Wien: Schwierige Zeiten für Moscheen
Von Bernhard Ichner
Über 1755 Quadratmeter erstreckt sich das Kulturzentrum der Islamischen Föderation Wien (IFW) in Rudolfsheim-Fünfhaus. Inklusive Kantine, Seminarraum, Frauen-, Jugend- und Mädchenabteilung sowie der 480 Quadratmeter großen Aziziye-Moschee. Rund 300 Gläubige kommen hier zum Freitagsgebet zusammen. Heute, Samstag, stehen die Pforten des Gebetshauses aber primär Nicht-Muslimen offen. Denn mit dem traditionellen Tag der offenen Moschee wollen die teilnehmenden Vereine Gastfreundschaft demonstrieren und Vorurteile abbauen.
Gerade im Fall der IFW, die der türkischen Milli-Görüs-Bewegung nahesteht, dürfte das nicht so einfach werden. Denn laut einer wenige Tage vor der Wahl von ÖVP-Chef Sebastian Kurz präsentierten Moschee-Studie im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds werde gerade in Gebetsstätten dieses Verbands Integration aktiv behindert. In welchen genau, wird in dem 90-seitigen Bericht, für den die Autoren Heiko Heinisch und Imet Mehmedi 16 Gebetsstätten untersuchten, aber nicht verraten.
Umma und Kalifat
In einer großen IFW-Moschee trete der Imam „für die Errichtung einer politisch geeinten Umma (religiöse Gemeinschaft der Muslime) unter einem Kalifat“ ein, heißt es in der Studie. Muslime in Österreich sehe er „nicht als Teil der österreichischen Gesellschaft“, sondern als Diaspora-Gemeinde, der die Verantwortung zukomme, „den Glauben in der Fremde reinzuhalten“. Und selbst der bewaffnete Dschihad werde „nicht dezidiert abgelehnt“.
Das Resümee der Autoren lautet daher: „die in dieser Moschee verbreiteten Glaubensinhalte können als extremistisch betrachtet werden“.
Bei der IFW will man dies nicht auf sich sitzen lassen. Für Präsident Mehmet Arslan und Vereinssprecher Harun Erciyas ist die Wahrnehmung "geradzu paradox". Sie streiten einzelne Kritikpunkte zwar nicht ab, bestätigen sie aber auch nicht. „Wir kennen die Aufzeichnungen der Studienautoren leider nicht. Würden wir sie hören, könnten wir den Imam gegebenenfalls identifizieren und Konsequenzen ziehen“, sagt Arslan. Einige der Textpassagen seien zudem aus dem Zusammenhang gerissen und sinnentfremdet. Extremisten fänden in den Moscheen der IFW definitiv "keine Anknüpfungspunkte", beteuert der Präsident.
„Teil der Gesellschaft"
So schließe man den bewaffneten Dschihad sehr wohl kategorisch aus – der Dschihad sei ausschließlich als „Kampf gegen das Ego“ zu verstehen, erklärt Erciyas. Die Umma sei die „muslimische Community“, die gemeinsam bete oder das Fasten breche. „Und wir wollen auch kein Kalifat errichten.“
Am Hochhalten von Werten in der „Fremde“ sei nichts auszusetzen, meint der in Österreich sozialisierte Niederösterreicher mit türkischen Wurzeln. „So lange man sich nicht isoliert.“
Diese Tendenz würden zwar einige der insgesamt 10.800 IFW-Mitglieder – insbesondere der ersten und zweiten Generation – „mangels Willkommenskultur“ zeigen. Als Vereinsvorstand bemühe man sich aber, genau das Gegenteil zu erreichen.
„Wir sind ein Teil der Gesellschaft“, betont der frühere SPÖ-Bezirksrat Arslan. „Darum haben wir zuletzt massiv dazu aufgerufen, zur Wahl zu gehen. Wir bestärken unsere Mitglieder auch darin, in den Bezirken und Gemeinden zu partizipieren – etwa, indem sie sich bei der Feuerwehr, beim Roten Kreuz oder in Vereinen engagieren.“ Als Dienst an der Allgemeinheit habe man im Vorjahr zudem die Notversorgung von 10.000 Flüchtlingen in einer Halle in Simmering verstanden, die in Kooperation mit Innenministerium und Stadt Wien organisiert wurde. „Solche Bemühungen ließen sie Studienautoren aber leider unerwähnt“, kritisiert Arslan.
Doch auch der IFW-Vorstand sieht Handlungsbedarf in den Moscheen. Zurzeit arbeitet man daran, die türkischsprachigen Predigten für die Gläubigen auch auf Deutsch zu übersetzen.
Beim Tag der offenen Moschee stelle man sich gern kritischen Fragen, versichert Erciyas. Aber auch das restliche Jahr seien Besuche nach Voranmeldung gern gesehen. Geöffnet sind die Gebetshäuser am Samstag von 11 bis 15 Uhr. Alle teilnehmenden Vereine sind unter www.derislam.at/tom/ ersichtlich.