Chronik/Wien

ÖVP Wien: Stadtrechnungshof muss Deutschförderung in Kindergärten prüfen

44,6 Prozent der Erstklässlerinnen und Erstklässler, die eine öffentliche Volksschule in Wien besuchen, hatten am Stichtag 1. Oktober einen "außerordentlichen Status".

Das bedeutet, sie können dem Unterricht wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht ausreichend folgen. 

Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) sprach vergangene Woche von "dramatischen Zahlen". Als dramatisch bezeichnet auch Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer die Situation an Wiens Kindergärten und Schulen bei einem Medientermin am Mittwoch.

Gemeinsam mit dem Wiener-ÖVP-Bildungssprecher Harald Zierfuß stellte er dabei ein Prüfersuchen an den Stadtrechnungshof bezüglich der Deutschförderung an Wiens Kindergärten. Dieses werde in den nächsten Tagen eingereicht, so Zierfuß.

Worum geht es genau?

Die Wiener ÖVP sieht die gegenwärtigen Mängel im Wiener Bildungsbereich in den Kindergärten verwurzelt. Laut Mahrer seien Volksschüler mit Sprachmängeln im Schnitt bereits zwei Jahre im Kindergarten gewesen, das habe eine Anfrage der ÖVP offenbart. Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, so wie vom Bildungsstadtrat gefordert, sei zwar eine gute Idee - reiche aber bei weitem nicht mehr aus.

Kritik an Wiederkehr

Wiederkehr müsse endlich Verantwortung übernehmen, kritisiert Mahrer. Der Kindergartenbereich falle in die Landeskompetenzen, nicht an den Bund: "Es werden PR-Aktionen veranstaltet, während einer Generation von Kindern die Zukunft geraubt wird."

Tatsächlich hat auch Wiederkehr wiederholt auf die Dringlichkeit der Thematik verwiesen und forderte mehr Mittel vom Bund für Sprachförderungen ein. Die Probleme beschränken sich allerdings nicht nur auf Wien, sondern sind bundesweit zu beobachten - der KURIER berichtete.

Es herrsche Gefahr im Verzug, aber die Probleme wären lösbar, zeigen sich die ÖVP-Politiker zuversichtlich.

Was die ÖVP fordert

Um Sprachdefizite zu beseitigen, fordert die Wiener ÖVP unter anderem eine Sprachstandsfeststellung von Dreijährigen sowie eine Kindergartenpflicht für Kinder mit Deutschförderbedarf ab drei Jahren.

Zusätzlich verlangen Mahrer und Zierfuß ein C1-Sprachniveau beim gesamten Kindergartenpersonal. Außerdem sollen alle Pädagoginnen und Pädagogen in Wien eine Sprachförderausbildung haben. Das geschehe aktuell in der Ausbildung bereits, aber auch bereits fertig ausgebildetes Personal solle dies nachholen, so Mahrer.

"Es liegt nicht an den Pädagoginnen und Pädagogen, sondern am System", betont der Wiener ÖVP-Chef. Das zeige sich beispielsweise bei den Fachkräften pro Kind: So würden 40 Prozent der Kinder, die eine Deutschförderung benötigen im Kindergarten eine solche nie zu Gesicht bekommen, sagt Zierfuß. Das habe ebenfalls eine Anfrage ergeben. "Hier entsteht ein massiver Nachteil für die weitere Schullaufbahn der Kinder", so Zierfuß weiter.

Was Favoriten damit zu tun hat

"Es darf kein Weiter wie bisher in der Bildungspolitik in Wien geben", heißt es vonseiten der ÖVP. Aus diesem Grund stellt die Partei ein Prüfersuchen an den Stadtrechnungshof Wien, um die Deutschförderung in Wiens Kindergärten generell - aber auch an einem konkreten Fallbeispiel zu überprüfen. Bisher gebe es nämlich keine genaue Untersuchung dazu, wie die Deutschförderung tatsächlich stattfinde.

Für die Überprüfung wurde der 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten ausgewählt. Dort gibt es 63,1 Prozent Erstklässlerinnen und Erstklässler mit einem außerordentlichen Status (1.543 Kinder). 62,3 Prozent davon sind laut ÖVP in Österreich geboren, 24,4 Prozent haben die österreichische Staatsbürgerschaft. Außerdem wurde der Kindergarten von den Schulkindern im Schnitt zwei Jahre lang besucht.

Der Bezirk sei groß genug, um eine Bandbreite an Erkenntnissen zu erhalten, so Zierfuß. Man wolle unter anderem den Erfolg nach Betreuungsform (beispielsweise ganztags und halbtags) eruieren sowie der Frage nachgehen, wie viel Zeit Kinder für Sprachförderung haben. Zusätzlich soll rückblickend eine Bestandsaufnahme von jenen Kindern durchgeführt werden, die aktuell die erste Klasse besuchen, um der Fehlerkultur auf den Grund zu gehen.

Man wolle mit der Anfrage "belastbare Fakten" schaffen, um konkrete Maßnahmen treffen zu können.

"Totales Managementversagen"

Auch die Wiener Grünen orten einen Verbesserungsbedarf im vorschulischen Bereich. „Die Wiener Bildungskrise ist das Ergebnis eines totalen Managementversagens der Neos“, so Parteichefin Judith Pühringer. Deshalb fordert die Partei Deutschförderung sei massiv auszubauen. Fixe Sprachförderkräfte an jedem Kindergarten-Standort als Teil des Teams sind in den Augen der Grünen dringend erforderlich.