Chronik/Wien

Drohender Mammutprozess: Nach Terror in Wien sieht OGH Behördenfehler

Dass der bereits einschlägig verurteilte Islamist und spätere Attentäter von Wien, Kujtim F., einen Terrorangriff plante, zeichnete sich bereits im Vorfeld der Attacke ab. Da war einerseits die Teilnahme an einem Treffen mit Gleichgesinnten, andererseits der gescheiterte Munitionskauf in den Monaten zuvor.

Sowohl das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz (LVT) als auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) waren darüber im Bilde. Allerdings nur einzelne Mitarbeiter, sodass die Gefahr, die von dem Mann ausging, in ihrer Gesamtheit offenbar falsch eingeschätzt wurde. Auch die Staatsanwaltschaft, die eine Untersuchungshaft verhängen hätte können, wurde nicht informiert.

Mutter einer Hinterbliebenen kämpft um Aufklärung

Am 2. November 2020 kam es so schließlich zu dem Terrorattentat in der Wiener Innenstadt. Vier Personen richtete Kujtim F. an diesem Abend hin, erst ein tödlicher Schusswechsel mit der Polizei stoppte den Angreifer.

Unter den Opfern befand sich auch eine Kunststudentin aus Deutschland, deren Mutter seither um Schadenersatz und eine Aufklärung eines potenziellen Behördenversagens kämpft. Wie der Standard am Donnerstagnachmittag berichtet, haben die Anwälte der Frau nun einen großen Erfolg errungen: Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied Ende Mai, dass sich ein Gerichtsprozess mit der Frage befassen muss, ob die Behörden den Anschlag verhindern hätten können. In den ersten beiden Instanzen wurde dieses Ansuchen stets abgelehnt. 

Laut den Höchstrichtern ist der "Schutz vor Terror die zentrale Aufgabe des Staatsschutzes". Bei fehlerhaftem Verhalten könnte bei den Hinterbliebenen somit ein Anspruch auf Schadenersatz bestehen.

Verfassungsschützer könnten aussagen

Der Republik Österreich droht jetzt ein langwieriger Prozess rund um Versäumnisse im Zusammenhang mit dem Terroranschlag. Vor Gericht würden dann wohl auch zahlreiche Verfassungsschützer erscheinen müssen - Ermittlungen gegen diese blieben bisher ohne Folgen.

Zehn Monate nach dem Anschlag in Wien hatten Sozialministerium und die Finanzprokuratur einen Terroropferfonds eingerichtet. Dieser zahlte bisher mehr als 1,6 Millionen Euro aus. Bei dem bevorstehenden Mammutprozess dürfte es also auch um die Frage gehen, ob Angehörigen der Opfer über diese Zahlungen hinaus Ansprüche zustehen.