Wie sich Gernot Blümel von seinem Bundesparteichef emanzipiert
Die eine oder andere Personalüberlegung stellten am Mittwoch die ÖVP-Abgeordneten in Wien an. Landesparteichef Gernot Blümel lud zur „Wien-Rede“. Und diese enthielt, wie so mancher beim anschließenden Get-Together kritisch anmerkte, wenig Konkretes zur Stadt – aber auffallend viel Grundsätzliches.
Blümel inszenierte sich im geschichtsträchtigen Schottenstift (hier wurde 1945 die ÖVP gegründet) auf großer Bühne: Perfekt ausgeleuchtet und vor drei Wien-Flaggen gab sich der Finanzminister staatstragend. Sollte Sebastian Kurz nach dem Kanzler-Job irgendwann auch jenen des ÖVP-Bundesparteiobmanns abgeben (müssen) – Blümel hat am Mittwoch zumindest aufgezeigt.
Er emanzipiert sich nicht erst mit der Rede zunehmend von Kurz und dessen Umfeld. Schon im Wien-Wahlkampf 2020 soll es zu Reibereien gekommen sein. So mancher in der Bundes-ÖVP soll sich einen härteren Anti-Wien-Kurs gewünscht haben. Blümel zog nicht mit.
Blümel für "Zusammenhalt"
Auch in der Pandemie, so erzählte Blümel in der Rede offenherzig, sei er dafür kritisiert worden, dass er zu wenig scharf gegen die Wiener SPÖ auftrat. „In so einer Phase muss Zusammenhalt vorrangig sein“, habe seine Antwort gelautet.
Auch inhaltlich grenzt sich Blümel ab – nicht zuletzt mit selbstkritischen Worten, wie man sie aus dem türkisen Führungsteam eher nicht kennt: Die Innenpolitik habe zuletzt kein gutes Bild abgegeben, da nehme er die ÖVP nicht aus.
Sonst blieben Regierungskrise und Sebastian Kurz unerwähnt. Kurz blieb der Veranstaltung übrigens fern. Dafür kamen andere: Altkanzler Wolfgang Schüssel bemühte sich als Gastredner gemeinsam mit Blümel, die christlich-sozialen, konservativen und bürgerlichen Werte der ÖVP zu betonen. (Auch das ist neu).
Ex-Vizekanzler Erhard Busek, der zwischenzeitlich mit den Neos geliebäugelt hat, war ebenso anwesend wie der frühere Wiener ÖVP-Chef Bernhard Görg, Maria Rauch-Kallat und zahlreiche Abgeordnete.
Juraczka und Ruck fehlten
Unter den Gästen waren die Wiener Nationalräte Wolfgang Gerstl, Nico Marchetti und Gudrun Kugler, aber auch die Wiener ÖVP-Spitze mit Klubchef Markus Wölbitsch, der türkisen Gemeinderatsvorsitzenden Elisabeth Olischar und der nicht amtsführenden Stadträtin Bernadette Arnoldner.
Auch die Gemeinderäte Caroline Hungerländer, Patrick Gasselich und Peter L. Eppinger sowie die ÖVP-Bezirkschefs Markus Figl (Innere Stadt) und Silke Kobald (Hietzing) waren da. Nicht mit dabei: der Ex-Landesparteichef und türkise Landtagspräsident Manfred Juraczka.
Auffällig vermisst wurde auch ein anderer Spitzenfunktionär: Während die wichtigsten Bünde-Obleute - Wiens JVP-Chef Harald Zierfuß, Seniorenbund-Chefin Ingrid Korosec und Wiens ÖVP-Frauen-Chefin Sabine Keri (vormals: Schwarz) - anwesend waren, blieb Wirtschaftbund- und Wirtschaftskammer-Chef Walter Ruck fern.
Ruck und Blümel verbindet, wei man hört, eine leidenschaftliche Antipathie. Im Wien-Wahlkampf zeigte sich der Wirtschaftsbund-Chef sogar demonstrativ mit SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Ludwig, was man ihm in der ÖVP übel nahm.
Aller Streit vergessen?
Die vielleicht auffälligsten Gäste: Ex-Life-Ball-Chef Gery Keszler, der 2020 für die Wiener ÖVP wahlkämpfen wollte, aber nach einem verunglückten Sager (Keszler lobte Blümels „Knackarsch“ und nannte Ludwig ein „verschlagenes Schnitzelgesicht“) rasch wieder in der Versenkung verschwand.
Auch Berndt Querfeld, wortgewaltiger Landtmann-Chef, der seinen Streit über die Corona-Hilfen mit Blümel im Vorjahr unschön via Medien austrug, war da.
Die Botschaft: Aller Streit ist vergessen. In Wien stehen alle hinter Blümel. Gute Ausgangslage für einen Karrieresprung.
Einziges Problem: Noch ermittelt die WKStA auch gegen Blümel. Insider gehen aber davon aus, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe fallengelassen werden.