Chronik/Wien

Walter Ruck: "Wenn das Richtige unbequem ist, ist es trotzdem richtig"

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Wirtschaftskammer-Chef Walter Ruck (ÖVP) haben diese Woche ein digitales Registrierungssystem für die Gastronomie präsentiert. Das kam nicht nur gut an.

KURIER: Warum entwickelt die Wirtschaftskammer ein eigenes Tool, wenn es bereits ähnliche App-Lösungen von Unternehmen gibt, die noch dazu eigentlich jeden Auftrag brauchen könnten?

Walter Ruck: Zu mir ist keine Kritik vorgedrungen. Ich habe viel Zuspruch von Gastronomen bekommen.

Wir standen vor der Wahl, eine Registrierung einzuführen oder die Sperrstunde vorzuverlegen. Ich habe mich mit dem Bürgermeister ausgetauscht und wir waren der Meinung, dass es wesentlich besser ist, zu registrieren. Die Wirte könnten ab 19 Uhr keinen Tisch mehr verkaufen, wenn Sie um 22 Uhr zumachen.

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Mit der Registrierung hat man den Gastronomen aber eine riesen Verpflichtung auferlegt: Sie müssen alles verwalten und haften für die Datensicherheit. Das wollten wir lösen.

Die Wirtschaftskammer hat unzählige Mitglieder. Da ist keine Firma dabei, die das lösen hätte können?

Wir trauen das allen Mitgliedern zu. Es geht allerdings um ein sehr ausgeklügeltes System, das Datensicherheit garantieren soll.

Bei unserer großen Lösung sieht der Gastronom die Daten des Gastes gar nicht. Diese werden sofort an einen sicheren Server übermittelt, der gemeinsam mit der Stadt Wien betrieben wird.

Nicht einmal die Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde können direkt auf die Daten zugreifen – insgesamt braucht es dafür drei digitale Schlüssel.

Jetzt muss es gelingen, die Wirte dazu zu bringen, die Lösung anzunehmen.

Mittlerweile haben sogar Hoteliers angefragt, ob sie mitmachen können. Wir werden das System ausbauen. Je mehr mitmachen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, das Virus zu besiegen.

Die Infiziertenzahlen steigen stark. Orten Sie Versäumnisse der Stadt Wien?

Für diese Situation gibt es keine Blaupause oder Vergleichsvorlage.

Andere Bundesländer sind eine Vergleichsmöglichkeit.

Ich würde Wien eher mit Paris vergleichen und weniger mit St. Pölten oder Niederösterreich.

Ich glaube, dass man derzeit Schritt für Schritt die richtigen Maßnahmen setzt. Ich bin der Letzte, der irgendwohin einen Stein werfen möchte.

Der Handel stöhnt über die Rückkehr der Maske.

Ich habe für jede individuelle Sorge Verständnis. Es geht darum, so wenige Einschränkungen wie möglich, aber so viele wie notwendig zu treffen.

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Das ist ein schmaler Grat, aber es geht um den Gesamterhalt der Wiener Wirtschaft. Das mag für die eine oder andere Gruppe bedeuten, dass man manchmal zurückgehen muss.

Sie sind nicht nur Wiener Wirtschaftskammerchef, Sie sind auch ÖVP-Funktionär ...

Sie haben das jetzt in der richtigen Reihenfolge gesagt.

Sie treten wenige Tage vor der Wien-Wahl mit dem SPÖ-Spitzenkandidaten auf. Verstehen Sie, dass das in Ihrer Partei für Unmut sorgt?

Ich bin in erster Linie Wiener Wirtschaftskammerpräsident und der Herr Bürgermeister ist in erster Linie Bürgermeister. Für uns beide gilt, das Wichtige und Richtige für Wien zu tun.

Glauben Sie wirklich, dass es unseren Ämtern angemessen wäre, aus taktischen Überlegungen mit Maßnahmen zu warten?

Sie konterkarieren mehrfach die Parteilinie: Sie sprechen sich gegen die frühere Sperrstunde aus, die die ÖVP fordert. Für Ärger sorgt auch, dass Sie sich mit Martin Selmayr, dem EU-Vertreter in Wien, und dem Bürgermeister zum Thema Fixkostenzuschuss getroffen haben, nachdem kurz zuvor Ihr ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel die EU kritisiert hat.

Ich tu mir schwer, zu beurteilen, was irgendjemanden ärgert. Wenn das Richtige unbequem ist, ist es zwar unbequem, aber trotzdem richtig.

Wenn mir jemand beweisen kann, dass die Vorverlegung der Sperrstunde in Wien, wo kein Mensch um 22 Uhr schlafen geht, eine bessere Lösung ist – dann bin ich bereit, nachzudenken, ob ich mich geirrt habe. Aber ich glaube, das wird nicht möglich sein.

Und zur EU: Es geht um Wettbewerbsrecht. Wenn mir jemand erklärt, dass eine Exportnation wie Österreich das Wettbewerbsrecht aushebeln soll, dann verstehe ich wirtschaftspolitisch die Welt nicht mehr.

Wer hat Recht? Die EU oder Gernot Blümel?

Das ist keine Schwarz-Weiß-Situation. Die Differenzen sind bei genauem Hinsehen nicht so groß, dass man sie nicht, wenn man guten Willens ist, lösen kann. Ein paar Tage später ist das ja passiert.