Streik in den Wiener Ordensspitälern: "Wir sind bei Alarmstufe rot"
"Wir brauchen mehr Geld", ruft eine in einen weißen Krankenhaus-Kittel gekleidete junge Frau am Mittwochmorgen vor dem Krankenhaus Göttlicher Heiland in Hernals. Sie ist eine von etwa 1.000 Spitalsmitarbeitern, die sich an den Warnstreiks in den insgesamt sechs Wiener Ordensspitälern Speising, Barmherzige Brüder, Barmherzige Schwestern, St. Josef, Herz-Jesu und Göttlicher Heiland beteiligt. Grund dafür ist die fehlende Einigung, was die Sonder-KV-Verhandlungen für die 10.000 Beschäftigten der Ordensspitäler betrifft.
Seit der letzten Verhandlungsrunde für den Kollektivvertrag - er gilt für alle Bundesländer mit Ausnahme Oberösterreichs - liegen die Positionen auf dem Tisch. Die Gewerkschafter verlangen ein Gehaltsplus von 500 Euro brutto monatlich bzw. 2.000 Euro Mindestlohn. Die Spitäler bieten eine sozial gestaffelte Einmalzahlung von bis zu 1.000 Euro netto und das Vorziehen der nächsten Kollektivvertragsperiode um zwei Monate.
Angebot nicht ernstzunehmend
Die Gewerkschaft hält dieses Angebot aber für nicht ernstzunehmend. Gesundheitspersonal und Ärzte würden dadurch praktisch nichts bekommen, eine Krankenpflegerin beispielsweise im zehnten Dienstjahr gerade einmal 53 Euro an Einmalzahlung. Der Warnstreik sei also unvermeidlich gewesen, so die vida.
"Wir haben alle zusammen die Covid-Krise bewältigt und abgearbeitet und wir werden jetzt nicht tolerieren, dass wir durch die Wirtschaftskrise ärmer werden", sagt Gerald Mjka, Vorsitzender des Fachbereichs Gesundheit in der Gewerkschaft vida, zu der Gruppe an Streikenden vor dem Krankenhaus in Hernals. Bereits morgen, Donnerstag, werde man die Anliegen der Beschäftigten in den Kollektivvertragsverhandlungen auf den Tisch bringen, sagt Mjka.
"Der finanzielle Druck steigt, aber wir müssen immer mehr leisten", sagt auch Stv. Abteilungsvorstand und Facharzt für Neurologie Omid Hosseiny. Seit 12 Jahren arbeitet er im Krankenhaus Göttlicher Heiland. "Wir sind jetzt bei Alarmstufe rot."
Zwischen 8.15 und 11 Uhr wurde in den sechs Ordensspitälern deshalb die Arbeit niedergelegt. Aufschiebbare Operationen seien dafür vorerst abgesagt worden und auch mit Verspätungen habe man zu dieser Zeit rechnen müssen, hieß es von der Gewerkschaft. Für Patienten habe während der Streiks aber keine Gefahr bestanden. "Obwohl sehr viele Krankenhausangestellte, auch Berufsgruppenübergreifend, an dem Streik teilnehmen, sind wir uns doch einig, dass die Patientensicherheit an erster Stelle steht", sagt eine Ärztin.
Teuerungsausgleich
Dennoch: "Wir arbeiten seit Jahren unterbesetzt oder minimalbesetzt", sagt der diplomierte Krankenpfleger Lukas, der auf der Kardiologie tätig ist und - während der Pandemie - auch auf der Corona-Intensivstation arbeitete. "Und das was wir fordern ist nicht einmal eine Lohnerhöhung, sondern nur einen Teuerungsausgleich."
Weitere Streiks könne man sich deshalb durchaus vorstellen, bekräftigt auch die Gewerkschaft. Beschlossen wurde der Streik von der Ärztekammer gemeinsam mit der Gewerkschaft vida, nachdem sich nahezu 100 Prozent der Mitarbeiter in einer Befragung dafür ausgesprochen haben, heißt es von der Gewerkschaft.
Arbeitgeber müssen Notfallplan erarbeiten
Die Arbeitgeber habe man zeitgerecht eine Woche vorher über den Warnstreik informiert, um genügend Zeit für die Erarbeitung eines Notfallplans zu haben, so die Gewerkschaft.
Prim. Manfred Greher, Sprecher der Wiener Ordensspitäler, zeigte grundsätzlich Verständnis für die angespannte Lage, man sei auch weiter für vorgezogene Kollektivvertragsverhandlungen offen. "Aber die aktuelle Streikandrohung nach nur zwei Verhandlungsrunden halten wir nicht für verhältnismäßig", meinte er in einer Aussendung. Betont wurde außerdem, dass man gemeinnützig und steuergeldfinanziert und daher von der finanziellen Vereinbarung mit der Stadt Wien abhängig sei, die gerade parallel verhandelt werde und daher noch nicht abgeschlossen sei. Für den Warnstreik habe man sich gut vorbereitet, wurde betont. Der Dienstbetrieb sei so gewährleistet gewesen, dass Notfälle jederzeit adäquat behandelt werden konnten.
Der Wiener Ärztekammer-Vizepräsident Stefan Ferenci ließ die Arbeitgeber-Argumente am Rande der Kundgebung nicht gelten. Die Häuser der Vincenz-Gruppe hätten in den vergangenen Jahren gute Gewinne gemacht, sagte er zur APA. Es sei nur fair, wenn die Mitarbeiter einen Teil davon bekommen würden. Ärztekammer und Gewerkschaft stünden hier zusammen, man vertrete dieselben Ziele und Interessen.
Rauch: "System braucht grundlegende Reform"
Gesundheitsminister Johannes Rauch von den Grünen wurde am Mittwochabend von Armin Wolf in der ZIB2 zu den Streiks und der generellen Lage im Gesundheitswesen befragt. Rauch beteuerte, alle Beteiligten an den Verhandlungstisch holen zu wollen. "Die Ärztekammer war nicht immer kooperativ, jetzt aber schon. Ich orte bei allen Playern Gesprächsbereitschaft, denn wenn wir so weiterfahren wie bisher, wird es sich nicht ausgehen. Das System braucht eine grundlegende Reform und mehr Flexibilität", erklärte der Minister.