Chronik/Wien

Platznot in Wien: Eine Wohnung, 50 Anmeldungen

Heimische Zeitungen gehen mit der rot-grünen Stadtregierung ja nicht allzu schmeichelhaft um. Umso lieber zitiert Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) aus deutschen Medien wie der Süddeutsche Zeitung oder der ARD, die in mittlerweile regelmäßigen Abständen die vergleichsweise niedrigen Mietpreise in Wien und die Wohnbau-Politik des Rathauses über den grünen Klee loben.

Gelegenheit dafür bot sich dem Bürgermeister einmal mehr am Dienstag, als er gemeinsam mit Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) das neue Stadtquartier Berresgasse in der Donaustadt präsentierte. Bis 2022 sollen auf dem Areal beim Badeteich Hirschstetten rund 3000 geförderte Wohnungen entstehen. Dazu gehören 230 Gemeindewohnungen, günstige Smart-Wohnungen (mit kompaktem Grundriss), sowie spezielle Unterkünfte für Jugendliche oder Senioren. Laut Ludwig soll das Viertel weitgehend autofrei werden.

Das Projekt ist Ergebnis des bisher größten vom Wohnfonds Wien abgewickelten Bauträgerwettbewerbs. Es ist damit auch das größte der aktuellen Wohnbau-Offensive, mit der die Stadt bis 2020 knapp 14.000 leistbare Wohnungen auf Schiene gebracht werden sollen. Fünf der Projekte umfassen mehr als 1000 Wohnungen (siehe Grafik).

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Doch reicht das angesichts des enormen Bevölkerungswachstums Wiens?

Allein zwischen 2016 und 2017 nahm die Zahl der Bewohner um 27.000 zu.

Günstig ist gefragt

„Für Menschen, die es sich leisten können, zwölf bis 13 Euro pro Quadratmeter Miete zu bezahlen, gibt es in Wien genügend Wohnungen“, sagt Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik in der Wiener Arbeiterkammer. Es gehe vielmehr um den Ausbau der leistbaren Wohnungen – also solche mit Bruttomieten bis maximal acht €/m², die sich vor allem in den Genossenschaften und den Gemeindebauten (Kategorie A) finden.

Jährlich 7000 geförderten Wohnungen wurden in der Stadt in den vergangenen Jahren erreichtet. Laut Wohnbaustadträtin eine „internationale Spitzenleistung“. Laut Ritt aber immer noch zu wenig: „Wir bräuchten pro Jahr 9000 leistbare Wohnungen.“ Ein Ziel, das auch die Stadt für die kommenden Jahre anpeilt.

Wie sehr eine Steigerung der Bauleistung nötig ist, zeigen die mittlerweile enorm langen Wartelisten bei Genossenschaftswohnungen. „Auf eine Wohnung kommen bereits 50 Anmeldungen. So etwas gab es vor 15 Jahren noch nicht“, schildert Experte Ritt. Ein Problem sieht er in den explodierenden Grundstück-Preisen: „Geförderter Wohnbau kann fast nur mehr auf den Grundstücken im Besitz der Stadt erfolgen. Selbst Wiesen in der Donaustadt sind heute kaum mehr leistbar.“

Entspannen könnte sich die Lage durch die neue Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“. Wo sie gilt, müssen zwei Drittel der Wohnungen nach den entsprechenden Kriterien errichtet werden. Ob sich die Maßnahme tatsächlich bewährt, wird sich allerdings erst in einigen Jahren zeigen.