Wissenschafter fordern mit Manifest Stopp der Lobau-Autobahn
Von Bernhard Ichner
Ein Manifest gegen den Bau der geplanten Nordost-Umfahrung S1 samt Lobautunnel haben am Dienstag prominente Umweltschützer präsentiert. In der „Lobauer Erklärung“, die einen sofortigen Stopp fossiler Mega-Projekte wie der Lobau-Autobahn fordert, ist vom „teuersten und umweltschädlichsten Autobahnvorhaben Österreichs“ die Rede. Dieses bringe nicht weniger, sondern mehr Verkehr.
Vorgestellt wurde das Manifest von bekannten Projektgegnern. Auf dem generationenübergreifend besetzten Podium saßen neben Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, Verkehrswissenschafter Hermann Knoflacher, VIRUS-Sprecher Wolfgang Rehm, Umweltwissenschafter Peter Weish und dem ehemaligen Hainburg-Aktivisten Bernd Lötsch junge Klima-Lobbyisten von „Fridays for Future“ und „System Change Not Climate Change“.
Letztere hatten zuletzt mit diversen Besetzungen versucht, den Bau der umstrittenen Stadtstraße zu verhindern. Insgesamt unterstützen 41 Organisationen die Erklärung.
Verfehlte Umweltpolitik
„Es ist wirklich Feuer am Dach“, betont Klimaforscherin Kromp-Kolb. Sei es in Österreich doch nicht gelungen, eine Reduktion der Treibhausgase zu erwirken. Um einen Wandel herbeizuführen, seien grundlegende Änderungen in der Verkehrspolitik nötig.
„Die Lobau-Autobahn S1 von Schwechat nach Süßenbrunn ist das größte, teuerste und umweltschädlichste Autobahnbauvorhaben Österreichs“, heißt es in der Lobauer Erklärung. Dies gelte „umso mehr, wenn die Satellitenprojekte Marchfeldschnellstraße S8, S1-Spange Seestadt und die Stadtstraße Aspern hinzugezählt werden“. Das Projekt sei Symbol für eine verfehlte Umweltpolitik – ähnlich wie Hainburg oder Zwentendorf.
Es gefährde die Artenvielfalt und sei auch sozial ungerecht. Denn statt günstige öffentliche Mobilität für alle bereitzustellen, werde schädlicher Autoverkehr für wenige gefördert. An den Folgen von Lärm und Verschmutzung würden vor allem finanziell Benachteiligte leiden.
In ihrem Manifest weisen die Proponenten darauf hin, dass selbst Untersuchungen der Asfinag belegen, dass die Autobahn zu mehr Verkehr auf dem bestehenden Straßennetz führe. Sie sei „ein Musterbeispiel fehlgeleiteter und schädlicher Raumentwicklung. Sie befeuert die Zersiedelung und führt in Folge zur Versiegelung wertvoller Bodenflächen.“
Insbesondere der Lobautunnel gefährde das Grundwasser. Dies bedrohe in weiterer Folge sowohl die Trinkwasserversorgung als auch das Auen-Ökosystem.
„Tunnel wäre obsolet“
Auf Bundesebene sowie in Wien und Niederösterreich hält allerdings eine politische Mehrheit aus SPÖ, ÖVP, FPÖ und Sozialpartnern am Bau der S1 fest.
Während sich in Wien Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) demonstrativ hinter das Projekt stellt, schlägt zumindest der pinke Koalitionspartner andere Töne an. Sie sehe die Notwendigkeit des Lobautunnels nicht, erklärt Neos-Klubobfrau Bettina Emmerling.
„Da 96 Prozent des Verkehrs auf der Tangente nach Wien rein- oder aus der Stadt rausfahren und nur vier Prozent auf den Transitverkehr entfallen“, stünden die Tunnel-Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen. Zudem sei durch die Autobahn eine Zersiedelung zu befürchten.
Würde der öffentliche Verkehr flächendeckend ausgebaut und die Effizienz der Südost-Tangente erhöht, wäre der Lobautunnel obsolet, meint die Neos-Klubobfrau. Erreichen ließe sich dies etwa durch eine Carpooling-Spur, die ausschließlich Fahrzeuge mit mehr als einem Insassen fahren benutzen dürften, sowie durch eine Busspur auf der A23. Außerdem schwebt den Neos ein Seilbahnprojekt – etwa vom Hauptbahnhof entlang der Tangente bis zur Seestadt – vor.
„Im Frühjahr gibt es eine Machbarkeitsstudie zum Thema Seilbahn“, sagt Emmerling. Die A23 sei ein optionaler Standort, das Otto-Wagner-Spital ein anderer.
Im Büro von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) will man die pinken Ideen nicht kommentieren. Fix sei jedenfalls, dass mit Fertigstellung der S1 die zurzeit von rund 230.000 Fahrzeugen täglich befahrene Tangente für den Transitverkehr gesperrt werde. Durch die Kombination von S1, Stadtstraße, Parkpickerl und Öffi-Ausbau verspricht man sich eine Reduktion von rund 77.000 Fahrzeugen täglich auf der A23.