Planetarium Wien: Einmal nach den Sternen greifen
Von Johanna Kreid
Die Sterne vom Himmel holen: Umgangssprachlich verstehen wir darunter, nach Großem – wenn nicht gar Unmöglichem – zu streben. Wie gut, dass uns die Sterne derzeit regelrecht entgegenkommen, da es im August alljährlich Sternschnuppen regnet.
Was verbirgt sich hinter dem Phänomen Perseiden und woher kommt es? Der KURIER sprach mit Michael Feuchtinger, Direktor des Wiener Planetariums, über Sternschnuppen, Aliens – und was Bier damit zu tun hat.
Fraglos sind Sternschnuppen faszinierende Erscheinungen: Sie gelten als Glücksbringer, als göttliche Funken oder auch als Vorboten von Unheil. Dabei sind sie im Prinzip bloß Brösel, die ein Komet hinterlassen hat.
Schmutzige Schneebälle
„Kometen“, holt Feuchtinger aus, „sind eigenartige Objekte.“ Während „wir“ – also die Erde und andere Planeten – um die Sonne kreisen, bewegen sich Kometen in Form lang gezogener Ellipsen um die Sonne. In Fachkreisen werden Kometen auch „schmutzige Schneebälle“ genannt. „Denn sie bestehen vor allem aus Staub und Eis. Treffender wäre eigentlich: schneeige Schmutzbälle“, sagt Feuchtinger und lacht.
Brösel im Universum
Ein solcher Komet ist Swift-Tuttle: 133 Jahre benötigt er für einen Umlauf auf seiner Bahn. Jedes Mal, wenn er dabei der Sonne nahekommt, schmelzen und brechen Teile von ihm ab. „Er hinterlässt sehr viele Brösel, die teilweise nur ein paar Millimeter groß sind“, so Feuchtinger.
Einmal pro Jahr kreuzt die Erde auf ihrem Weg um die Sonne dieses Brösel-Feld. Dringen die Steinchen mit hoher Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre ein, entstehen Reibung und Hitze – die Luft leuchtet. Diese Leuchtspuren sind es, die wir poetisch als Sternschnuppen bezeichnen.
Perseiden werden sie übrigens genannt, weil sie aus Richtung des Sternbilds Perseus kommen. Denn der Nachthimmel hat die Menschen bereits in der Antike fasziniert, viele Sternbilder sind nach Figuren der griechischen Mythologie benannt.
Astrophysik ist also keineswegs nur trocken-wissenschaftliche Materie. Feuchtinger und seinen Kollegen gelingt es, Forschungsergebnisse mit viel Humor zu erklären. Was das Publikum am meisten interessiert? „Ob es Aliens gibt“, erwidert Feuchtinger. Seine Antwort? „Mittlerweile wissen wir, dass es um jeden Stern ein Planetensystem und so etwas wie habitable Zonen gibt“, sagt er.
Das Planetarium der Wiener Volkshochschulen im Prater, gleich neben dem Riesenrad, zählt zu den modernsten Planetarien Europas. Seine Kuppel hat einen Durchmesser von 20 Metern. Ein moderner Sternenprojektor sowie acht Videoprojektoren schaffen es in Sekundenschnelle, 9.000 Sterne darauf zu projizieren. Auch Sternbildfiguren, die Milchstraße, Sternenhaufen und Galaxien werden detailgetreu gezeigt. Wer hier in den Nachthimmel blickt, sieht ihn klar wie nie zuvor, da keine Lichtverschmutzung die Sicht trübt.
Das erste Wiener Planetarium wurde bereits im Mai 1927 vor dem heutigen Museumsquartier eröffnet, vorerst war es nur als Provisorium gedacht. 1930 übersiedelte es auf den Praterstern. Man wollte den Menschen Erkenntnisse aus der Astronomie näherbringen, die Vorstellungen wurden regelrecht gestürmt. Der Zweite Weltkrieg setzte dem aber ein Ende – 1945 wurde das damalige Planetarium zerstört.
Erst im Juni 1964 wurde schließlich ein neues Planetarium an seinem heutigen Standort im Prater eröffnet. Heuer im Juni feierte man einen runden Geburtstag: Seit 60 Jahren bemüht sich das aktuelle Planetarium nun schon um Wissensvermittlung. Pro Jahr zählt man um die 100.000 Besucher.
All-gegenwärtiges Bier
Laufend gebe es neue Entdeckungen auf diesem Gebiet: etwa Trappist-1, ein 40 Lichtjahre von der Erde entferntes Planetensystem. Sein Zentralstern ist ein Roter Zwerg, quasi eine Mini-Version unserer Sonne. Darum kreisen sieben teils erdähnliche Planeten. Belgische Astronomen entdeckten dieses Planetensystem 2016. Sie haben es nach ihrem Lieblingsbier – Trappistenbier, das von Mönchen gebraut wird – benannt.
1.559.977
Besucher zählte das Planetarium seit 1992 (seitdem werden die Zahlen aufgezeichnet)
Perseiden-Show
Jedes Jahr gibt es eine Perseiden-Show: Heuer am
12. 8. (19 bzw. 21 Uhr) im Planetarium (Oswald-Thomas-Platz 1, 1020 Wien). 25 €. Anmeldung: vhs.at/planetarium. Jeder Besucher erhält eine echte Sternschnuppe (s. Foto) als Andenken
Bei Trilliarden an Sternen sei es „extrem wahrscheinlich“, dass sich auch anderswo Leben entwickelt hat. Doch gibt es Chancen auf Kontakt mit außerirdischem Leben? Dies halte er für „unwahrscheinlicher als einen Lotto-Sechser“, antwortet Feuchtinger und lacht. Besser stehen da schon die Chancen, die Perseiden zu sehen: Der Höhepunkt fällt heuer auf die Nacht vom 12. auf den 13. August. In Wien kann man in der Innenstadt im Idealfall drei bis sechs Perseiden pro Stunde beobachten, am Stadtrand gar sechs bis 15. Am besten sieht man sie mit freiem Auge – oder bei der Perseiden-Show im Planetarium.
Dort ist es übrigens nicht unmöglich, nach den Sternen zu greifen: Jeder Besucher der Show erhält als Andenken eine echte Sternschnuppe.