Chronik/Wien

Missbrauchsvorwürfe gegen DJ: "Hab’ versucht, mich rauszukämpfen"

Seit Anfang März war Marlene* nicht mehr in der Pratersauna. Auch andere Techno-Clubs hat die 24-Jährige seither nicht mehr besucht. „Wenn ich feiern gehe, dann überlege ich mir vorher, wer dort sein könnte“, sagt die Studentin. 

Meist geht sie mit ihren engsten Freunden fort. Auch in jener Nacht im März feierte die junge Frau im Kreis vieler Bekannter.

Einer davon war der 29-jährige DJ, den Marlene bereits seit zwei Jahren kennt. An diesem Abend war der Mann bleich und zitterte, erzählt sie. „Er wollte unbedingt, dass ich ihm helfe, etwas zu ziehen, weil es ihm schlecht gegangen ist. Irgendwann hab ich nachgegeben und bin mit ihm aufs Klo gegangen.“

Sie selbst wollte keine Drogen nehmen. Er sperrte die Tür ab, sie wandte sich mit dem Rücken zu ihm und sortierte das Pulver. „Ich wurde dann nach vorne gestoßen von ihm. Er hat mich überall angefasst, mir die Strumpfhose und den Rock runtergezogen“, beschreibt Marlene.

Flucht aus der Klokabine

Sie wirkt gefasst, ihre Stimme zittert nicht. Man merkt, dass die 24-Jährige das Erlebte nicht zum ersten Mal erzählt. Sie habe sich gewehrt und Nein gesagt, er habe aber nicht von ihr abgelassen. „Er ist dann auch mit dem Finger in mich eingedrungen“, sagt sie.

Wie Marlene aus der Klokabine flüchten konnte, weiß sie nicht mehr. „Ich hab’ einfach versucht, mich da rauszukämpfen.“ Mit ihren Freunden darüber sprechen wollte sie am selben Abend nicht mehr. Erst ihrer besten Freundin vertraute sich die junge Frau an. „Mir wurde klar, dass es nicht meine Schuld war. Ich bin nur mitgegangen, weil ich ihm helfen wollte.“

Prozess am 17. Oktober

Drei Wochen später hat die 24-Jährige ihren Bekannten wegen Vergewaltigung angezeigt. Hätte sie diesen Schritt nicht unternommen, wäre es vielleicht niemals zu einem Prozess gekommen. Zuerst berichtete der Falter über den Fall. 

Der 29-Jährige muss sich nun am 17. Oktober am Wiener Landesgericht für Strafsachen verantworten. Nicht nur wegen Vergewaltigung, sondern auch wegen sexueller Nötigung und Missbrauch in mehreren Fällen. Marlene hatte zuvor Kontakt zu mehreren Frauen aufgenommen, die laut eigenen Angaben ähnliche Erfahrungen mit dem DJ gemacht hatten.

Übergriffe im Schlaf?

Einer der Frauen soll der Angeklagte etwa mit seiner Hand unter ihr T-Shirt gegriffen und ihre Brust geknetet haben, eine andere wollte er ungefragt küssen. Gleich mehrere Betroffene berichteten auch von Situationen, in denen sie im Bett aufwachten und sich nicht daran erinnern konnten, Sex mit ihm gehabt zu haben – einige konsumierten zuvor auch Drogen und sagten bei der Polizei aus, dass die Übergriffe ohne Konsens und im Schlaf stattgefunden hätten.

"Mein Mandant bekennt sich nicht schuldig"

„Es gibt sehr viele Personen, die übergriffiges Verhalten beschreiben, das nicht strafrechtlich relevant ist, zum Beispiel ungefragt küssen oder antanzen. Die Fülle der Erzählungen und die sehr ähnlichen Beschreibungen der Verhaltensmuster führen aber dazu, dass das Ganze eine gewisse Plausibilität hat“, sagt Opferanwalt Philipp Springer. 

Im Juli verhängte die Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft über den DJ. Sein Mandant bekenne sich nicht schuldig, so sein Anwalt Sascha Flatz indessen auf KURIER-Anfrage. Der junge Mann sei „erschüttert von der Anzeige“.

Angst, ihren ehemaligen Bekannten vor Gericht wiederzusehen, hat Marlene nicht. Sie freue sich dagegen vielmehr, ihm ins Gesicht zu sagen, was er ihr angetan habe. „Ich wollte wieder einen Weg und ein Ziel vor mir haben. Es ist mein Wille gewesen, dass ich ans Licht bringe, was passiert ist, und auch für die Mädels einstehe, die keine Anzeige gemacht haben, weil sie sich nicht getraut haben“, so die 24-Jährige. 

*Name geändert