Chronik/Wien

Tägliche Schläge für eine Schwangere? Wende bei Prozess in Wien

Dass der 22-Jährige ein Aggressionsproblem hat, bekommen Zuhörer im Wiener Landesgericht am Dienstag noch vor der Verhandlung zu hören. "Keine Fotos, du F*", beschimpft er eine Fotografin, dann stellt er sich in ein Winkerl, tritt von einem Bein nervös aufs andere.

Was die Staatsanwältin dem Slowaken wenig später vorwirft, ist allerdings eine andere Liga. Der junge Mann soll seine schwangere Freundin täglich geschlagen haben. Mit der Hand, der Faust oder einem Gürtel. Er soll sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben, die heiße Asche seines Joints auf ihren Bauch fallen haben lassen, ihr ein Küchenmesser in den Oberschenkel gerammt haben. Und vieles mehr. Ihr Handy soll er zerstört haben - damit sie keinen Kontakt zur Außenwelt halten konnte. Arztbesuche waren nur selten erlaubt, selbst in der Wohnung habe sie sich nicht frei bewegen dürfen.

"Frau war sein Eigentum"

"Er sah die Frau als sein Eigentum. Er war krankhaft eifersüchtig", sagt die Staatsanwältin. Die tägliche Gewalt habe schließlich zu einem Notkaiserschnitt geführt, bei der Geburt fielen den Ärzten die zahlreichen Hämatome auf.

Der Angeklagte allerdings dürfte die Vorwürfe nicht allzu ernst nehmen. "Sie lügt", meint er und winkt lachend seinem Vater zu, der ganz hinten im Gerichtssaal die Verhandlung verfolgt. Er fiel dem Richter schon zuvor auf. "Sie brauchen keine Sonnenbrille hier, es ist nicht so hell."

Erfahrung mit der Justiz hat der 22-Jährige jedenfalls schon gesammelt. Insgesamt drei Vorstrafen gehen auf sein Konto, unter anderem wegen schweren Raubes und schwerer Körperverletzung. Gegen den Mann besteht seit längerer Zeit ein Aufenthaltsverbot. "Deshalb konnte ich ja gar nicht in Österreich sein", bestreitet er sämtliche Vorwürfe.

Schnell schwanger

Kennengelernt hatte die Frau den Angeklagten über Facebook. "Ich bin dann am Wochenende zu ihm in die Steiermark gefahren", schildert sie. Dort habe er nämlich bei seiner Familie gewohnt - trotz Aufenthaltsverbots. Nach zwei weiteren Besuchen zog die 20-Jährige zu ihm, brach sogar ihre Lehre in Wien ab. "Ich bin dann schnell schwanger geworden."

Dann soll die Gewalt begonnen haben. Erst Klapse, die sich nach und nach zu regelrechten Gewaltorgien ausgewachsen haben sollen.

Der Angeklagte erzählt eine andere Geschichte: "Nach drei Monaten war Schluss, sie hat mich betrogen." Eifersüchtig sei er deshalb nicht gewesen. "Ich habe genug andere Mädels. Es gibt 1.000 andere Frauen." Ob das Kind von ihm sei, wisse er gar nicht. Er habe erst beim Notkaiserschnitt davon erfahren.

Blatt wendet sich

Die Aussagen seiner Ex-Freundin (sie wird in einem Nebenzimmer befragt) quittiert er spöttisch, lacht oder regt sich bei seinem Anwalt auf. "Ich bin eigentlich von der Steiermark wieder heim zu meinen Eltern geflohen", erzählt die Frau. Diese hätten auch die Wunden und Brandflecken an ihrem Körper gemerkt.  Doch der Angeklagte sei nach Wien nachgekommen. Man zog zu zweit in eine Wohnung in Wien-Penzing. Dort soll es dann eskaliert sein.

Doch bei der Befragung durch den Richter verwickelt sich die Frau in Widersprüche. Zum Teil relativierte sie die Vorwürfe auch plötzlich. Und Chats zeigen, dass sie sich bemühte, den Ex zurückzugewinnen.

Zudem gibt es auch noch eine Verurteilung der Frau aus der Vergangenheit: Sie ist wegen falscher Zeugenaussage vorbestraft. Vor einigen Jahren hatte sie ihre eigene Entführung vorgetäuscht. Zuletzt gesteht die Frau ebenfalls zu, dass sie als Jugendliche in psychiatrischer Behandlung war, nachdem sie sich selbst Verletzungen zugefügt hatte.

Für das Schöffengericht bleiben unterm Strich zu viele Zweifel. Entsprechend sprechen sie den Mann von den Vorwürfen frei. "Ich küsse den Boden", verkündete der 22-Jährige nach der Urteilsverkündung. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig.

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