir es auch aus den Koalitionsverhandlungen draußen gelassen."
Es sei das Recht von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) das Projekt zu evaluieren. "Ich halte es nur für dringend erforderlich, hier Rechtssicherheit zu schaffen. Es darf nicht zu einer Verzögerungstaktik der Ministerin werden, das Projekt ewig offen zu halten", plädierte er für eine rasche Entscheidung.
Opposition reagiert erwartbar
Die Stadt-VP hat erneut vor einer Abkehr vom Projekt gewarnt. Die Stadtregierung biete ein zersplittertes Bild, konstatierte die Volkspartei. Sie forderte Bürgermeister Ludwig auf, einzuschreiten. Die Grünen orteten hingegen einen Hoffnungsschimmer.
"Der Lobau-Tunnel ist für Wien und das gesamte Umland ein bedeutendes Infrastrukturprojekt, dessen Umsetzung alternativlos ist. Bürgermeister Ludwig muss den pinken Koalitionspartner hier auf Linie bringen", hielten die nicht amtsführende VP-Stadträtin Isabelle Jungnickel und der türkise Verkehrssprecher Wolfgang Kieslich in einer Aussendung fest. Die Umsetzung der Stadtstraße und des Tunnels bringe intensive Investitionen in die Infrastruktur und die Wirtschaft. Auch würden besonders vom Verkehr betroffene Gebiete in der Donaustadt entlastet, zeigte sich die Volkspartei überzeugt.
"Dass Vizebürgermeister Wiederkehr den Lobautunnel für 'nicht sinnvoll' erachtet, ist ein erstes gutes Zeichen", freute sich hingegen der nicht amtsführende Grün-Stadtrat Peter Kraus. Bisher habe sich die Wiener Stadtregierung einzig durch den Ruf nach mehr Beton und Straßen ausgezeichnet - jetzt zeichne sie sich durch Uneinigkeit aus. "Wenn die NEOS ihr 'Nein' zum Lobautunnel ernst meinen, müssen sie auch ihren Koalitionspartner in Wien davon überzeugen ", forderte Kraus die pinke Stadtpartei diesbezüglich zum Handeln auf.
Einigkeit in Pandemiebekämpfung
Keinen Dissens gibt es in Sachen Virusbekämpfung. Mit dem Wiener Sonderweg - der strengere Corona-Maßnahmen vorsieht - zeigte er sich einverstanden. "Mich hat gewundert, wie schnell die Bundesregierung die Pandemie abschaffen wollte" Dabei sei klar, dass man mit dieser auch im Herbst noch intensiv beschäftigt sein werde. Man wolle Lockdowns und Schulschließungen verhindern. Darum halte er es für sinnvoll, dass etwa Kinder und Jugendliche weiter getestet würden.
Auch dass Wien die Masken im Handel weiter vorschreibt, erachtet er als wichtig, wie er betonte. "Ich halte nichts davon, Regeln zu schaffen, die sich so schnell verändern, obwohl man weiß, dass der Herbst wieder schwierig wird." Er sei dafür, Maßnahmen konsequent und kontinuierlich zu setzen als eine falsche Illusion zu geben - "nämlich, dass die Pandemie vorbei ist". Wobei Wiederkehr lobend hervorstrich, dass Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) die Wiener Maßnahmen zuletzt gutgeheißen hat.
Hohes Risiko in Clubs
Er habe weiters auch Verständnis für die Kritik der Nachtgastronomie. Immerhin handle es sich um eine der am stärksten betroffenen Branchen. "Das Infektionsrisiko in Nachtclubs ist allerdings sehr sehr hoch." Er sei dafür, lieber mit strengerem Sicherheitskonzept die Nachtclubs zu öffnen als große Cluster zu riskieren und alles schließen zu müssen. Ob er fürchte, dass Party-Hotspots wie der Karlsplatz dadurch wieder mehr gefragt sein werden? Das glaubt Wiederkehr nicht ungedingt.
"Es gibt weiter eine große Nachfrage nach öffentlichem Raum, wo sich Menschen aufhalten. Das ist gut so, davon gibt es auch viel in Wien." Die Partys hätte sich aber wieder in die Klubs verlagert. Man habe zuletzt neuralgische Punkte im öffentlichen Raum etwa mit sogenannten Awarenessteams betreut. Sollte die Sperrstunde wieder kommen oder gar eine Schließung der Clubs verordnet werden, würden diese wieder eingesetzt, versprach er. Man werde die Situation aber jedenfalls beobachten - und mit der Jugendarbeit verstärkt auch am späteren Abend aktiv sein.
Kostenpflichtige Tests als Impfanreiz
Zustimmend äußerte sich der Neos-Politiker auch darüber, dass Wien weiter PCR-Tests kostenlos anbietet. Denn es würden auch doppelt geimpfte Menschen das Virus weiter verbreiten. Auf Bundesebene hatte seine Partei zuletzt gefordert, dass die Test nach dem Sommer kostenpflichtig werden sollten, damit sich möglichst viele Menschen impfen lassen. In der jetzigen Phase sei das noch nicht sinnvoll, befand Wiederkehr.
"Ich kann den Gedanken aber sehr gut nachvollziehen, also Anreize zu schaffen, dass die Menschen sich impfen lassen." Langfristig sei ein Selbstbehalt vielleicht möglich. Der Bildungsstadtrat zeigte sich zudem überzeugt, dass flächendeckende Testungen an den Schulen im Herbst unausweichlich sein werden. "Da geht das Ministerium noch von etwas anderem aus, ich bin mir ziemlich sicher, das wird nötig sein."
Selbstkritik bei Schulreform
Apropos Schule: Wiederkehr musste in den vergangen Wochen mit massivem Gegenwind kämpfen, nachdem er die Systematik des Pflichtschul-Stellenplans geändert hatte. Die Maßnahme führte unter anderem dazu, dass manche Schulen ab Herbst über weniger Lehrkräfte verfügen werden. "Es war eine längst überfällige und dringend notwendige Reform, um mehr Planbarkeit zu schaffen und Schulen gleich zu behandeln. Ich wusste, dass es Widerstand und Kritik geben wird", verteidigte er die Änderung.
Es seien allerdings in der Kommunikation mit den Schulen auch Fehler passiert, die dazu geführt hätten, dass der Widerstand größer geworden sei als es zu erwarten war. Man habe zu spät direkt mit den Schulen kommuniziert, zeigte sich Wiederkehr selbstkritisch. Dadurch seien auch falsche Gerüchte verbreitet worden. "Viele, mit denen ich direkt gesprochen habe, die haben dann nachvollziehen können, warum man das System macht." Es gebe auch sehr viele, die diese Umstellung begrüßen, weil die Kriterien transparenter würden, versicherte er.