Türkise (Klebe-)Bande mit der Schubertlinde
Von Nina Oezelt
An diesem Mittwochabend ist in der Neustiftgasse alles fast wie immer: Die Autos stehen im Stau. Für die wartenden Fahrer gibt es aber auch etwas Ungewöhnliches zu sehen: Mehrere ÖVP-Bezirksräte, die um die Schubertlinde am Augustinplatz türkise Zettel verteilen. Und einen jungen Mann, der auf einer Bühne ein deutsches Raplied namens „Stylish“ zum Besten gibt.
All das macht einen Fahrradfahrer an der roten Ampel neugierig: „Was ist denn hier los?“, fragt er einen vorbeikommenden Mann. „Die ÖVP protestiert gegen den Abriss der Schubertlinde. Die soll dem U-Bahn-Bau zum Opfer fallen“, sagt der gutinformierte Passant.
Die Aktion findet zu einem heiklen Termin statt: Zur selben Zeit hält ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel seine Wien-Rede (siehe Seite 6). Vielleicht sind aus diesem Grund auch nicht gar so viele türkise Sympathisanten zugegen. Anrainer kamen aber dennoch. „Ich habe in der Schubertgase gewohnt, es wäre eine Schande, wenn der Baum wegkommt“, sagt ein Mann in Rollschuhen.
Wie berichtet, soll der Baum Platz für einen Notausstieg der verlängerten U2 machen. Sie fährt ab 2028 vom Schottentor über den 7. Bezirk zum Matzleinsdorfer Platz. Die Baustelle ist teilweise schon eingerichtet. Die Schubertlinde wurde zu Ehren des im 9. Bezirk geborenen Komponisten Franz Schubert gepflanzt. Und zwar zu seinem 100-jährigen Todestag – wie sechs weitere Linden in Wien. Die Neubauer ÖVP kämpft vehement für den Erhalt des Gedenkbaums – und wird dafür sogar aktionistisch.
Kopf aus Holz
Am Mittwoch lässt sich Christina Schlosser, umtriebige Bezirksparteichefin, symbolisch an den Baum ketten – mit türkisem Klebeband, für ein Foto. Der Baum sei „ökologisch und kulturell wichtig“, sagt sie.
Auch zwei Damen des Neubauer Chors sind vor Ort. „Wir wollen, dass die Gedenktafel neben der Linde erhalten bleibt“, sagen sie. Diese erinnert an den lokalen Männergesangsverein, der den Baum stiftete – also den Vorgänger des Chors der beiden Frauen.
Schlosser hat weitere Ideen, wie man das Andenken bewahren könnte: Der Augustinplatz könnte mit Zeilen aus dem Gedicht „Am Brunnen vor dem Thore“, das ursprünglich „Der Lindenbaum“ hieß und von Schubert vertont wurde, verziert werden. „Sollte der Baum wirklich gefällt werden, dann muss aus dem Stamm ein Schubertkopf geschnitzt werden“, fordert Schlosser. Bis dahin soll es mit dem Aktionismus noch lange nicht vorbei sei.