Millionenbetrüger treiben in Wien ihr Unwesen
Seit 2019 sind die Ermittler Betrügern auf der Spur, auf deren Konto seit 2013 zahlreiche Taten in Österreich und anderen europäischen Ländern gehen sollen. Im Oktober 2019 wurde bei der Außenstelle Zentrum-Ost die Zentralstelle zur Bekämpfung der Rip-Deals (eine spezielle Betrugsform, Anm.) gegründet, nachdem ein zypriotischer Geschäftsmann in einem Wiener Innenstadt-Café von der Bande ausgenommen worden war.
37 Fakten werden Mitgliedern des Clans europaweit bisher zur Last gelegt, daran sollen zumindest 26 Verdächtige im Alter von 34 bis 61 Jahren beteiligt gewesen sein. In Österreich sitzen vier Täter in Haft. Drei von ihnen sind bereits rechtskräftig verurteilt. Der mutmaßliche Haupttäter, ein 53-jähriger österreichischer Staatsbürger, der aus den Nachfolgeländern Jugoslawiens stammt, ist in einem anderen Land in Europa in Haft.
Der Schaden der schon seit 2013 aktiven Gruppe ist enorm. Es geht um Millionen, wie Ermittler Valentin Szaga-Doktor sagt. Von zahlreichen Fällen haben die Ermittler keine Kenntnis, weil sich die Opfer, oft aus Scham, gar nicht trauen, Anzeige zu erstatten.
So funktioniert's
Die Betrügereien werden immer im Zusammenhang mit dem Verkauf von Luxusgütern - Immobilien, Gold, Uhren, Schmuck, Autos, manchmal auch Kryptowährungen - verübt. Eine große Rolle spielt Falschgeld, das die Täter nach Erkenntnissen der Kriminalisten selbst herstellen.
Und es ist wahrlich Betrug im großen Stil: Bei einem sogenannten Rip-Deal gehen die Täter im Großverbund vor. In einem Wiener Fall im Oktober 2019 waren 15 Mitglieder eines Clans beteiligt. Am Tag, an dem das Opfer in einem Wiener Innenstadt-Cafe ausgenommen - eigentlich letztlich ausgeraubt - wurde, waren zehn Beteiligte anwesend.
Die Tat in Wien zeige laut Ermittlern gut, dass die Täter auch kein Problem haben, zu härteren Bandagen zu greifen, wenn es einmal aus dem Ruder läuft. Der zypriotische Geschäftsmann wollte um 110.000 Euro Gold kaufen. Die Betrüger gaben sich als israelische Gold- und Diamantenhändler aus und kontaktierten das Opfer. Der Mann wurde - wie immer bei Rip-Deals - von seinem Wohnort ins Ausland gelockt, in diesem Fall nach Wien. Hier sollte das Geld überprüft werden, bevor es in Athen letztlich zur Übergabe der Ware kommen sollte, wie die Betrüger dem Opfer vorgaukelten.
Aufgeflogen
Beim Treffen in dem Café, zu dem der Geschäftsmann die 110.000 Euro mitbrachte, tauschten die Betrüger die Summe heimlich gegen Falschgeld aus. Die Sache ging schief, als das Opfer den Coup bemerkte und die Kriminellen an der Flucht hindern wollte. Diese verletzten den Mann und machten sich davon. Ein Verdächtiger wurde bei der Fahndung von der Polizei erwischt.
Die weitere Bearbeitung des Falles übernahm die Außenstelle Zentrum-Ost des Landeskriminalamtes. Hier wurde auch die Zentralstelle zur Bekämpfung von Rip-Deals bei der Ermittlergruppe unter Leitung von Gerald Goldnagl angesiedelt. Die Beamten merkten rasch, wie groß das Thema ist, und stellten schnell Kontakte nach Belgien und in andere europäische Länder her. Zusammenarbeit gab und gibt es mit Europol, Eurojust, den deutschen und dem österreichischen Bundeskriminalamt sowie einer belgischen Spezialeinheit und den Polizeibehörden anderer Staaten.
Der Modus Operandi weist einige Kennzeichen auf: Im Regelfall werden Menschen kontaktiert, die im Internet Immobilien, teure Uhren, Schmuck und andere Wertgegenstände verkaufen wollen oder danach suchen. Die Anbahnung erfolgt oft über mehrere Monate hinweg, bis die Täter das Vertrauen des Opfers haben. Diesem wird vorgegaukelt, dass der Käufer ein Oligarch sei, der selbst nicht auftreten wolle und daher über Vermittler agiere, die natürlich Provision bekommen sollen.
Luxus
Grundsatz der Täter ist, dass über Preise nicht verhandelt wird. Oft wollen sie nicht einmal die angebotene Immobilie sehen und erhöhen von sich aus noch den Kaufpreis. Ist das Opfer einmal am Haken, wird es ins Ausland geladen. Den Flug und das Luxushotel zahlen die Täter, das Opfer wird nicht selten mit einer Luxuslimousine vom Airport abgeholt und auch sonst nach allen Regeln der Kunst hofiert. Die Betrüger selbst treten in Designerkleidung und mit teuren Uhren am Handgelenk auf.
Letztlich geht es um den großen Deal, bei dem die Provision für die Ermittler eine entscheidende Rolle spielt. Diese wird über Nebengeschäfte abgewickelt, das Opfer soll zu diesem Zweck Gold, Uhren, Schmuck und Kryptowährung mitbringen. Die Täter kommen sogar mit echtem Geld, zeigen dies dem Opfer, tauschen es dann aber gegen die Blüten aus. Der oder die Betrogene fährt mit Falschgeld nach Hause.
Die Betrüger gehen auch sonst überaus professionell und mit großem technischen Aufwand vor. So werden die Opfer nicht selten mit nachgebauten Seiten international renommierter Firmen getäuscht. Jörg Kohlhofer, IT-Spezialist bei der Kriminalprävention empfiehlt deshalb: „Erst denken, dann klicken.“
Warum ich?
Fragen, die sich potenzielle Opfer stellen sollten: Warum bin ich kontaktiert worden, was habe ich aktiv gemacht?
Bei professionell aussehenden Firmenseiten sind zum Beispiel fehlende Impressa auffällig, oft stimmen die Homepage-Adressen nicht überein. Es fehlt etwa ein Punkt oder ein Querstrich oder etwas Ähnliches.
Stutzig machen sollte auch, wenn der angebliche Geschäftspartner partout nicht nach Österreich kommen will. Und will man nicht ausspioniert werden, ist größtmögliche Passwortsicherheit ein Muss: mindestens 20 Zeichen inklusive Sonderzeichen, Zahlen und Groß- und Kleinschreibung sowie jedes Passwort nur einmal verwenden. Das Passwort „1,2,3,4,...“ usw. ist ein No-Go, ermahnt Kohlhofer.
Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Rip-Deals ermittelt nicht nur gegen diesen einen Clan. Laut Martin Roudny, Leiter der LKA-Außenstelle Zentrum-Ost, wurden 2021 insgesamt 74 Delikte mit einer Schadenssumme von 8,7 Millionen Euro aufgeklärt und dabei 58 Verdächtige ausgeforscht.