Obdachlosenmorde: Verdächtiger heute wegen Attacke auf Mutter vor Gericht
Der 17-Jährige, der verdächtigt wird, zwei Obdachlose ermordet zu haben, erschien am Mittwoch, erst zwei Tage nach seinem umfangreichen Geständnis, vor Gericht. Gegenstand der Verhandlung im Wiener Landesgericht war allerdings eine Attacke auf seine Mutter am 18. September 2023. In dem separaten Verfahren fand die Staatsanwältin gleich zu Beginn klare Worte: “Es handelt sich um einen Gewaltexzess. Als ich die Anklageschrift gelesen habe, wusste ich nicht, dass er auch zwei Obdachlose getötet haben soll. Es passt aber ins Bild.”
➤ Mehr zum Thema: Wien: Sohn (17) schlug und trat Mutter mehrmals ins Gesicht
Jugendlicher verlor die Kontrolle
An jenem 18. September verlor der 17-Jährige im Zuge eines Streits mit seiner Mutter offenbar völlig die Kontrolle. Er soll die Frau mit den Fäusten zu Boden geprügelt und dann wiederholt auf sie eingetreten haben. Auch gegen ihren Kopf. Sie erlitt eine Schädelprellung, Abschürfungen und Rippenbrüche.
“Er wollte seine Mutter verletzen”, fuhr die Staatsanwältin fort, ehe sich der Angeklagte plötzlich unaufgefordert zu Wort meldete und dabei die Hand hob wie in der Schule. Scharf fuhr im die Anklagevertreterin ins Wort: “Sie sind jetzt still.”
➤ Mehr lesen: 17-Jähriger soll Obdachlosen-Serienmörder sein: Details zum Motiv
Wenig später konnte man erahnen, was der schlaksige Jugendliche, dem man sein junges Alter ansieht, sagen wollte. Zitiert wird ein Teil seiner damaligen Polizeiaussage. Er gab an, seine Mutter habe ihn im Vorfeld tyrannisiert, er verwies auf seine schwierige Lebenssituation und sagte schließlich sogar, er sei stolz, der Frau gegenüber nicht früher gewalttätig geworden zu sein.
Etwas anders schilderte das der Verteidiger des jungen Mannes, Manfred Arbacher-Stöger: “Mein Mandant bekennt sich nicht schuldig.” Demnach stehe Unzurechnungsfähigkeit im Raum. Der 17-Jährige habe vor dem Übergriff Drogen, darunter Ecstasy, Koks und Pferdeberuhigungsmittel, konsumiert.
Mutter wollte nicht aussagen
Dass der Beschuldigte Drogen genommen hat, hielt auch eine Nachbarin, die als Zeugin geladen war, für denkbar: “Ich habe Hilferufe gehört und dann gesehen, wie er sie tritt. Ich hab’ ihn gebeten, aufzuhören, aber er starrte mich nur an und machte weiter.” Auch die Mutter, die am Mittwoch nicht aussagen wollte und in einem separaten Raum saß, soll geschrien haben, er solle von ihr ablassen.
Angeklagter gähnte
Zwischendurch wurde der Angeklagte gefragt, ob er dem Verfahren folgen könne. Immer wieder gähnte er, wirkt abwesend und gleichgültig. Auf die Frage, ob er Medikamente bekommen habe, konnte er keine klare Antwort geben. Allgemein war der 17-jährige Österreicher am Mittwoch akustisch nur schwer zu verstehen. “Ich verstehe, was hier stattfindet”, sagte er schließlich, sodass der Prozess fortgesetzt werden konnte.
➤ Mehr lesen: Nach Messerattacken auf Obdachlose: Wie ein Jugendlicher zum Serienmörder wird
Die Nachbarin kam noch einmal zu Wort. Unter Tränen schluchzte sie, dass der Bursche immer nett gewesen sei. “Wir haben uns immer gut unterhalten, am Tag der Tat war er aber wie ausgewechselt.”
Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidiger Arbacher-Stöger sprachen sich schließlich für ein psychiatrisches Gutachten aus. Dieses dürfte laut Richterin allerdings frühestens in 6 Wochen vorliegen. In Österreich gibt es nur zwei Sachverständige im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der Prozess wurde daher schließlich vertagt.
Gutachten in Auftrag gegeben
Auch im Fall rund um die Obdachlosenmorde wird es ein Gutachten geben. "Wir planen, auch in diesem Fall einen Sachverständigen zu beauftragen. Es handelt sich schließlich um verschiedene Tatzeitpunkte", sagte Sprecherin Nina Bussek auf KURIER-Anfrage.
Verteidiger Arbacher-Störer bezog nach dem rund 20-minütigen Prozess noch Stellung: “Das Geständnis vom Montag hat nichts mit dem heutigen Prozess zu tun. Mein Mandant hat sich gestellt, weil er Klarheit schaffen wollte. Er wollte nicht, dass in 5 oder 10 Jahre neue Beweise ans Licht kommen und ihn dann aus dem Leben reißen. Er will sich jetzt neu ordnen.” Er selbst habe den mutmaßlichen Doppelmörder bisher als “normalen, lieben 17-Jährigen erhebt”. Der Beschuldigte sei betrübt, gleichzeitig aber auch erleichtert.