Chronik/Wien

Die hohen Kosten für zwei Demo-Nächte

Binnen drei Tagen legten zwei Demos die Wiener Innenstadt lahm. Nach den Protesten gegen den Akademikerball am Freitag standen sich am Montag bei der Pegida-Demo erneut Linke und Rechte gegenüber. Wieder musste die Polizei mit einem Großaufgebot dazwischen gehen.

Wie lautet die Bilanz der Demonstrationen?

Am Montag waren es 13 Festnahmen, eine schwerverletzte linke Demonstrantin und mehr als 300 Beteiligte. Am Freitag gab es 56 Festnahmen und ebenfalls 300 Identitätsfeststellungen. Freitag und Montag waren mehr als 5000 Demonstranten auf der Straße. Die Polizei bot an beiden Tagen 4000 Beamte auf. Beide Einsätze kosteten 2,3 Millionen Euro.

Hier geht's zum Rückblick: So verlief die erste Pegida-Demo in Wien.

Welche Folgen haben die Anzeigen der Polizei?

Das ist noch offen. Derzeit wird gegen verschiedene Teilnehmer der Pegida-Demo noch ermittelt. Der Verdacht lautet nicht nur wegen des Hitlergrußes auf "Wiederbetätigung".

Was war heuer anders?

Im Gegensatz zum Vorjahr blieb die Wiener Innenstadt bei den Demos von Verwüstungen weitgehend verschont. Bürgermeister Michael Häupl lobte daher die Arbeit der Polizei. Anders dürften das jene sehen, die zur Identitätsfeststellung mussten. Die Polizei fackelte nach dem offiziellen Ende der Kundgebungen nicht lange. Wer nicht ging, musste zum Polizeibus. Die Beamten nahmen die Sache so ernst, dass sie sogar ihren Pressesprecher einkesselten.

Was gab es im Internet?

Viel. Gegen 23 Uhr legte die Hackergruppe Anonymous Deutschland die Server der Polizei und des Innenministeriums lahm.

Warum konnte die Pegida nicht losmarschieren?

"Im Gegensatz zu Freitag ist die Blockadetaktik der linken Gruppen voll aufgegangen", sagt die Politologin Judith Goetz von der Uni Wien. Die Polizei habe das zugelassen, meint sie. "Denn es war auch in deren Interesse, dass die Demo nicht weitergeht." Das hat auch Erwin Pellet, den Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer, erfreut. Denn die Geschäftsleute bangten wieder um ihre Auslagen.

Finden nun weitere Demonstrationen statt?

Pegida hat zwar neue Demos in Wien und Linz angekündigt. Die gefallenen rechtsradikalen Parolen, könnten aber zum Verbot weiterer Veranstaltungen führen. Das wird derzeit geprüft. Einige Experten meinen aber, ein Verbot sei schwierig umzusetzen.

Wie steht Rot-Grün zu einem Demo-Verbot?

"Meinungsfreiheit muss für alle gelten, auch für unsympathische Gruppierungen", sagt SP-Landesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. Statt eines Verbots sei ihm eine starke Gegendemonstration viel lieber. "Demos zu verbieten, kann in einer Demokratie nur das letzte Mittel sein", sagt auch der Klubobmann der Grünen, David Ellensohn. Dass FP-Politiker Martin Graf in den Reihen der Pegida zu finden war, stößt Ellensohn sauer auf: "Ein Wahnsinn, dass da ein ehemaliger Nationalratspräsident mitrennt."

Hat Pegida in Österreich eine Zukunft?

"Pegida hat langfristig wenig Perspektiven, weil es sie hier nicht braucht", meint Politologin Goetz. "Dieses Spektrum deckt hier im Gegensatz zu Deutschland die FPÖ ab."

Was bedeuten die zwei großen Demonstrationen für die Wien-Wahlen?

