Wenn Fernost auf Wien trifft: Die austro-chinesische Community
Von Konstantin Auer
Rote Lampions, chinesische Schriftzeichen an Lokalen und auf Gratiszeitungen sowie glitzernde Winkekatzen prägen das Bild rundum den Wiener Naschmarkt. Es reihen sich Asia-Märkte an chinesische Reisebüros und Restaurants, wo von Dim Sum über Sushi bis hin zu gebratenen Nudeln mit Ente die ganze Bandbreite der fernöstlichen Spezialitäten angeboten werden.
Am Vormittag laden die Angestellten die Lieferwagen vor den Lokalen aus. Kistenweise werden tiefgefrorene Garnelen, Gemüse oder Teigtaschen ausgepackt.
Letztere haben in den vergangenen Wochen die Aufmerksamkeit auf die Austro-Chinesen gelenkt. In Favoriten, Penzing und zuletzt in Döbling wurden bislang drei illegale Teigtaschen-Produktionen gefunden. Marktamt und Finanzpolizei sprachen von „katastrophalen Bedingungen“.
Die Produzentinnen hätten in den Wohnungen neben der Produktion geschlafen. Die Teigtaschen wurden schwarz an Asia-Märkte verkauft.
Die Aufmerksamkeit der Medien auf die chinesische Szene zeichnete das Bild einer Parallelgesellschaft. Doch der Schein trügt. „Die Austro-Chinesen sind eine sehr heterogene Gruppe“, sagt Fariba Mosleh, die Autorin des Buches „Vienna Chinatown INvisible“.
Sie kommen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und haben verschiedene Migrationsgeschichten und Ausbildungen. Hinter der Teigtaschen-Debatte vermutet Mosleh „latenten Rassismus“.
Schwarzarbeit sei kein Problem der chinesischen Einwanderer, sagt sie: „Das gibt es überall, vor allem in der Gastronomie“. Die Austro-Chinesen würden in Integrationsdebatten ja auch sonst kaum beachtet werden.
Keine „Chinatown“
Zwar würden die meisten der rund 11.200 Chinesen, die in Wien leben, aus derselben Region in China stammen, es gebe aber keine speziellen Grätzel, in denen vor allem Chinesen leben. Von einer „Chinatown“ könne beim Naschmarkt nicht die Rede sein, erklärt Mosleh.
In den USA seien diese aufgrund von Diskriminierung entstanden, in Europa wären sie eher Marketing-Erfindungen der Tourismusbranche. Um den Naschmarkt hätten sich die Asia-Lokale wegen der frischen Lebensmittel und der internationalen Atmosphäre angesiedelt.
Wohnen würden die meisten aber woanders. Das bestätigen auch Sherry Yu und Roman Hudecek, die im Keller unter dem Restaurant „Chinazentrum“ an der Rechten Wienzeile einen Verein für chinesische Literatur betreiben. „Die inoffizielle Chinatown wird vor allem zum Einkaufen benutzt“, sagen sie.
„Wir leben in ganz Wien verteilt und sind offen für Integration“. Vor allem die erste Generation der Einwanderer tue sich aber oft schwer mit der deutschen Sprache und suche deshalb Kontakt zu anderen Einwandererfamilien.
Einmal im Monat bietet der Verein eine Rechtsberatung für Einwanderer an. „Dass jemand kein Visum hat, komme vor, aber eher selten“, meint Hudecek.
Asia-Markt
Ein Haus weiter kassiert Beilei Ye im Asia-Markt „Huan Yu“. Der Andrang ist groß, denn die Asia-Küche ist angesagt. Die Verkäuferin packt eine Packung Seetang-Blätter nach der anderen zusammen mit Sojasaucen und Gewürzen in Plastiksäcke.
Nur etwa 50 Prozent ihrer Kunden seien Chinesen, sagt Ye, die anfangs selbst Probleme mit der deutschen Sprache gehabt hat.
Ye lebt seit 35 Jahren in Wien und hätte abseits des Geschäftes nicht viel Kontakt zu Österreichern ohne Migrationsgeschichte. Erst bei ihren Kindern würde sich das ändern. Teigtaschen macht sie Zuhause übrigens immer noch selbst, wie sie es von ihrer Familie gelernt hat. Das schmecke auch den Kindern am besten, sagt sie.
Ihr Geschäft wurde schon vom Marktamt überprüft; gefunden wurde – anders als beim Nachbarn – nichts. Die gefrorenen Teigtaschen kommen aus Fabriken in den Niederlanden. Sie würde in letzter Zeit aber weniger davon verkaufen.