"Ich rechne damit, dass der antimuslimische Rassismus bei den Wien-Wahlen eine Rolle spielen wird. Die FPÖ wird darauf setzen", sagt Goetz. Es habe aber keine politische Partei Vorteile aus den Demos ziehen können. "Hauptprofiteur ist die Zivilgesellschaft. Sie hat ein klares Zeichen gegen die Menschenfeindlichkeit gezeigt. Das wurde auch medial stark transportiert", sagt Goetz. "Die autonomen Proteste hingegen wurden durch die mediale Berichterstattung entpolitisiert, anstelle von inhaltlicher Kritik stand die Gewalt", sagt die Politologin. Am ehesten hätten sich die Grünen positioniert, die SPÖ habe sich eher bedeckt gehalten.

"Einziger Gewinner der Demo-Tage ist die Polizei": Ein Kommentar von KURIER-Chronik-Chef Michael Jäger

Bilder der Demonstrationen

Zwei große Demonstrationen und ein Behördenleiter, der sich bei öffentlichen Auftritten eher rarmachte: Die Absenz des Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl in der ZiB rund um Akademikerball und Pegida hatte gute Gründe. Die Polizei ging analog einer international üblichen Kommunikationsstrategie vor. Und dazu gehört die Zurückhaltung der Chefs.

Pürstl war Einsatzleiter: "Während dieser Zeitspanne, die zwei Tage gedauert hat, ist es undenkbar, dass der Einsatzleiter auch Medienauftritte macht", sagt er.

Alle Inhalte anzeigen
Zu TV-Ehren kam daher Oberst Johann Golob von der Pressestelle. Der hat internationale Erfahrungen von Bosnien bis Aserbaidschan. Golob verweist auf weltweit aktuelle Kommunikationsvorschriften, die vom US-Homeland Defense Department über die NATO bis zu Großunternehmen angewandt werden. Obwohl die Bewältigung der Anti-WKR-Demo für die Wiener Polizei ein unbestrittener Erfolg war, musste man, so Golob, die Methoden der "Krisenkommunikation" anwenden.

Hier gelte es, bereits vor dem Ereignis eine aktive Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Ziel sei, die Öffentlichkeit schnell und sachgemäß zu informieren. Dadurch gewinne die Behörde die Initiative bei der Kommunikation mit der Öffentlichkeit.

Mediensprecher

Alle Inhalte anzeigen
Ein Grundsatz laute auch, dass möglichst jene Pressesprecher kommunizieren, die auch in "Friedenszeiten" mit den Medien Kontakt halten. Das waren in diesen Fällen Golob und Mediensprecher Roman Hahslinger.

Der Hauptverantwortliche Pürstl würde nur ins Rennen geschickt, wenn es ganz besondere Botschaften zu vermitteln gilt. So war es dann auch: Pürstl trat öffentlich auf, um den NOWKR-Aktivisten das Verbot ihres geplanten Marsches zu verkünden. Und am Schluss gab es ein Fernsehinterview mit einer Zusammenfassung.

Die Anhänger von Pegida wollen auch in Oberösterreich Präsenz zeigen. Für Sonntag wurde ein "Spaziergang" durch Linz angemeldet. Treffpunkt ist um 15.30 Uhr am Vorplatz des Hauptbahnhofs. Auf Facebook lädt Pegida Oberösterreich "alle, die friedlich ein Zeichen für mehr Bürgerbeteiligung, für weitreichende demokratische Teilhabe und gegen Glaubenskriege auf österreichischem Boden setzen wollen, unabhängig ihrer Religion oder Herkunft", zu der Kundgebung ein.

Das Bündnis "Linz gegen Rechts" hat unterdessen bereits Protest angekündigt. Man werde den "Naziaufmarsch stoppen", denn in Linz sei kein Platz für "rechte Hetze und Rassismus". Besonders Muslime, Migranten und Flüchtlinge werden zu der Gegendemo eingeladen. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Linzer Hauptplatz.